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"Akut bedroht ist die innere Sicherheit durch Terror und durch gewaltbereite, fundamentalistische Islamisten"

Aus der Parteitagsrede des CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber

Die Ermordung des niederländischen Filmemachers und Islamkritikers Theo van Gogh am 2. November 2004 hat im Land selbst zu Vergeltungsaktionen (z.B. Abfackeln von Moscheen) und einem Klima der Angst und der Verunsichrung auf Seiten der muslimischen Bevölkerungsminderheit geführt. In Deutschland wurden die niederländischen Unruhen zum Anlass genommen, den Islam resp. "Islamismus" unter Generalverdacht zu stellen. Bundeskanzler Schröder verlangt in einer Rede am 20. November von den hier lebenden Muslimen, dass sie ihre Integrationsbemühungen verstärken. "Parallelgesellschaften" lehnt er kategorisch ab. Der CSU-Chef Edmund Stoiber tat es ihm am selben Tag gleich. Auf dem CSU-Parteitag griff er auf den vor vier Jahren geprägten und damals allgemein abgelehnten Begriff der "Leitkultur" zurück. Kritische Stellungnahmen zur aktuellen Debatte haben wir hier veröffentlicht: Wider die Islamophobie - Terror hat keine Religion

Wir dokumentieren im Folgenden den Teil der Rede Stoibers, der sich mit der "Integration" von Ausländern und der CSU-spezifischen Form der "Leitkultur" befasst. Im Redemanuskript sind das die Seiten 35 bis 46 (von insgesamt 54 Seiten).



Auszug aus der Rede des Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag am 20. November 2004

Meine Damen und Herren,
Neben der Zukunft der Arbeit und der demografischen Entwicklung müssen wir auch auf die Bedrohung der inneren und äußeren Sicherheit neue Antworten finden.
Die aktuelle Bedrohungslage zeigt: Innere und äußere Sicherheit lassen sich heute nicht mehr trennen. Die Bedrohung kann von innen und außen zugleich kommen. Rot-Grün hat darauf keine Antwort, keine nationale Strategie. Die Bundesregierung handelt fahrlässig, den Heimatschutz und die Landesverteidigung so zu vernachlässigen.
Auf unserem außenpolitischen Kongress am 9. Oktober habe ich die Grundlinien unseres Sicherheitskonzepts umfassen dargelegt. Ich möchte deshalb hier nur einen Gesichtspunkt herausgreifen.

Ganz zentral für unsere Sicherheit bleibt auch in Zukunft das transatlantische Verhältnis. Denn trotz aller Meinungsverschiedenheiten gilt: Europa und die USA teilen dieselben Werte:
Demokratie, Freiheit, Menschenrechte! Ich bin überzeugt: jetzt nach den Wahlen in den USA werden sich neue Chancen für einen vertieften transatlantischen Dialog ergeben. Das zeigt auch die Ankündigung von Präsident Bush, schon im Frühjahr nächsten Jahres Europa zu besuchen. Diese Chance muss genutzt werden! Wir fordern: Der Kanzler muss das gestörte Verhältnis zu den USA wieder in Ordnung bringen!

Eine äußere militärische Bedrohung für unser Land ist zwar nie auszuschließen, scheint aber derzeit nicht akut. Akut bedroht ist dagegen die innere Sicherheit durch Terror und durch gewaltbereite, fundamentalistische Islamisten.
Der Journalist Leyendecker von der SZ meinte dazu, dass die RAF gegenüber diesen Terror- Zellen eine Knaben-Chorgemeinschaft gewesen sei.

Nach dem Verfassungsschutzbericht 2003 leben allein bei uns in Bayern 5.500 islamistische Extremisten. Wir müssen wachsam und wehrhaft sein! Deshalb: Null Toleranz gegen Extremisten! Ausbrüche von Gewalt haben wir in unseren Nachbarländern schon oft erlebt – in Madrid, in den Vororten französischer und englischer Städte mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil und jüngst in Holland.

Wir sind alle tief betroffen von den Vorgängen in unserem Nachbarland. Ein islamistischer Extremist hat auf barbarische Weise einen Filmemacher ermordet, der bestehende Missstände im Islam angeprangert hat, vor allem die Unterdrückung der Frauen. Das hat eine Gewaltspirale ausgelöst, die gerade in diesem Land mit seinen besonders liberalen Traditionen niemand für möglich gehalten hätte, am wenigsten die Holländer selbst: Kirchen und Moscheen brennen, Brandanschläge werden auf Kindergärten und Schulen verübt.

Leider hat es nun auch in Baden- Württemberg einen Anschlag auf eine Moschee gegeben. Das ist zutiefst zu bedauern und scharf zu verurteilen. Bayern wird jeden, der es auch nur wagt, den sozialen Frieden zu stö- ren, hart verfolgen. Muslime müssen sich bei uns so sicher fühlen wie alle anderen Bürger. Viele Menschen erkennen gegenwärtig, in Holland wie auch bei uns: Das Modell einer multikulturellen Gesellschaft ist höchst fragil und labil. Der Schleier über der Multi-Kulti- Gesellschaft lüftet sich. Dahinter kommt etwas zum Vorschein, das hart, kalt und grausam ist, wie einst selbst der Grüne Daniel Cohn-Bendit sagte.

Und Kardinal Ratzinger erklärte gestern in der „Welt“: Das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen könne nur „auf der Basis positiver Wertschätzung“ gelingen könne. Jede Seite sollte gegenüber der anderen Wertschätzung empfinden. Wer sich aber bewusst selbst abschottet, wie das viele Muslime tun, wer die Deutschen als Ungläubige ansieht und damit abwertet, der kann nur schwer integriert werden und der will sich auch nicht integrieren.
Wir müssen nüchtern und ohne Beschönigung feststellen: Es hat sich vielfach kein wirkliches Miteinander entwickelt. Es gibt mehr ein Nebeneinander, ja Parallelwelten. Es sind zum Teil Parallelgesellschaften entstanden, die integrationsunwillig sind. Die Süddeutsche Zeitung spricht von einem „stillen Kulturkampf“, der sich zum Beispiel in einigen Berliner Stadtteilen abspielt. Die Gefahr von islamischen Parallelgesellschaften und Ghettobildung steigt insbesondere in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt dramatisch. Diese Abschottung zerstört jeden Integrationsansatz. Daher müssen wir ihr entgegen wirken!

In unserer Gesellschaft leben 3,2 Mio. Muslime. Die allermeisten gesetzestreu, gewissenhaft, leistungsbereit. Sie gehen friedlich ihrer Arbeit nach und kommen mit den deutschen Arbeitskollegen und den deutschen Nachbarn gut aus. Hier ist vielfacher kultureller und interreligiöser Dialog notwendig, um gerade die gemäßigten Kräfte in unserem Land zu stärken. Um diesen Dialog bemüht sich auch die CSU. Das ist sicher keine einfache Aufgabe. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Aber ohne Dialog würden wir harten Zeiten in unserem Land entgegengehen. Nur über den Dialog können wir Spannungen und Konflikte verhindern.

Dieser Dialog darf nicht einseitig sein. Auch die Muslime müssen auf uns zugehen. Und dieser Dialog muss von einem festen Wertefundament aus geführt werden. Beliebigkeit und Schönreden hilft da nicht weiter. Deshalb halte ich überhaupt nichts von der Einführung eines muslimischen Feiertags. Nationale oder christliche Feiertage abschaffen und islamische einführen wollen, so weit kommt es noch in unserem Land! Das wäre nicht Toleranz, nicht Integration, sondern die Aufgabe unserer kulturellen Wurzeln. Das werden wir verhindern. Unser Land ist seit 1500 Jahren vom Christentum geprägt und nicht vom Islam. Meine Damen und Herren!

Wir müssen noch deutlicher als bisher sagen, was Integration bedeutet. Und wir müssen sie auch einfordern! Leider müssen wir heute feststellen: Der Wille zur Integration lässt eher nach als dass er zunimmt. Wir glaubten, dass die 2. oder 3. Generation der Zuwanderer sich hier integrieren würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Darauf müssen wir reagieren. Wir dürfen nicht leichtfertig mit der Einbürgerung umgehen. Ein deutscher Pass bedeutet noch keineswegs Integration. Gegen den massiven Widerstand der rot grünen Multi-Kulti- Traumtänzer haben wir im Zuwanderungskompromiss hierfür die Hürden erhöht.

Die Beherrschung der deutschen Sprache ist sicher ein entscheidender Schlüssel für die Integration. Integration über das Erlernen unserer Sprache, auch das haben wir im Zuwanderungskompromiss durchgesetzt. Ich will jedoch auch daran erinnern: Günther Beckstein ist noch vor einigen Jahren von Otto Schily der Vorwurf der Zwangsgermanisierung gemacht worden, weil er Deutschprüfungen für Ausländer gefordert hatte. Heute redet Schily ganz anders. Heute warnt er vor den Gefahren islamischer Parallelgesellschaften und vor einer „Multi-Kulti- Seligkeit“. Aber auch hier stellen wir fest: Die Länge des Lernprozesses von Otto Schily geht zu Lasten unseres Landes.

Wir haben auch hier Kurs gehalten. Wir verstärken unsere Integrationsbemühungen hier in Bayern, im Kindergarten und in den Schulen. Dazu haben wir vor kurzem entsprechende Beschlüsse gefasst: Wir sagen klar: Wer bei uns in die Schule geht, der muss dem Unterricht folgen können, der muss Deutsch können. Wir erwarten: Wer dauerhaft hier leben will, muss sich integrieren. Er muss es wollen, er hat eine Bringschuld. Er muss seine Kinder in unsere Schulen schicken, damit sie Deutsch lernen. Das dürfen und können wir erwarten.
Der frühere Präsident der Berliner Akademie der Künste, György Konrad, hat einmal sehr treffend formuliert. „Der Preis für ein Bleiben heißt Lernen.“ Diesen Preis wollen wir nicht senken. Im Gegenteil: Wir müssen ihn sogar erhöhen, wir müssen mehr Lernbereitschaft, mehr Willen zur Integration verlangen.

Entscheidend neben der Sprache ist vor allem
  • die Anerkennung unserer Werteordnung, unserer Rechtsordnung, unserer Prinzipien des Zusammenlebens,
  • die Anerkennung der Trennung von Staat und Religion,
  • die Anerkennung der Gleichberechtigung der Frau und jener Werte, die zu Recht universell genannt werden.
Entscheidend ist also das Bekenntnis zu unserer Wertekultur, zu Deutschland. Wir fordern Respekt und Achtung vor unserem Grundgesetz. Wer dazu nicht bereit ist, der muss sich fragen lassen, warum er dann ausgerechnet in unserem Land leben will.
Unser Land bietet Ausländern wirklich viel: Freiheit, eine offene Gesellschaft, soziale Sicherheit, die Möglichkeit zum Aufstieg und zum freien Unternehmertum, Toleranz und die Hand zum friedlichen Miteinander. Aber eins muss ganz klar sein, und da kann es nur Null-Toleranz geben: Wer gewaltbereit ist, wer Hass predigt, wer sich gegen unsere freiheitliche Grundordnung stellt, der muss entschieden und eindeutig auf eine abwehrbereite Demokratie stoßen. Hier endet unsere Toleranz. Hier beginnt die Abwehr, die Ausweisung, die Strafe. Und ganz klar muss auch allen sein: Rechtsfreie Räume darf und wird es in Deutschland nicht geben. Dafür sorgt in Bayern Günther Beckstein. Und ich füge hinzu: Der gewaltbereite Muslim muss auch auf Ablehnung bei den gemäßigten Muslimen stoßen. Ich würde mir hier schon ein klareres und tatkräftigeres Bekenntnis gegen Gewalt und Hass und für unsere Wertordnung wünschen.

Meine Damen und Herren!
In den jahrelangen Auseinandersetzungen um die multikulturelle Gesellschaft haben wir Flagge gezeigt. Und wir haben uns in der Auseinandersetzung um das Zuwanderungsgesetz mit unserer Vorstellungen weitgehend durchgesetzt. Die CSU stand stets für die Wahrung des christlichen Menschenbildes, für nationale Identität und für die Wahrung deutscher Interessen.
Traditionelle Werte, nationale Identität, Zusammenhalt und Bindungen machen ein Volk stabiler, selbstbewusster, krisenfester gegen Gefährdungen. Das spüren die Menschen im rauen Wind der Globalisierung und der Bedrohungen durch Terror und religiösen Fanatismus.
Die Suche nach Orientierung, nach Zukunftssicherheit nicht nur im Ökonomischen, sondern auch im Wertefundament der Nation nimmt zu.

Unser Volk ist eine Schicksalsgemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist entstanden aus einer gemeinsamen Geschichte im Schlechten wie im Guten, gemeinsamer Sprache und Kultur, gemeinsamen Traditionen und gemeinsamer christlicher Religion. Alles zusammen ist Teil unseres geistig kulturellen Wurzelgeflechts. Das hat Nationalsozialismus und Kommunismus überstanden.
Aus dieser nationalen Identität heraus riefen die Menschen in Leipzig: "Wir sind ein Volk." Aus der Schicksalsgemeinschaft folgt die Verantwortungsgemeinschaft. Verantwortung für dieses Land, sein Wohlergehen, seine Fortentwicklung, seine Menschen, insbesondere seine Kinder.

Wir, CDU und CSU, bekennen uns zur nationalen Identität, zu einem selbstverständlichen Patriotismus. Ein aufgeklärter, selbstbewusster Patriotismus ist unverzichtbar für die Zukunft unseres Landes. Diesen aufgeklärten Patriotismus, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, wollen wir stärken –
  • durch den Erhalt der Feiertage,
  • durch die Vermittlung von Geschichtsbewusstsein in den Schulen,
  • durch die Bewahrung von Traditionen und Brauchtum,
  • durch den Stolz auf Leistungen in Wissenschaft, Kunst und technologischen Erfindungen.
Beim Sport sind Freude und Stolz selbstverständlich, warum denn nicht auch bei Erfindungen und anderen Leistungen unserer Menschen? Wer nicht an sich glaubt, wer nicht an sein Land und seine Menschen glaubt, der kann auch die Probleme des Landes nicht lösen. Diesen Glauben an uns, diesen Glauben an unser Können, an unsere Kreativität, an unsere Fähigkeit, Deutschland wieder nach vorn zu bringen, den brauchen wir in unserem Land.

Quelle: Homepage der CSU: www.csu.de

Die ganze Rede ist hier erhältlich:
www.csu.de/home/Display/Aktuelles/Veranstaltungen/parteitag2004


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