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Unser kleines Guantánamo

US-Camp Bondsteel im Kosovo: Das Gefängnis untersteht der sogenannten Schutztruppe KFOR, die zeitweise von deutschen Generälen befehligt wurde

Von Jürgen Elsässer

Wurden Terrorverdächtige von US-Geheimdiensten mit Hilfe der NATO-Verbündeten in illegale Verhörzentren verschleppt und mißhandelt? Die Tabuisierung dieser Frage ist in den letzten Tagen schwieriger geworden. Am 10. Januar hat der Europarat die NATO-geführte Kosovo-Truppe (KFOR) aufgefordert, Mitgliedern des Antifolterkomitees unverzüglich Zugang zu «allen ihren Gefangeneneinrichtungen» im Kosovo zu ermöglichen. Das Komitee habe das Recht, in den Europaratsländern überall Gefängnisse zu inspizieren, erklärte am Dienstag der Generalsekretär des Staatenbundes, Terry Davis. Ein ranghoher Vertreter der Militärallianz erwiderte am Donnerstag, die NATO habe nichts zu verbergen und werde mit dem Europarat zusammenarbeiten.

Die KFOR unterhält nach eigenen Angaben ein Gefängnis auf dem US-Stützpunkt Camp Bondsteel. Ein Gelände von 90 auf 120 Meter mit mehreren Baracken ist mit Stacheldraht umzäunt und von einem Wachturm gesichert. Die Einrichtung wird laut US-Army von US-Militärpolizisten betrieben, die für die Leitung eines Gefängnisses »voll ausgebildet« sind.

»Rechtlose Zustände«

Die Debatte um Bondsteeel wurde Anfang Dezember 2005 im Zusammenhang mit der CIA-Folteraffäre vom Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, Alvaro Gil Robles, angestoßen. Er berichtete über eine Inspektion des Stützpunktes im September 2002: »Und dort sah ich tatsächlich Gefangene in einer Situation, die der, die man von Fotos aus Guantánamo kannte, absolut ähnlich war.« Zur Zeit seines Besuches gab es 15 Internierte. »Die meisten waren Kosovo-Albaner oder Serben, vier oder fünf waren Nordafrikaner. Einige trugen Bärte und lasen den Koran.« Diese Menschen seien »außerhalb normaler rechtlicher Verfahren« eingesperrt worden. »Es gab keine Berufungsinstanz. Es gab noch nicht einmal genaue Vorschriften darüber, wie lange die Menschen in Haft gehalten werden durften.« Auch Amnesty International hatte bereits im Jahr 2002 drei Fälle dokumentiert, in denen Terrorverdächtige in Bondsteel »durch Isolationshaft und Schlafentzug mißhandelt« worden sind.

Nach seinem Besuch im Jahre 2002 und einem entsprechenden Beschwerdebericht seien diese Zustände abgeschafft worden, betonte Robles, ohne weitere Angaben zu machen. Im Unterschied dazu ging der UN-Ombudsmann im Kosovo, Marek Nowicki, noch im Dezember 2005 von einer Fortdauer »rechtloser« Zustände aus. Ganz sicher sei das Gefängnis »bis März 2004 in Betrieb gewesen, möglicherweise aber bis heute«. Offiziell existiere es zwar nicht mehr, aber da dies nicht von unabhängiger Seite überprüft werden könne, bleibe ein Verdacht bestehen, sagte Nowicki. »In Wahrheit haben wir keine Ahnung, was dort vor sich geht.«

Ähnlich äußerte sich Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International im Dezember 2005. »Wir haben uns an die NATO gewandt und gefordert, daß UN-Inspektoren zugelassen werden. Die NATO hat dies verweigert.« Die US-Army wies demgegenüber darauf hin, daß das Gefängnis in Bondsteel »regelmäßig« vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) kontrolliert werde. Im übrigen werde dort »zur Zeit« niemand festgehalten. In derselben Agenturmeldung vom 9. Dezember 2005 wird allerdings IKRK-Sprecher Florian Westphal mit dem Wunsch zitiert, seine Organisation hätte »gerne Informationen über diese Personen und Zugang zu ihnen« – Personen, die es für die US-Army gar nicht gibt.

Neben unrechtmäßigen Inhaftierungen sind in Bondsteel aber auch unrechtmäßige Haftvereitelungen vorgekommen. So wurde der UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj im September 2000 nach einer Schießerei mit rivalisierenden Albanerführern vor dem Zugriff der UN-Polizei nach Bondsteel ausgeflogen. Ramush, für den Londoner Observer »der wichtigste Militär- und Geheimdienstmann der Amerikaner« im Kosovo, entging so einem Gerichtsverfahren und konnte mit US-Protektion im Dezember 2004 sogar vorübergehend Kosovo-Premier werden.

Die deutsche Verantwortung

Die Darstellung der US-Armee, das Bondsteel-Gefängnis unterstünde der KFOR und nicht dem Pentagon oder der CIA, wird von keiner Seite bestritten. So wurde auch Robles bei seiner Inspektion im Jahre 2002 vom damaligen KFOR-Oberbefehlshaber, dem Franzosen Marcel Valentin, begleitet. Aber auch die Bundeswehr stellte in zwei längeren Perioden das Oberkommando für die internationale Truppe: Vom Oktober 1999 bis zum April 2000 in Person von General Klaus Reinhard, von Oktober 2003 bis August 2004 in Person von General Holger Kammerhoff. Ein Untersuchungsausschuß des Bundestages müßte beide vorladen und sie zu ihrem Wissen über bzw. ihre Verantwortung für die genannten Zustände befragen.

* Aus: junge Welt, 14. Januar 2006

Auf der Suche nach den CIA-Geheimknästen in Europa

Am präzisesten sind die Verdachtsmomente für Folterungen auf den Stützpunkten Szymany in Polen und Mihail Kogalniceanu in Rumänien

Von Knut Mellenthin


Seit die Washington Post am 2. November vergangenen Jahres über die Existenz mehrerer geheimer Haft- und Folteranstalten der CIA im Ausland berichtete, hält das Rätselraten an, wo sich diese befinden oder befunden haben könnten. Das Blatt hatte auf Bitten hochrangiger US-Regierungsbeamter verschwiegen, um welche Länder es sich handelt. In Verdacht gerieten aufgrund von Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zunächst vor allem Rumänien und Polen. In der vorigen Woche behauptete HRW, ihr lägen aus »sehr zuverlässiger Quelle« Informationen über ein drittes Land vor, das man aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen wolle. Die Schweizer Tageszeitung SonntagsBlick berichtete vor einigen Tagen, gestützt auf eine geheimdienstliche Quelle, das sich auch im Kosovo, in Bulgarien, Mazedonien und in der Ukraine solche Einrichtungen der USA befinden sollen.

Rumänien: Außenministerin Condoleezza Rice hat während ihrer Europareise im vergangenen Dezember ein Abkommen über die dauerhafte Nutzung des rumänischen Luftwaffenstützpunkts Mihail Kogalniceanu durch die US-Streitkräfte unterzeichnet. Rund 1 500 amerikanische Militärangehörige sollen künftig dort stationiert werden.

Die USA benutzen die in der Nähe des Schwarzmeerhafens Constanta gelegenen Basis schon seit einigen Jahren für den militärischen Nachschub nach Afghanistan und Irak. In dieser Zeit hat das Pentagon viele Millionen Dollar in den Ausbau der Infrastruktur und in Sicherungsmaßnahmen investiert. Daraus ergibt sich, ebenso wie aus der logistischen Funktion des Stützpunkts, eine sehr rege amerikanische Flugtätigkeit, über die die rumänische Regierung keine Kontrolle hat. Der rumänische Senat, die obere Kammer des Parlaments, hat jetzt einen Untersuchungsausschuß eingesetzt, der bis Mitte Februar einen umfassenden Bericht vorlegen soll.

Polen: Der abgelegene kleine Militärflugplatz Szymany in Nordostpolen steht weiter im Mittelpunkt der Spekulationen über geheime Haftanstalten und Gefangenentransporte der USA in Europa. In der Nähe soll sich ein Übungsgelände oder nach einigen Meldungen sogar das Hauptquartier des polnischen Geheimdienstes befinden. Szymany ist weitgehend stillgelegt und wird nur noch selten angeflogen. Human Rights Watch behauptet anhand von Logbuch-Kopien, daß am 22. September 2003 eine aus Kabul kommende Chartermaschine der CIA in Szymany gelandet sei. Die Boeing sei anschließend zum rumänischen Stützpunkt Kogalniceanu weitergeflogen. Polnische Stellen haben diesen Flug bestätigt. Eine von der Warschauer Regierung angeordnete Untersuchung über die Vorgänge auf dem Flugplatz wurde inzwischen abgeschlossen. Das Ergebnis wird geheimgehalten.

Bulgarien: Die US-Regierung erkaufte sich im Herbst 2001 das Recht, den bulgarischen Militärflughafen Sarafowo als Nachschubstützpunkt für den Afghanistan-Krieg zu benutzen. Der Flughafen liegt nur wenige Kilometer vom Schwarzmeerhafen Burgas entfernt, für den die USA sich ebenfalls militärische Nutzungsrechte gesichert haben. Auch für die Logistik der Kriegführung im Irak wird Sarafowo von den Amerikanern benutzt. Mehrere hundert Mann Bodenpersonal sind dort permanent stationiert. Es ist davon auszugehen, daß der Stützpunkt von den USA sehr häufig angeflogen wird, ohne daß die bulgarische Regierung die geringsten Kontrollmöglichkeiten hat – und wohl auch gar nicht haben will.

Ukraine und Mazedonien: Über die Nutzung ukrainischer Militäranlagen ist bisher nichts bekannt. Auf dem mazedonischen Stützpunkt Petrovic bei Skopje sollen sich Angestellte von Pentagon-Vertragsfirmen aufhalten.

Griechenland: Der konservative griechische Abgeordnete Giorgos Karatzaferis hat Ende Dezember den Vorwurf erhoben, es gebe eine geheime Haftanstalt der CIA auf der Militärbasis Souda im Nordwesten der Insel Kreta. Mindestens 24 Gefangene seien dorthin zu Verhören gebracht worden.

Aus: junge Welt, 14. Januar 2006



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