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"Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements für die Menschenrechte"

Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert klare außen- und sicherheitspolitische Richtlinien. Jahresbericht 2003 vorgelegt (im Wortlaut)

Im Folgenden dokumentieren wir die deutsche Fassung des Jahresberichts (der Bericht ist zweisprachig deutsch-englisch erschienen) - lediglich auf Kapitel 8 ("Jahresrechnung 2003" und auf einen Teil des Anhangs (Kuratorimsmitglieder, Leitbild des Instituts) haben wir hier verzichtet.

Jahresbericht 2003

Deutsches Institut für Menschenrechte

Berlin, August 2004


Vorwort

Menschenrechtspakte, Menschenrechtsdialog mit islamisch orientierten Ländern, Menschenrechtsschutz unter den Bedingungen verstärkter Sicherheitsmassnahmen: Dies sind einige Stichworte zur Arbeit des Deutschen Instituts für Menschenrechte im Jahr 2003. Mit einer Palette von Publikationen und Fachseminaren trug das Institut zu Strategiebildung der deutschen Menschenrechtsarbeit bei, informierte eine Fachöffentlichkeit über aktuelle Diskussionen, aber auch Hintergründe, und leistete Beiträge zur Menschenrechtsbildung in Deutschland. Der folgende Bericht gibt einen Überblick über die großen Bögen und Tätigkeitsschwerpunkte 2003.

Das Kuratorium, insbesondere die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Hanna Beate Schöpp-Schilling und Barbara Unmüßig, erreichte mit großem Engagement und in enger Zusammenarbeit mit dem Vorstand die personelle und konzeptionelle Konsolidierung des Instituts. Ihnen ebenso wie dem langjährigen Vorsitzenden, heute der Ehrenvorsitzende des Kuratoriums, Werner Lottje, gebührt unser herzlichster Dank. Das Institut arbeitet in einem lebhaften Umfeld und mit vielen Kooperationspartnern zusammen. Auch ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

August 2004
Deutsches Institut für Menschenrechte

Dr. Heiner Bielefeldt
Direktor

Frauke Seidensticker
Stellvertretende Direktorin

Inhalt
  1. Menschenrechte im gesellschaftlichen Lernprozess, Seite 8
  2. Ausbau menschenrechtlicher Institutionen im internationalen und im europäischen Raum, S. 11
  3. Schutz vor Diskriminierung, S. 14
  4. Menschenrechtliche Anforderungen an internationale Sicherheitspolitik, S. 16
  5. Normativer Universalismus und kulturelle Differenz, S. 19
  6. Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements für die Menschenrechte, S. 21
  7. Bibliothek und Dokumentation, S. 23
  8. Jahresrechnung 2003, S. 25
  9. Anhang: ul>
  10. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, S. 26
  11. Publikationen 2003, S. 27
  12. Mitglieder des Kuratoriums – Stand 31. Dezember 2003, S. 28
  13. Leitbild des Deutschen Instituts für Menschenrechte e.V., S. 29


1 Menschenrechte im gesellschaftlichen Lernprozess

Die menschenrechtsbezogene Bildungsarbeit ist eine der Kernaufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Sie trägt zur Entfaltung der emanzipatorischen Intention der Menschenrechte bei, indem Menschen in ihren Fähigkeiten unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen und solidarisch für die Menschenrechte anderer einzutreten.

Mit der Studie „Perspektiven entwickeln – Menschenrechtsbildung in Deutschland“ von Nils Rosemann und Claudia Lohrenscheit verfügte das Institut über eine Grundlage, um erste Akzente im Bildungsbereich zu setzen. Vor diesem Hintergrund fand im April 2003 die Gründung des „Netzwerks Menschenrechtsbildung“ statt, ein Zusammenschluss von etwa 30 Fachleuten der Menschenrechtsbildung aus Schulen, Hochschulen und zivilgesellschaftlichen Institutionen, die sich seither regelmäßig treffen, um sich auszutauschen und ihre Arbeit zu koordinieren.

Ein wichtiger Bestandteil des Netzwerks sind thematische Arbeitsgruppen. Exemplarisch soll auf die Arbeitsgruppe „Menschenrechtsbildung und Soziale Arbeit“ hingewiesen werden. Im Rahmen dieser AG treffen sich monatlich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die in einem Masterstudiengang „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ studieren. Die Arbeitsgruppe wurde eingerichtet, um grundlegende Fragen, Methoden und Inhalte der Menschenrechtsbildung für die Berufspraxis gemeinsam zu erarbeiten und um studienbegleitende Projekte zur Menschenrechtsbildung zu reflektieren.

Vom 27. bis 29. November 2003 wurde eine Konferenz zum Thema „Das Recht auf Bildung für alle“ in Kooperation mit der UNESCO, der Fakultät für Erziehungsund Bildungswissenschaft an der Universität Oldenburg und der Paulo Freire Kooperation durchgeführt. Die Konferenz war die erste größere Veranstaltung, die die Themen Bildung, Menschenrechte und Befreiungspädagogik in Deutschland auf eine Agenda setzte. Sie richtete sich vornehmlich an die deutsche Fachöffentlichkeit, zog jedoch auch Interessierte aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland an. Bei insgesamt 140 Teilnehmenden waren eine Vielzahl unterschiedlicher Länder vertreten (Polen, Georgien, Ungarn, Frankreich, USA, Brasilien, Chile, Argentinien, Peru, Paraguay, Südafrika, Burundi). Ein Ergebnis der Konferenz ist eine Initiative in Südafrika, die für 2005 die Durchführung einer Folgekonferenz auf dem afrikanischen Kontinent anstrebt. Hierbei steht das Institut beratend zur Seite. Insgesamt werden die Konferenzergebnisse in Form einer Publikation bei der Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik aufbereitet, unter dem Titel „Menschenrechtsbildung am Ende der UN-Dekade für Menschenrechtsbildung“.

Im Bereich der Weiterbildung wurden mehrere Pilotseminare konzipiert, durchgeführt und ausgewertet. In diesem Rahmen kristallisiert sich als ein Schwerpunkt der Menschenrechtsbildung die berufliche Ausund Fortbildung heraus. Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und Institutionen nahmen an den Seminaren teil: Fachleute aus juristischen und Lehrberufen, der Sozialarbeit und der Polizei sowie Pädagoginnen und Pädagogen.

Das Institut bereitet auch eine Reihe von Materialien vor, die breite Anwendung in der menschenrechtlichen Bildungsarbeit finden sollen: Die Arbeiten zur Übersetzung des umfangreichen COMPASS - Handbuchs zur Menschenrechtsbildung für die schulische und außerschulische Jugendarbeit kommen gut voran. Der COMPASS wurde vom Europarat erarbeitet und soll jetzt in verschiedene europäischen Sprachen übersetzt werden. Geplant ist die Herausgabe der deutschen Ausgabe von COMPASS gegen Ende 2004.

Das Knowledge Tool ist ein multimediales Lernprogramm zur Europäischen Menschenrechtskonvention, das von der European School of Governance im Auftrag des Instituts erarbeitet wurde. Es richtet sich an Studierende juristischer, politik- und sozialwissenschaftlicher Fächer und leitet sie an, sich eigenständig Inhalte und Verfahren der Europäischen Menschenrechtskonvention anzueignen. Zusätzlich zu diesem Online-Tool ist ein Handbuch für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II erarbeitet worden. Dieses enthält neben Grundinformationen über das europäische Menschenrechtsschutzsystem für Schülerinnen und Schüler auch Übungen und Hinweise für Lehrkräfte zur Integration von Menschenrechtsbildung in den Unterricht.

Das seit der Gründung des Instituts durchgeführte Colloquium zu Fragen des nationalen und internationalen Menschenrechtsschutzes fand auch im Jahr 2003 regen Zulauf. Die Vorträge deckten ein breites Themenspektrum ab, das von der Einführung in Instrumente des internationalen Menschenrechtsschutzsystems bis hin zu ausgewählten Aspekten der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen auf der nationalen Ebene reichte.


2 Ausbau menschenrechtlicher Institutionen im internationalen und im europäischen Raum

Menschenrechte enthalten nicht nur einen ethischen Anspruch, sondern sind immer zugleich auf politisch-rechtliche Institutionalisierung hin angelegt. Das „Empowerment“, auf das sie zielen, manifestiert sich vor allem in der Ausgestaltung rechtlicher Positionen und Verfahren, die eine öffentlich kontrollierte Durchsetzung verbürgter Rechte gewährleisten sollen.

Das wichtigste Menschenrechtsgremium auf internationaler Ebene ist die Menschenrechtskommission (MRK) der Vereinten Nationen (VN), die jährlich im Frühjahr in Genf tagt. Abgesehen von der Zuständigkeit für die Schaffung und Weiterentwicklung menschenrechtlicher Normen und Institutionen bietet die MRK eine Gelegenheit, zentrale Menschenrechtsthemen zu diskutieren. Zusammen mit dem Forum Menschenrechte veranstaltete das Institut am 20. und 21. Oktober 2003 eine Fachtagung zur MRK, die unter dem Titel „Menschenrechte in der Defensive?“ stand. Im Mittelpunkt stand eine Diskussion zur Krise der MRK – besonders Konflikte über die Beobachtung der Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern und regionale Blockbildung. Das Institut und das Forum Menschenrechte wollten mit Unterstützung von Fachleuten aus Genf Vorschläge für eine wirkungsvollere Arbeitsweise der Kommission diskutieren. Die Ergebnisse wurden in Form einer Publikation in Deutschland und an der 60. Sitzung der Menschenrechtskommission 2004 breit gestreut.

Mit der Broschüre „Die deutsche Menschenrechts- Berichterstattung gegenüber den Vereinten Nationen (während der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags)“ von Anja Mihr hat das Institut in das komplexe Berichtssystem an die Menschenrechts- Vertragsorgane der Vereinten Nationen eingeführt; parallel dazu stellt, ebenfalls von Mihr verfasst, „Die Berichterstattung zu Deutschland in Europäischen Menschenrechtsinstitutionen“ das etwas anders angelegte Berichtssystem im Rahmen des Europarats vor.

Über das Berichtssystem hinaus bieten aber einige Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen – teilweise im Rahmen von freiwilligen Zusatzprotokollen – weitere Durchsetzungsmechanismen, insbesondere die Möglichkeit von Individualbeschwerden. Mit einer internationalen Konferenz setzte das Institut im Jahr 2003 seine Arbeit zur Bekanntmachung der Durchsetzungsmechanismen der VN-Frauenrechtskonvention CEDAW fort. Im Rahmen der Konferenz „The Optional Protocol to CEDAW – Mitigating Violations of Women’s Human Rights“ im März 2003 in Berlin schulten internationale Expertinnen Teilnehmende aus NGOs und Frauenorganisationen aus zehn Staaten Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens in der Anwendung des Abkommens und dem Einsatz des Individualbeschwerde- und Untersuchungsverfahrens. Alle Teilnehmenden kamen aus Ländern, die das Zusatzprotokoll zu CEDAW bereits ratifiziert haben.

In Form eines Expertenseminars mit Fachleuten aus sieben europäischen Ländern und Vertretungen fünf europäischer Regierungen wurde auch das Projekt eines Zusatzprotokolls für den Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erörtert. Um die internationalen Diskussionen voranzubringen, erarbeitete das Seminar ein pointiertes Thesenpapier, das in die Vorbereitungen der 59. Sitzung der MRK einfloss. Um die bereits existierenden Beschwerdeverfahren bekannt zu machen, übersetzte das Institut eine entsprechende Handreichung des VNHochkommissariats für Menschenrechte; die deutsche Fassung trägt den Titel „Menschenrechtsschutz Vereinte Nationen. Individualbeschwerdeverfahren“.

Massive Menschenrechtsverletzungen – Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit, Völkermord – fallen unter Umständen in den Zuständigkeitsbereich des Internationalen Strafgerichtshofs, dessen Statuten im Jahre 2002 in Kraft getreten sind. Das Institut veranstaltete am 27. und 28. Juni 2003 gemeinsam mit der deutschen Sektion von amnesty international und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen eine öffentliche Konferenz zum Internationalen Strafgerichtshof, die auf breites Interesse stieß.

Auf Empfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe forderte der Bundestag im Januar 2003 die Bundesregierung auf, in den 7. Menschenrechtsbericht einen knapp gefassten Nationalen Aktionsplan in Form eines eigenständigen Kapitels zu integrieren. Auf Anregung des Auswärtigen Amts hat das Institut daraufhin eine Studie über den Anspruch und die Durchführung „nationaler Aktionspläne“ zu Menschenrechten erstellt. Die Grundlage dafür bilden sowohl einschlägige Vorgaben und Empfehlungen des VN-Hochkommissariats für Menschenrechte als auch die Erfahrungen einiger vergleichbarer Länder mit nationalen Aktionsplänen. Das Institut empfiehlt der Bundesregierung in der von Frauke Weber verfassten Studie „Ein Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte in Deutschland?“ die Erstellung eines kurzen, aber substantiellen Nationalen Aktionsplans zu ausgewählten Schwerpunkten. Die Empfehlungen wurden mit Vertretungen von Regierung, Parlament, der Zivilgesellschaft und Wissenschaft diskutiert. 2004 fand eine Vorstellung des Instituts hierzu im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe statt.


3 Schutz vor Diskriminierung

Das allgemeine Diskriminierungsverbot folgt aus der gebotenen Achtung der Menschenwürde, die jedem Menschen gleichermaßen zukommt, und steht deshalb im Zentrum menschenrechtlichen Denkens. Im Rahmen gesellschaftlicher Lernprozesse, die wesentlich durch die Selbstorganisationen Betroffener vorangetrieben worden sind, hat sich die Sensibilität für Diskriminierungen in den letzten Jahrzehnten erheblich erhöht. Das deutsche Vollzugsdefizit in der Umsetzung der EU-Anti- Diskriminierungsrichtlinien zeigt aber, dass es auf dem Weg zu einer konsequenten Anti-Diskriminierungspolitik noch erhebliche Hindernisse zu überwinden gilt. Das Institut tritt für eine umfassende Anti-Diskriminierungspolitik ein.

Im Juni 2003 stellte das Institut seine Studie „Rassismus und Diskriminierung – Internationale Verpflichtungen und nationale Herausforderungen für die Menschenrechtsarbeit in Deutschland“ von David Nii Addy vor. Die Studie bietet einen systematischen Überblick über die menschenrechtlichen Verpflichtungen und Empfehlungen zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierung auf internationaler und europäischer Ebene. Auf der Grundlage von Kommentaren internationaler Organe zur Situation in Deutschland sowie von best-practice- Beispielen aus anderen Staaten entwickelt der Autor Eckpfeiler für eine umfassende deutsche Anti-Diskriminierungspolitik. Die Ergebnisse der Studie dienen dem Institut als Leitlinien für Politikberatung, Forschung und Fortbildung. Dies gilt insbesondere für seine Rolle in den politischen Prozessen der Umsetzung der EUAnti- Diskriminierungsrichtlinien und der Erstellung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus in der Nachfolge der 3. Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban.

Im Rahmen des Prozesses der Erstellung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus speiste das Institut die Ergebnisse seiner Studie in verschiedene Gremien ein. Zudem leistete es Beiträge durch strategische Beratung sowie durch Informationen über die Gestaltung von Nationalen Aktionsplänen, wie etwa die konsultative Erarbeitung prioritärer Ziele und konkreter Maßnahmen, sowie die Etablierung eines fortlaufenden innerstaatlichen Monitoring der Umsetzung des Planes.

Zur deutschen Umsetzung der EU-Anti-Diskriminierungsrichtlinien beriet das Institut verschiedene Ministerien und den Deutschen Bundestag. Einen Schwerpunkt legte es dabei auf die Bedeutung von effektiven, unabhängig agierenden und für die Betroffenen zugänglichen Antidiskriminierungsstellen für die praktische Umsetzung und theoretische Begleitung von Anti-Diskriminierungsgesetzgebung. Daher lud das Institut im November 2003 Vertretungen von Regierung, Parlament, Zivilgesellschaft sowie der Sozialpartner zu einem „Fachgespräch über die Umsetzung der Anti- Diskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union: Ausgestaltung von Anti-Diskriminierungsstellen in Deutschland“ ein. Als Referenzen dienten dabei Beispiele aus anderen Staaten ebenso wie die Empfehlungen menschenrechtlicher Institutionen, etwa der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz.

Mit der konzeptionellen Frage der Verbindung des Diskriminierungsverbots mit dem Schutz von Minderheitenrechten beschäftigte sich die Konferenz „Consolidating Antiracism and Minority Rights: Critical Approaches“, die das Institut im Juni 2003 gemeinsam mit dem Menschenrechtsinstitut der Abo Akademi University und der University of Lapland in Berlin veranstaltete. Finnische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen trugen zur Diskussion über Konzepte von Gleichstellung und Gleichberechtigung, Rechte auf Differenz und besondere Behandlung, Integration und Partizipation bei. Die Ergebnisse werden in Form einer Buchpublikation „Rethinking Non-Discrimination and Minority Rights“ einem deutschen und internationalen Fachpublikum vorgestellt.


4 Menschenrechtliche Anforderungen an internationale Sicherheitspolitik

Der Kampf gegen Terrorismus, so notwendig er ist, so effektiv er geführt werden muss, führt zunehmend auch zu schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Die auch von demokratischen Regierungen überzogen praktizierte Geheimhaltung trägt wesentlich hierzu bei. Auch wenn sicherheitspolitische Erwägungen und menschenrechtliche Normen in Konflikt zueinander geraten können – wofür der aktuelle Kampf gegen den Terrorismus leider zahlreiche Beispiele bietet – ist es verhängnisvoll, von vornherein einen Gegensatz zwischen beiden zu unterstellen. Die Wahrung der Menschenrechte muss Teil einer aufgeklärten Sicherheitspolitik werden, die sich auf das Vertrauen und das bürgerschaftliche Engagement der Menschen stützt. Eine stärkere Beteiligung von Frauen muss ein wesentliches Element sein. Das Institut versucht, durch Publikationen, Fachgespräche, Medieninterviews, Menschenrechtsbildung und eigene Forschungsarbeit dazu beizutragen, dass sich das Bewusstsein für eine an den Menschenrechten orientierten Sicherheitspolitik weiter festigt.

Seit der Gründung des Instituts war das Thema internationale Sicherheitspolitik präsent, zuerst – 2002 – mit einem Fachgespräch zum Thema der menschenrechtlichen Erfordernisse bei der Bekämpfung des Terrorismus. Im Mittelpunkt standen vor allem das Selbstverteidigungsrecht der Staaten nach Art. 51 der VNSatzung und das Verhältnis zwischen internationalen Antiterrormaßnahmen und dem VN-Menschenrechtsschutz.

2003 wurde die Forschung zum Thema Sicherheitspolitik verstärkt. Als Ergebnis wurde im Juli 2003 die Studie „Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte“ veröffentlicht, die sich mit der Frage der Definition von Terrorismus, den Entwicklungen in Afghanistan und mit Strategien der Terrorismusbekämpfung in ausgewählten Ländern - USA, England und Israel - befasste. Die Empfehlungen konzentrieren sich darauf, ein besseres Monitoring der militärischen Aktivitäten sowie effektive, unparteiische Untersuchungen der Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts einzufordern. Staaten müssen ihrer Rechenschaftspflicht nachkommen, über ihre Aktivitäten im Ausland angemessen zu berichten. Die Studie fand großes Interesse und führte zu einer lebhaften Berichterstattung vor allem in den Print-, aber auch den elektronischen Medien. Aktualisierte Teile der Studien erschienen in zwei weiteren Veröffentlichungen und wurden auf einer wissenschaftlichen Tagung zu Menschen- und Bürgerrechten in Nürnberg vorgetragen.

Weiterhin wurde die Studie des International Council on Human Rights Policy, eine Genfer Nichtregierungsorganisation, „Menschenrechte nach dem 11. September“ in deutscher Sprache veröffentlicht, die sich besonders mit den Folgen für die Menschenrechtsbewegung befasst. Von der Menschenrechtsbewegung wird gefordert, neue Menschenrechtsthemen aufzugreifen: Dazu zählen die rechtliche Verantwortung von bewaffneten Gruppen und Vorschläge zur Schwächung des Völkerrechts, um die Terrorismusbekämpfung zu verschärfen.

Zur deutschen Debatte über die Zulässigkeit von Folter in Extremfällen, die im Rahmen der Ermittlungen gegen den Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner aufkamen, nahm das Institut mit seinem Policy Paper „Zur aktuellen Folterdebatte in Deutschland“ Stellung, das eine gute Medienresonanz hatte. Es setzte sich klar für ein absolutes Verbot der Folter ein und wandte sich gegen jede Aufweichung des Verbots. Im August 2003 führte das Institut überdies ein Fachgespräch durch, an dem NGOs, Ministerien und eine Polizeiorganisation beteiligt waren.

Am 1. Dezember 2003 veranstaltete das Institut seine erste Vortragsveranstaltung zum Thema „Menschenrechte und Internationale Sicherheitspolitik“. Vor rund hundert Gästen sprachen Prof. Dzidek Kedzia, Abteilungsleiter im VN-Hochkommissariat für Menschenrechte, und Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. Beide wiesen auf die erheblichen Probleme hin, die eine deutlich verschärfte Sicherheitspolitik für einen wirksamen Schutz der Menschenrechte mit sich gebracht hat. Sie regten eine stärkere Orientierung an einem Begriff menschlicher Sicherheit statt an nationaler oder staatlicher Sicherheit an, wie er innerhalb der VN seit Mitte der 90er Jahre diskutiert wird.


5 Normativer Universalismus und kulturelle Differenz

Der Universalismus der Menschenrechte hat seinen normativen Grund in der Würde des Menschen als eines auf Selbstverantwortung und gesellschaftliche Mitverantwortung angelegten Subjekts. Menschenrechte entfalten daher stets eine „kulturkritische“ Wirkung gegenüber autoritären Traditionen, zum Beispiel im Bereich des Geschlechterverhältnisses. Sie erlauben als Rechte gleicher solidarischer Freiheit eine – wenn auch nicht unbegrenzte – Vielfalt kultureller Weltdeutungen und Lebensformen. Der Universalismus der Menschenrechte wird nicht nur durch kulturrelativistische Gegenentwürfe – etwa im Namen „asiatischer Werte“ oder „islamischer Menschenrechtserklärungen“ - bedroht, sondern auch durch die vereinnahmende Gleichsetzung der Menschenrechte mit der „westlichen Kultur“ unterminiert.

Besondere Brisanz kommt – verstärkt seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 – der Frage nach dem Verhältnis von Menschenrechten und islamischer Tradition zu. Eine kritische Pointe gegen kulturrelativistische Dialoginszenierungen setzte die Islamwissenschaftlerin Anna Würth mit ihrer Studie „Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention? Zur Menschenrechtspolitik gegenüber islamisch geprägten Staaten“. Die Studie erschien im September 2003 und fand breite Resonanz. Die Publikation war Anlass für eine fachöffentliche Präsentation der Studie am 24. November 2003. Das Institut wirkte auch bei der Anhörung zum Thema Menschenrechte und islamisches Recht des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 30. September 2003 mit. Bei dieser Gelegenheit sowie in zahlreichen öffentlichen Vorträgen und in der Politikberatung setzte sich das Institut dafür ein, die innerislamische Menschenrechtsdebatte stärker zur Kenntnis zu nehmen und Dialogprojekte mit islamisch geprägten Ländern strikt an international verpflichtenden Menschenrechtsnormen zu orientieren. Mit der Teilnahme an den Runden Tischen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und der islamischen Republik Iran in Brüssel erhält das Institut konkreten Einblick in ein aktuelles Dialogprojekt; im Oktober 2003 in Brüssel war es mit einem Vortrag über die Presse- und Meinungsfreiheit präsent.


6 Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements für die Menschenrechte

Das internationale Menschenrechts-Schutzsystem ist entscheidend von Nichtregierungsorganisationen und Frauen und Männern vorangebracht worden, die sich unter oft hohen persönlichen Risiken für bedrohte Gruppen, für Frauenrechte, für Meinungsfreiheit oder wirtschaftliche und soziale Rechte einsetzen. Zivilgesellschaftliches Engagement trägt zum Menschenrechtsschutz einzelner bei, deckt Missbräuche oder Schwächen des staatlichen Menschenrechtsschutzes auf und entwickelt neue Konzepte. Ohne Druck aus der Zivilgesellschaft sind autoritäre Systeme nicht geneigt, ihrer Verantwortung für den Menschenrechtsschutz nachzukommen. Entsprechender Druck ist aber auch im Rahmen demokratischer Systeme wichtig. Auch das Institut stellt in seinen Recherchen immer wieder auf die Informationen von den zahlreichen, internationalen oder nationalen Menschenrechtsorganisationen über Ländersituationen ab und schließt in Politikberatungsprozessen an zivilgesellschaftliche Initiativen an. Exemplarisch wurde mit dem von Stefanie Schiffer erarbeiteten Buch „Russland auf dem Weg zum Rechtsstaat? Antworten aus der Zivilgesellschaft“ einer deutschen Öffentlichkeit die überaus lebendige russische Menschenrechtsszene vorgestellt. Buchpräsentationen auf der Frankfurter Buchmesse und in Berlin waren der Anlass für Diskussionen zur Lage der Frauen in Russland, zu gravierenden Missständen im russischen Militär oder den Schrecken des Tschetschenienkonflikts im Vorfeld der Präsidentenwahlen. Das Buch soll die Arbeit der russischen Organisationen im deutschsprachigen Raum bekannt machen und Anstöße zu längerfristiger Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Akteuren der Menschenrechtsarbeit geben.


7 Bibliothek und Dokumentation

Die wissenschaftliche Spezialbibliothek im Deutschen Institut für Menschenrechte enthält Standardwerke, Zeitschriften und neuere Forschungsliteratur zum internationalen und europäischen Menschenrechtsschutz und zur Lage der Menschenrechte im In- und Ausland. Einen Schwerpunkt der Sammlung bildet der Bereich Menschenrechtsbildung. Die im Aufbau befindliche Dokumentation enthält insbesondere menschenrechtliche Verträge und Vereinbarungen sowie Dokumente zur deutschen Berichterstattung gegenüber den Vereinten Nationen und die Berichterstattung zu Deutschland in europäischen Menschenrechtsschutzinstitutionen.

Im Jahr 2003 wurden 862 neue Publikationen erworben, der Gesamtbestand ist dadurch auf circa 2500 Bände gestiegen. Die Bibliothek hat 55 Zeitschriften abonniert, zum Teil in elektronischer Form, und hat Zugang zu allgemeinen und fachlichen Datenbanken im Internet.

Bücher, Zeitschriften, Aufsätze, elektronische Veröffentlichungen und die Publikationen des Instituts werden seit August 2003 in einer über das Internet zugänglichen Datenbank erfasst und mit Hilfe einer im Institut entwickelten dreisprachigen (deutschen, englischen und französischen) Systematik und Schlagwortliste inhaltlich erschlossen. Der gesamte Bestand ist auch in den deutschen Bibliotheksverbünden GBV (Gemeinsamer Bibliotheks-Verbund) und KOBV (Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin/Brandenburg) nachgewiesen. Darüber hinaus informieren regelmäßig erstellte Neuerwerbungslisten und Zeitschrifteninhaltsdienste über aktuelle Veröffentlichungen. In kommentierten Link-Sammlungen gibt es Hinweise auf elektronische Informationsquellen im Internet.

In der öffentlich zugänglichen Präsenzbibliothek stehen Arbeitsplätze, PCs und ein Fotokopierer zur Verfügung. Auskünfte werden auch telefonisch oder per E-Mail erteilt. Auf Anfrage werden Fachrecherchen im Internet durchgeführt.

Die Bibliothekarin hält Kontakt zum internationalen Netzwerk der Menschenrechtsdokumentationsstellen HURIDOCS (Human Rights Information and Documentation Systems, Genf) und hat im Mai 2003 in Wien erstmalig an dem jährlichen Treffen des European Coordination Committee on Human Rights Documentation teilgenommen. Sie ist außerdem Mitglied in deutschen bibliothekarischen Fachverbänden, unter anderem im Berufsverband Information und Bibliothek und in der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken.


8 Jahresrechnung 2003
(...)

9 Anhang

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte
  • Dr. Heiner Bielefeldt
    Direktor/Director
  • Frauke Seidensticker
    Stellvertretende Direktorin / Deputy Director
  • Dagmar Degen
    Institutssekretariat / Secretariat of the Institute
  • Petra Follmar
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin / Researcher (Law)
  • Dr. Wolfgang Heinz
    Wissenschaftlicher Berater / Researcher (Political Science)
  • Bettina Hildebrand
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Press and Public Relations/Press Officer
  • Dr. Claudia Lohrenscheit
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin /Researcher (Social Science)
  • Anne Sieberns
    Bibliothekarin / Librarian
  • Sylvia Thiel
    Assistentin der Direktion / Assistant to the Directors


Publikationen 2003 / Publications 2003
(available only in the language as given in the title)

Menschenrechte nach dem 11. September. (Übersetzung eines Berichts des International Council on Human Rights Policy, Versoix, Schweiz: ”Human Rights after September 11“, 2002). Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 91 S. ISBN 2-940259-31-3

Jahrbuch Menschenrechte 2004. Hrsg. vom Deutschen Institut für Menschenrechte und von Gabriele von Arnim, Volkmar Deile, Franz-Josef Hutter, Sabine Kurtenbach und Carsten Tessmer in Verbindung mit der deutschen Sektion von amnesty international, dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte (Wien) und dem Institut für Entwicklung und Frieden (Duisburg). Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003. 369 S. (suhrkamp taschenbuch 3547) ISBN 3-518-45547-8

Russland auf dem Weg zum Rechtsstaat? Antworten aus der Zivilgesellschaft. Aus dem Russ. von Andrea Gotzes. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 239 S. ISBN 3-9808112-7-1. Russische Fassung: Center for Democracy and Human Rights/Deutsches Institut für Menschenrechte 2004. 399 S. ISBN 5-94282-240-9

Anna Würth: Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention? Zur Menschenrechtspolitik gegenüber islamisch geprägten Staaten. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 71 S. ISBN 3-9808112-6-3

Anja Mihr: Die deutsche Menschenrechts-Berichterstattung gegenüber den Vereinten Nationen (während der 14. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags). Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 31 S. ISBN 3-9808112–4-7

Anja Mihr: Die Berichterstattung zu Deutschland in Europäischen Menschenrechtsinstitutionen. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 22 S. ISBN 3-9808112–5-5

Jahresbericht (Annual Report) 2002. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 23 S.

David Nii Addy: Diskriminierung und Rassismus. Internationale Verpflichtungen und nationale Herausforderungen für die Menschenrechtsarbeit in Deutschland. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 75 S. ISBN 3-9808112-1-2

Wolfgang S. Heinz, Stephanie Schlitt, Anna Würth: Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte (Oktober 2001 – April 2003). Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 67 S. ISBN 3-9808112-3-9

Menschenrechtsschutz Vereinte Nationen. Individualbeschwerdeverfahren. (Übersetzung einer Publikation des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Genf: ”Human Rights Fact Sheet No.7: Complaint procedures“, 2002). Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 39 S. ISBN 3-9808112-2-0

Petra Follmar, Wolfgang S. Heinz, Benjamin Schulz: Zur aktuellen Folterdebatte in Deutschland. Ein Beiträg des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 11 S. (Policy Paper 1)


In Form von pdf-files auf Website www.institut-fuer-menschenrechte.de erschienen / Available only on the website www.institut-fuer-menschenrechte.de:

Frauke Weber: Ein Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte in Deutschland? Erfahrungen mit bereits existierenden Menschenrechtsplänen und Empfehlungen für die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte in Deutschland. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 44 S.

Claudia Lohrenscheit, Nils Rosemann: Perspektiven entwickeln - Menschenrechtsbildung in Deutschland. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Bestandsaufnahme und Positionsbestimmung des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Februar 2003). 17 S.

Report on the International Seminar: The proposal for an Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, Berlin 30./31. January 2003. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 20 S.

The optional protocol to CEDAW: International Training Seminar for NGOs and women’s rights activists. Seminar Documentation, Berlin, 13-15 March 2003. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 28 S.

Menschenrechtsinstrumente: Für Frauen nutzen. Konferenzdokumentation, Abgeordnetenhaus Berlin, 13. Dezember 2002. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte, 2003. 36 S.


Mitglieder des Kuratoriums – Stand 31. Dezember 2003
(...)

Leitbild des Deutschen Instituts für Menschenrechte e.V.
(...)

Quelle: Website des Deutschen Instituts für Menschenrechte


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