Papiere jetzt! - Gleiche Rechte für Alle
Für die umgehende Legalisierung von Flüchtlingen ohne Papiere
Abschlusserklärung der Konferenz der Flüchtlingsgruppen, -organisationen und -initiativen* zur Legalisierung von "Sans Papiers""Papiere jetzt!" am 23. Juni 2001 in Bochum
              "Der Pass ist das edelste Stück des Menschen" - dieser zynische Spruch ist die bittere
              Wahrheit für Hunderttausende von Menschen, die in Deutschland leben. Sie sind
              "illegal" in den Augen der Behörden und Gerichte, doch ihr Verbrechen besteht in ihrer
              bloßen Existenz auf deutschem Boden. Denn ihnen fehlt ein Stück Papier: die
              Aufenthaltsgenehmigung.
              Menschen ohne Papiere werden wie Kriminelle behandelt, leben jedoch oftmals schon
              seit vielen Jahren unbescholten in der Bundesrepublik. Ohne jeden rechtlichen Schutz
              sind sie ihrerseits völlig machtlos gegenüber Kriminalität, Ausbeutung, Armut und
              Krankheit. Tagtäglich werden ihre fundamentalen Menschenrechte (wie sie z.B. die
              Europäische Menschenrechtskonvention formuliert) verletzt.
              Während die Bundesregierung, die konservative Opposition und
              WirtschaftsvertreterInnen im Gleichklang die Notwendigkeit von Einwanderung für die
              Bilanzen der Märkte und der Bevölkerungsstatistik propagieren, bleiben jene, die in
              diesem Rahmen keiner Verwertbarkeit unterliegen, außerhalb der öffentlichen Debatte.
              Wann immer das Thema die Bühne staatlicher Politik erreicht, sind die Debatten auf die
              Abwehr "illegaler" Einwanderung und die Abschiebung der zuvor Illegalisierten
              ausgerichtet. Obgleich es in einigen umliegenden europäischen Ländern gelang,
              MigrantInnen ohne Papiere in unterschiedlichem Ausmaß Wege zum legalen Aufenthalt
              zu eröffnen, ist in der Bundesrepublik Deutschland von Seiten der offiziellen Politik
              bislang kein Vorstoß zur Legalisierung von Flüchtlingen ohne Papiere unternommen
              worden.
              Die unterzeichnenden Personen, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen
              nehmen dies zum Anlass umso lauter ein Legalisierungsprogramm zu fordern, das die
              nachfolgend aufgeführten Punkte einschließen muss:
              a) Gleiche Rechte für Alle
              Abschaffung sämtlicher diskriminierender Sondergesetze und –normen. Dazu sind als
              erste Schritte notwendig:
- 
                   die sofortige Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ohne Durchführung einer
                   Bedarfsprüfung, einschließlich des Rechtes auf selbstständige Arbeit und der
                   Beschäftigung im öffentlichen Dienst 
- 
                   die Sicherung des Zugangs zu medizinischer Regelversorgung in vollem Umfang
                   mit speziellem Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Therapieplatzes für
                   traumatisierte Gewaltopfer 
- 
                   die Gewährleistung des Rechtes auf Bildung, einschließlich der Möglichkeit des
                   Universitätsbesuches und des Bezuges staatlicher Ausbildungsförderung 
- 
                   die Aufnahme in Sozialversicherungssysteme und Anspruch auf den Bezug von
                   Sozialleistungen in vollem Umfang 
- 
                   die Ausdehnung der Geltung verfassungsmäßiger Grundrechte – wie des
                   Wahlrechts - auf alle EinwohnerInnen der Bundesrepublik Deutschland 
- 
                   die Gewährleistung des Rechtes auf freie Wahl des Aufenthaltsortes 
- 
                   die Sicherung des Rechtes auf Familienzusammenführung 
- 
                   die Abschaffung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen 
- 
                   die verpflichtende Bereitstellung von Integrationshilfen 
- 
                   die Gewährleistung des Rechtes auf gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung mit
                   Einrichtung entsprechender dezentraler Beratungs- und Beschwerdestellen 
- 
                   die Ratifizierung der "UN-Konvention zum Schutze der Rechte von
                   Wanderarbeitern und ihren Familienangehörigen" von 1990 und die Aufhebung
                   der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention von 1992 
              b) Legalisierung von MigrantInnen ohne Papiere
- 
                   die Erteilung einer unbefristete Aufenthaltsgenehmigung als Amnestie für alle
                   MigrantInnen ohne legalen Status, die sich zu einem festzulegenden Stichtag in
                   der BRD befinden und sich seit mehr als einem halben Jahr hier aufhalten. 
- 
                   den Verzicht auf eine langwierige Einzelfallprüfung im Rahmen der Amnestie. Wer
                   den Kriterien genügt, muss automatisch das Recht auf einen Status erhalten. Das
                   eigentliche Antragsverfahren dient damit nicht mehr dem Erwerb des
                   Rechtsstatus, sondern nur noch dessen formaler Festschreibung, so dass auch
                   Menschen, die diese Festschreibung noch nicht vollzogen haben, bereits als
                   "legal" zu gelten haben. 
- 
                   die regelmäßige Legalisierung auf Einzelantrag für MigrantInnen, die sich seit
                   mehr als einem halben Jahr in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, durch
                   Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. 
- 
                   die sofortige Legalisierung auf Antrag für Opfer von Gewaltverbrechen, von
                   Ausbeutung durch Schleuser und von Zwangsprostitution 
- 
                   die sofortige Legalisierung auf Antrag für Kinder 
- 
                   einen umfassenden Abschiebeschutz für AntragstellerInnen, deren Aufenthaltsort
                   mit dem Antrag den Behörden bekannt geworden ist, und die die Kriterien für eine
                   Legalisierung nicht erfüllen. 
- 
                   die Gewährleistung einer ausreichenden, mehrsprachigen Ankündigung der
                   Programme bei gleichzeitiger Bereitstellung von ausführlicher dezentraler
                   Beratung in notwendigem Umfang in nichtstaatlichen Einrichtungen. 
              c) Asylrecht:
- 
                   die Wiederherstellung des Artikel 16 GG im ursprünglichen Geist des
                   verfassungsmäßigen individuellen Rechtsanspruches auf Asyl, wie er vor der
                   Asylrechtsänderung vom Dezember 1992 bestand. D.h., die Absätze (2) bis (5)
                   des Art. 16a GG sind ersatzlos zu streichen. 
- 
                   die Ausweitung der Begriffsdefinition politischer Verfolgung, die als Anspruch
                   nach Artikel 16a GG die Gewährung von Asyl auch für geschlechtsspezifische und
                   für nichtstaatliche Verfolgung garantieren muss. 
- 
                   die Berücksichtigung spezifischer mit Fluchtbiografien verbundener Probleme von
                   AntragstellerInnen bei der Durchführung des Verfahrens (z.B. besondere
                   Rücksichtnahme auf traumatisierte Flüchtlinge). 
- 
                   die Gewährleistung einer institutionalisierten psychosozialen Betreuung der
                   AntragstellerInnen von Beginn des Verfahrens an. 
- 
                   die von staatlicher Seite garantierte Bereitstellung eines Rechtsbeistands. Dies
                   schließt die Finanzierung des Verfahrens in vollem Umfang durch Übernahme von
                   Prozess- und Anwaltskosten ein. 
- 
                   die Anpassung der Fristen im Asylverfahren an die gängige Praxis in anderen
                   Verfahren. Bestehende Fristen dürfen das Beibringen von Beweismitteln nicht
                   erschweren. 
- 
                   den besonderen Schutz von AntragstellerInnen vor Schäden die in der
                   Unübersichtlichkeit des Verfahrens begründet sind. Fahrlässigkeit und
                   Gutgläubigkeit ebenso wie verfahrensbeeinflussende Fehler durch Verschulden
                   Dritter müssen einem Abschluss des Verfahrens entgegenstehen oder zu dessen
                   unverzüglicher Wiederaufnahme führen. 
- 
                   die Behandlung von unter 18-Jährigen als Kinder gemäß Artikel 1 der
                   UN-Kinderkonvention. 
              d) Einwanderung:
- 
 die Eröffnung anderer legaler Einwanderungswege für nicht politisch Verfolgte,
                   unabhängig vom jeweiligen ökonomischen Bedarf.
Die Konferenz wurde unterstützt von:
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.,
 Büro MdB Ulla Jelpke,
Bürgerzentrum Schuhfabrik Ahlen, 
Ludwig Quidde Forum,
 Rosa Luxemburg
Stiftung,
Promondial e.V.,
 remedio e.V.,
 AK-Asyl-NRW e.V., 
JungdemokratInnen/Junge
Linke NRW,
AStA der Ruhr-Universität Bochum, 
Nord-Süd-Büro Bochum, 
Komitee für
Grundrechte und Demokratie,
 RA Irene Seifert (Bundesvorsitzende der Vereinigung
demokratischer Juristinnen und Juristen), 
Volker Maria Hügel (Referent für
Asyl- und
Migrationsfragen, Leiter des Projektes Qualifizierungsmaßnahme für die
Flüchtlingssozialarbeit),
 PDS-Dortmund, 
Astrid Keller (Mitglied des Rates
der Stadt
Dortmund,
 Linkes Bündnis),
 Initiative "BürgerInnen beobachten den BGS
(Dortmund),
 Wissenschaftlich-humanitäres Komitee (Regionalgruppe
Ruhrgebiet),
Regionalgruppe der Wendo-Trainerinnen im Ruhrgebiet,
 PDS-NRW, Martin Budich
(Linkes Netzwerk Bochum), 
Reinhard Wegener (Abteilung Politik im Bahnhof
Langendreer, Bochum), 
Langer August e.V. (Dortmund),
 IPPNW (Gruppe
Bochum/Dortmund),
Bürgerrechte & Polizei/CILIP (Berlin), 
Internationales Beratungszentrum/IBZ
(Detmold),
 Ostermarsch Komitee Ruhr,
 Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinte
KriegsgegnerInnen NRW,
 Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinte
KriegsgegnerInnen
Bochum, 
Flüchtlingsrat Wiesbaden, 
Hessischer Flüchtlingsrat,
 Türkei
Kurdistan
Koordination von Bündnis 90 / Die Grünen,
 Giesela Pentecker (Vorstand der
IPPNW), 
Gabriele Riedl (Bürgermeisterin der Stadt Bochum)
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