Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegen die Strategie des Tötens

Erklärung des pax christi-Präsidenten zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2011

In Afghanistan und auch jenseits der Grenze zu Pakistan sind Luftangriffe mit Drohnen inzwischen tägliche Realität. Direkte willkürliche Tötungen und Einsätze über große Distanzen machen für den Angreifer eine für ihn risikoarme Kriegsführung möglich, die darüber hinaus noch als zielgenau gilt. Der so genannte Kollateralschaden ist und bleibt jedoch Realität auch dieser Kriegsführung.

Eine Sicherheitsstrategie, die verdächtige Personen tötet, statt sie der Justiz zu überstellen, wird immer mehr zur Normalität. Bekannt geworden sind vor allem die von US-Präsident Barack Obama und seinen engsten Mitarbeitern im vergangenen Mai live mitverfolgte Tötung von Osama bin Laden sowie die gezielte Tötung des US-Bürgers Anwar al-Awlaki im September im Jemen. Der größte Teil der Einsätze richtet sich im militärisch wenig aussichtsreichen Kampf gegen die so genannten Taliban auf niedriger Hierarchieebene.

Der internationale Militäreinsatz in Afghanistan bekennt sich spätestens seit der Londoner Sicherheitskonferenz 2010 offen zu dieser „Shoot-and-Kill“-Strategie. Dies bedeutet, dass die als Aufständischer identifizierte Person oder die entsprechende Personengruppe direkt getötet („targeted killing“), statt angeklagt oder gefangen genommen werden. An die Stelle militärischer Fronteinsätze treten Methoden verdeckter Kriegsführung.

Dieser dramatische Paradigmenwechsel in Selbstverständnis und Strategie von Militär hin zu einer Art ständigen Intervention, stellt eine neue Phase der Anwendung kriegerischer Gewalt dar. Diese Art der Gewalt ist unvereinbar mit den Regeln des Kriegsrechts und bedeutet schwere Menschenrechtsverletzungen. Auch ein Terror-Verdächtiger hat unveräußerliche Menschenrechte. Wenn eine Aktion der Aufstandsbekämpfung nicht mehr die Festnahme, sondern die Tötung des Gegners zum Ziel hat, bricht internationales Recht.

Der jahrelange Krieg in Afghanistan hat zu einer gefährlichen Eigendynamik des Wirkens von militärischen Sondereinheiten und von unkonventionellen Methoden militärischen Gewalteinsatzes geführt. Die Aufwertung und Sonderstellung von Streitkräften bei der militärischen Aufstandsbekämpfung und ihre Vermischung mit polizeilichen und geheimdienstlichen Strukturen ist fatal, weil sie menschenrechtliche Standards aufweicht. Dies ist insbesondere bei der unerträglichen Rehabilitation der Folter und bei Aktionen der Fall, die extralegale Tötungen darstellen oder diesen gleichkommen.

Drohnen wurden bislang hauptsächlich von den USA, Großbritannien und Israel eingesetzt. Die Bundeswehr will nun eine in Gemeinschaftsproduktion der Düsseldorfer Rheinmetall und dem israelischen Drohnenhersteller IAI entwickelte Drohne im Afghanistankrieg einsetzen. Die Heron/Eitan-Drohne kann nicht nur aufklären, sondern auch eine erhebliche Nutzlast an Raketen mitführen. pax christi sieht in diesem Vorhaben einen Schritt hin zu einer weiteren Aufweichung menschenrechtlicher Normen, die auch im Krieg und bei der Aufstandsbekämpfung gelten.

pax christi fordert die Bundesregierung zum Tag der Menschenrechte auf, sich der Strategie des gezielten Tötens als Mittel der Aufstandsbekämpfung und Kriegführung zu widersetzen. Jede Beteiligung der Bundeswehr daran, auch durch Informationsweitergabe, Zielbestimmung, etc., ist sofort zu beenden. Internationale Friedenspolitik muss immer eine Stärkung der Menschenrechte zum Ziel haben.

pax christi als internationale katholische Friedensbewegung betont die uneingeschränkte Geltung der allgemeinen Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es sind dies Rechte, die jedem Menschen zustehen, weil er Mensch ist. „Die Menschenrechte sind deshalb vorstaatliche Rechte; sie werden nicht vom Staat gewährt, sondern binden und verpflichten ihn“ (Wort der deutschen Bischöfe „Gerechter Friede“ vom 27.9.2000, Nr. 72).

Berlin/Fulda, 8. Dezember 2011

Heinz Josef Algermissen
Präsident von pax christi Deutschland
Bischof von Fulda

Quelle: www.paxchristi.de


Zurück zur Menschenrechts-Seite

Zur Seite "Kirche und Frieden"

Zur Friedensbewegungs-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zurück zur Homepage