Rechtsrealität versus Realpolitik
Die Strafanzeige in Deutschland gegen Donald Rumsfeld wegen der Folterungen in Abu Ghraib
Von Andreas Fischer-Lescano*
"Die Kleinen henkt man, die Großen lässt
man laufen." - Gustav Radbruch hatte dieses
Phänomen einst als "Klassenjustiz" bezeichnet,
und die Mechanismen sind, heute
wie damals, stets die gleichen. Während
die großen Verbrechen der großen Namen
unbehelligt bleiben, trifft es in der Regel die
kleinen Namen. Lynndie England zum Beispiel.
Die kleine US-Amerikanerin mit dem
englischen Namen ist zum Symbol schwerer
Menschenrechtsverletzungen im globalen
Kampf gegen den Terror geworden. England,
die auf vielen der öffentlich gewordenen Fotos
über die entwürdigende Behandlung
von Internierten im irakischen Gefängnis
Abu Ghraib zu sehen war, ist nur das unterste
Glied in der Befehlskette des militärischpolizeilichen
Apparats der USA. Wenn sich
bewahrheitet, dass Englands Verhalten nur
die öffentlich gewordene Spitze eines Eisberges
von systematisch durchgeführten
Folterungen in Guantánamo und Abu
Ghraib darstellt, dann wäre das Projekt des
demokratischen Regimewechsels in so genannten
Schurkenstaaten belastet durch
eine Strukturanalogie von Herrschaftstechniken
der Demokratien und Terroristen,
denen gemeinsam wäre, dass sie ihre jeweiligen
Universalisierungsansprüche ohne
Rücksicht auf die Menschenwürde der Betroffenen
durchzusetzen bereit sind.[1]
Bislang ist es nicht so, dass die Foltervorwürfe
zu gerichtlichen Verfahren gegen die
Hintermänner Lynndie Englands geführt
hätten. Wegen der Folterungen wurden lediglich
einige US-Soldaten am unteren
Ende der Befehlshierarchie angeklagt und
verurteilt. Die großen Namen blieben bis
dato rechtlich unbehelligt.
Die Strafanzeige, die der deutsche Rechtsanwalt
Wolfgang Kaleck im Namen von vier
irakischen Staatsangehörigen und der amerikanischen
NGO "Center for Constitutional
Rights" (CCR) beim Generalbundesanwalt
Kay Nehm in Karlsruhe wegen der
Vorfälle in Abu Ghraib erstattet hat, will das
nun ändern. Nicht nur dem US-Verteidigungsminister
Donald Rumsfeld, sondern
auch neun weiteren hohen US-Funktionären
wird hierin die Beteiligung an und Mitverantwortung
für das Foltern im irakischen
Gefängnis Abu Ghraib vorgeworfen. [2] Die
Strafanzeige ist eine rechtlich ernstzunehmende
Initiative, der sich mittlerweile auch
der Republikanische Anwältinnen- und
Anwälteverein, die Internationale Liga für
Menschenrechte und die NGO "Lawyers
against the War" angeschlossen haben. Sie
zeigt, dass realpolitische Weltbeschreibungen,
die mit den monolithischen Erklärungsblöcken
"Europa" und "Amerika" arbeiten,
obsolet sind. Sie zeigt aber auch, dass die
Mächtigen dieser Welt es immer schwerer
haben, sich dem Rechtsdiskurs zu entziehen:
Eine amerikanische, von Rechtsanwälten
getragene NGO erstattet mit Unterstützung
eines Netzwerkes deutscher Rechtsanwälte
Anzeige in der Bundesrepublik, beruft sich
dabei auf universelle, von den USA, dem
Irak und der Bundesrepublik auch völkervertraglich
anerkannte Rechtsnormen, die
amerikanische Staatsangehörige zum Nachteil
irakischer Staatsangehöriger verletzt
haben sollen. - Hier geht es nicht um pax
americana versus pax europea, sondern um
fundamentale Differenzen zweier globaler
Diskurssysteme, reales Weltrecht gegen Realpolitik.
Zwischen ihnen steht nichts Geringeres
zur Diskussion als die Frage, ob sich
der verfassungsrechtliche Grundgedanke einer
rechtlichen Konstituierung und Limitierung
von Macht wird behaupten können,
oder ob das Recht von den totalisierenden
Ansprüchen des weltpolitischen Systems
auf Perpetuierung eines globalen Ausnahmezustands
zurückgedrängt wird.
CCR gegen Bush, Rumsfeld
und andere
Im Streit um unterschiedliche Lesarten des
Rechts suchen politische Akteure einerseits
und gesellschaftliche Akteure andererseits
nach Foren und Verfahren, in denen sie eine
Bestätigung ihrer jeweiligen Rechtserwartungen
anstreben. Wie wenig dieser
Grundkonflikt ein Spezifikum des Weltrechts
ist, wie er vielmehr auch die nationalstaatlichen
Systeme durchzieht, wird
deutlich, wenn man den Hintergrund der
Strafanzeige betrachtet. So hat sich das CCR
bereits vor der Anzeige in der Bundesrepublik
dadurch einen Namen gemacht, dass
es den Fall Rasul gegen Bush [3] vor den US
Supreme Court gebracht hat. Schon im Februar
2002 hatte die NGO so genannte
Habeas Corpus-Anträge eingereicht mit
dem Ziel, dass den auf der US-Militärbasis
in Guantánamo Inhaftierten das Recht auf
den gesetzlichen Richter und die in den
Genfer Konventionen und allgemeinen
Menschenrechtsabkommen verbrieften
Rechte nicht länger vorenthalten bliebe.
Nach den ablehnenden Entscheidungen der
Untergerichte entschied der US Supreme
Court am 28. Juni 2004, dass die Inhaftierten
Zugang zu den US-amerikanischen Gerichten
haben. Im zugleich mit dem Rasul
gegen Bush-Fall entschiedenen Fall Hamdi
gegen Rumsfeld machte Richterin Sandra
Day O'Connor deutlich, worin die Herausforderung
der Fälle besteht: "Wir haben seit
langem klargestellt, dass der Kriegszustand
kein Blankoscheck für den Präsidenten ist,
soweit individuelle Rechte betroffen sind
[…] Welche Kompetenzen die Verfassung
der USA auch immer der Exekutive in ihrem
Verhältnis zu anderen Staaten und internationalen
Organisationen im Konfliktfall
zugestehen mag, so betont die Verfassung
doch nachdrücklich, dass dann, wenn individuelle
Freiheiten in Frage stehen, allen
drei Staatsgewalten eine eigene Rolle zukommt." [4]
Nach den juristischen Erfolgen vor den
US-amerikanischen Gerichten hat die NGO
sich nunmehr entschlossen, auch die deutschen
Gerichte einzuschalten. Anders als in
den US-amerikanischen Fällen geht es dabei
in Deutschland nicht in erster Linie um
die Vorwürfe hinsichtlich der Haftbedingungen
auf Guantánamo, sondern vornehmlich
um die Geschehnisse im irakischen
Gefängnis Abu Ghraib, in dem die
Besatzungsmächte zeitweise bis zu 4.000
Menschen gefangen hielten. Die Vorwürfe
zu systematischer Folter, grausamer und unmenschlicher
Behandlung in US-Gefangenenlagern
wurden bereits von einer ganzen
Reihe von Institutionen untersucht. Der
auf Veranlassung des befehlshabenden Generals
Ricardo Sanchez erstellte Bericht des
US-amerikanischen Generalmajors Antonio
Taguba ist hier zu nennen, wie auch der regierungsamtliche
Untersuchungsbericht
der Militärs Fay und Jones vom 9. August
2004, der so genannte Schlesinger-Report
und ein Bericht des Internationalen Roten
Kreuzes, der - trotz Geheimhaltungsgebots
- öffentlich geworden ist, und der Bericht
des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen
für Menschenrechte. Ferner haben
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty
International und Human Rights Watch
eigene Situationseinschätzungen vorgelegt.[5]
Sie alle untersuchen die Hintergründe
der erschütternden Bilder, die im April
2004 von den brutalen und entwürdigenden
Misshandlungen von Inhaftierten im
irakischen Gefängnis Abu Ghraib durch
ihre US-amerikanischen Bewacher und Vernehmer
an die Weltöffentlichkeit gelangten.
Dass diese Vernehmungs- und Einschüchterungstechniken
fundamentalen Rechtsnormen
der Weltgesellschaft widersprechen,
muss wohl kaum ernsthaft diskutiert werden.
Fraglich ist aber, ob die von den USMilitärs
als Missbrauch bezeichneten Taten
tatsächlich - wie die Anzeigeerstatter meinen
- als Folter und andere schwere Verletzungen
des Kriegsvölkerrechts einzustufen
sind, und ob die angewandten Praktiken
mehr als das Werk einer Hand voll sadistischer
Einzeltäter waren. Die Strafanzeige
geht jedenfalls dahin, dass die skandalisierten
Praktiken unter US-Militärs weit
verbreitet und ständig sowohl in Afghanistan
als auch in Guantánamo und Irak sowie
in bekannten und unbekannten Haftzentren
in anderen Ländern angewandt
worden seien. Höchste Funktionäre der USamerikanischen
Regierung hätten diese
Handlungen nicht nur entweder direkt oder
indirekt angeordnet, sondern durch unkorrekte
und falsche rechtliche Auskünfte, die
zivile und militärische Juristen im Dienste
der Regierung gegeben hätten, mitverursacht.
Zuständigkeit der deutschen
Justiz
Das sind die Vorwürfe, die nunmehr die
deutsche Generalbundesanwaltschaft beschäftigen.
Warum aber, mag man sich fragen,
sollen die Umstände dieser Delikte, die
offensichtlich nicht von Deutschen, auch
nicht an Deutschen, nicht auf deutschem
Territorium und auch nicht von deutschem
Territorium aus begangen worden sein sollen,
gerade in der Bundesrepublik geklärt
werden? Weil, so kann man zunächst einmal
mit Immanuel Kant antworten, "die
Rechtsverletzung an einem Platz der Erde
an allen gefühlt wird".[6] Weil das, so ist hinzuzufügen,
was die Militärs und Nachrichtendienstler
im Zuge von militärischen
Zwangsdemokratisierungseinsätzen zunichte
machen, wenn sie auf die Technik des
Folterns zurückgreifen, der demokratisch
rechtstaatliche Kerngedanke schlechthin ist:
der rechtliche Schutz von Individuen vor
entwürdigender Behandlung.
Juristisch ist hierbei entscheidend, dass in
der Bundesrepublik seit dem 30. Juni 2002
das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) gilt.
Dieses Gesetz inkorporiert die einschlägigen
und völkergewohnheitsrechtlich geltenden
Regeln des Völkerstrafrechts, der strafrechtlichen
Jurisdiktion und der Bestrafungspflichten
bei schwerwiegenden Verstößen
gegen das Kriegsvölkerrecht und statuiert
in seinem § 1 das sog. Weltrechtsprinzip,
d.h. den Grundsatz der deutschen Universalzuständigkeit
bei den im VStGB aufgeführten
Delikten. So führte die damalige
Bundesministerin der Justiz Däubler-
Gmelin anlässlich der Verabschiedung des
VStGB in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. April 2002 aus: "Wir alle
wissen auch, dass die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen
vor den deutschen
Gerichten wichtig bleibt. Der Komplementaritäts-
Grundsatz des Römischen Statuts
setzt ja fest, dass die Gerichtsbarkeit des
Internationalen Strafgerichtshofes nur
greift, wenn Staaten nicht willens oder in
der Lage sind, eines der vom Statut erfassten
Kernverbrechen strafrechtlich zu verfolgen.
Das heißt, die Vertragsstaaten behalten ihre
Verantwortung für die internationale Strafgerichtsbarkeit,
soweit sie das können. Wir
als Rechtsstaat können und wollen das. Mit
unserem Völkerstrafgesetzbuch schaffen wir
eine verbesserte Rechtsgrundlage für die
Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen [...]
Ein Wort noch zum Weltrechtsprinzip.
Auch Täter, die weder selbst Deutsche sind,
noch ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit
in Deutschland oder an Deutschen
begehen, können hier zur Verantwortung
gezogen werden. Das ist vernünftig, einfach
um die globale Bedeutung der Ächtung und
Verfolgung solcher schwerster Straftaten zu
unterstreichen."[7]
Die Anzeigeerstatter im Fall Abu Ghraibs
berufen sich darum zu recht darauf, dass
die deutsche Jurisdiktion für Fälle, die unter
das VStGB fallen, weltweit eröffnet ist.
Anknüpfungspunkt für die deutsche Zuständigkeit
ist allein der Unrechtsgehalt der
Taten. Ein darüber hinausgehender spezifischer
Bezug zur Bundesrepublik, wie die
Staatsangehörigkeit der Opfer oder Täter,
das Territorium der Tat oder die Anwesenheit
des Beschuldigten in Deutschland, ist
nicht erforderlich. Allerdings, und darauf
ist zurückzukommen, ist der Staatsanwaltschaft
ein Ermessen für die Entscheidung
zur Aufnahme von Ermittlungen eingeräumt.
Folter als Kriegsverbrechen
Die Anschuldigungen, die gegen die USMilitärs
in der Strafanzeige erhoben werden,
beziehen sich im Kern darauf, dass in der
Haftanstalt Abu Ghraib systematische Folterungen
stattgefunden haben und dass nach
dem humanitären Völkerrecht zu schützende
Personen grausam und unmenschlich
behandelt wurden. Die einschlägigen Straftatbestände
sind in § 8 Abs. 1 VStGB in das
deutsche Recht inkorporiert. Sie sind mit
mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe zu
ahnden. Während nun im (allgemeinen)
deutschen Strafgesetzbuch ein eigener Straftatbestand
für "Folter" nicht existiert, man
sich also immer mit verwandten Tatbeständen
wie zum Beispiel Nötigung behelfen
muss (ohne jedoch den spezifischen Unrechtsgehalt
des Folterns rechtlich artikulieren
zu können),[8] formuliert das besondere
Strafrecht für den Bereich völkerrechtlicher
Straftaten den Foltertatbestand ausdrücklich.
Dessen international akzeptierte Definition
ist in Art. 1 der Anti-Folterkonvention von
1984 enthalten. Im Lichte dieser Norm ist
Art. 130 des Genfer Abkommens über die
Behandlung der Kriegsgefangenen (sowohl
die Bundesrepublik als auch die USA haben
dieses Abkommen ratifiziert) zu lesen,
der Folter als "schwere Verletzung" der Genfer
Konventionen klassifiziert. Daraus resultiert
die in Art. 129 Abs. 2 dieses Abkommens
festgesetzte Pflicht zur Ermittlung der
Personen, die der Begehung oder der Erteilung
eines Befehls zur Begehung der einen
oder andern dieser schweren Verletzungen
beschuldigt sind. Die Vertragsparteien haben
diese ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit
vor ihre eigenen Gerichte zu
ziehen. Sowohl das Jugoslawien- als auch
das Ruandatribunal haben hierbei zur Konkretisierung
der Verhaltenspflichten des
humanitären Völkerrechts auf die Folterdefinition
des Art. 1 der Anti-Folterkonvention
Bezug genommen.[9] Danach ist "Folter"als
Delikt dann gegeben, wenn einer Person
"körperliche oder seelische Schmerzen oder
Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um
von ihr oder einem Dritten eine Aussage
oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für
eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr
oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen
oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern
oder zu nötigen, oder aus einem
anderen, auf irgendeiner Art von
Diskriminierung beruhenden Grund, wenn
diese Schmerzen oder Leiden von einem
Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder
einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden
Person, auf deren Veranlassung
oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem
Einverständnis verursacht
werden."
Die Anzeigeerstatter machen geltend, die
vier irakischen Internierten seien geschlagen
und sexuell missbraucht worden, man
habe sie Schlaf- und Essensentzug und
durch Kapuzen einer Sinnesdeprivation
unterworfen, all dies um sie einzuschüchtern
und nachrichtendienstlich relevante
Informationen zu erlangen. Zudem seien
die Gefangenen extremen Temperaturen
und lauter Musik ausgesetzt sowie gezwungen
worden, in unbequemen Positionen zu
verharren. Man habe Hunde auf sie gehetzt
und Scheintötungen durchgeführt. Schwerwiegend
ist auch der Vorwurf, dass das medizinische
Personal bei den Misshandlungen
aktiv mitgewirkt habe. So seien von den Verhörenden
medizinische Befunde verwendet
worden, um die Gefangenen besser unter
Druck setzen zu können. Die Zahl der Gefangenen,
die vor allem wegen der langen
Isolierhaft psychische Probleme hätten, sei
groß. Ähnliche Vorgänge in der Haftanstalt
in Guantánamo hat selbst das sonst so zurückhaltende
Internationale Komitee vom
Roten Kreuz in einem der New York Times
zugespielten Bericht als "Folter" bezeichnet,
der dem Pentagon, dem Weißen Haus und
anderen US-Behörden im Juli 2004 überreicht
worden war. Das Komitee kritisierte
dabei, dass die Methoden "zunehmend verbessert
und repressiver" eingesetzt würden.
Man habe in Guantánamo ein System vorgefunden,
das darauf ausgerichtet sei, den
Willen der Gefangenen zu brechen und sie
von den Verhörpersonen durch Strafen -
"demütigende Handlungen, Isolierhaft, extreme
Temperaturen, Einnahme schmerzhafter
Körperpositionen" - psychisch abhängig
zu machen. Man könne ein solches
System, "das den ausdrücklichen Zweck hat,
Informationen zu erhalten, nicht anders als
ein absichtlich eingerichtetes System grausamer,
ungewöhnlicher und herabwürdigender
Behandlung und als eine Form der
Folter bezeichnen". [10]
Verantwortung von
Vorgesetzten
Schwieriger wird es, eine Verantwortung in
der nach oben offenen Befehlskette nachzuweisen.
Die Strafanzeige richtet sich nicht
gegen die Soldaten am unteren Ende der
Militärhierarchie, gegen die es vereinzelt
bereits vor US-Gerichten Prozesse gegeben
hat, sondern gegen Beschuldigte, die als
politische Entscheidungsträger und Vorgesetze
der in Abu Ghraib stationierten Soldaten
für die allgemeine Befehlslage verantwortlich
sein sollen, die das Foltern erst
ermöglicht habe. Die Anzeigeerstatter beschuldigen diese Verantwortlichen nun nicht,
dass sie alle höchstpersönlich Folterhand
angelegt hätten, sondern machen sie dafür
verantwortlich, dass die Verbreitung der
Folterpraktiken nicht nur entweder direkt
oder indirekt von diesen US-Funktionären
angeordnet, sondern durch unkorrekte und
falsche rechtliche Auskünfte von zivilen und
militärischen Juristen im Dienste der Regierung
mitverursacht worden sei. Konkret
stützt sich die Strafanzeige auf eine Vielzahl
von Dokumenten, die eine direkte Verantwortlichkeit
der militärischen Führung für
die Folterpraxis in Abu Ghraib beweisen
sollen. "Teilweise haben wir direkte Anweisungen,
in Abu Ghraib Methoden einzusetzen,
die nach der Genfer Konvention verboten
sind", sagte Kaleck auf einer Pressekonferenz
am 1. Dezember 2004. Der Einsatz von sexuellen
Demütigungen sei zwar nur auf der
Gefangeneninsel Guantánamo ausdrücklich
freigegeben worden, habe aber auch die Praxis
in Abu Ghraib bestimmt. Die Strafanzeige
verweist auf eine ganze Reihe von
Memoranden und Direktiven, in denen die
Verantwortlichen die Genfer Konventionen
zum Teil für nicht anwendbar erklärt haben,
oder aber in einem solchen Maße fehlinterpretierten,
dass sie zum Beispiel den
Foltertatbestand erst dann gegeben sahen,
wenn die in den Verhören zugefügten
Schmerzen bis zum Tod, zum Organversagen
oder zur dauerhaften Schädigung einer
wichtigen Körperfunktion führen.
Das deutsche VStGB setzt nun neben der
generellen Garantenpflicht (§ 4 VStGB)
auch Aufklärungs- und Kontrollpflichten
(§§ 13 und 14 VStGB) für Vorgesetzte fest.
Diese müssen alles unternehmen, um
Gewaltexzesse ihrer Untergebenen zu verhindern.
Der Begriff des 'Vorgesetzten' ist
nicht strikt an die militärischen Hierarchien
gebunden, sondern verlangt eine Berücksichtigung
der konkreten Weisungs- und
Befehlsverhältnisse im Einzelfall. 'Vorgesetzte'
können darum auch Zivilpersonen
sein, da es letztlich nur auf die tatsächliche
Führungs- und Kontrollmöglichkeit ankommt.
Das Führungspersonal hat effektive
Maßnahmen zur Verhinderung von Kriegsverbrechen
der Untergebenen zu ergreifen
(so aus § 4 VStGB) - eine Pflicht, die in den
§§ 13 und 14 VStGB durch Aufsichts-,
Untersuchungs- und Anzeigepflichten ergänzt
wird. Die Strafanzeige listet auf insgesamt
etwa 50 Seiten detailliert auf, dass
die Verantwortlichen im Fall Abu Ghraib
nicht nur massiv gegen ihre Aufsichts- und
Kontrollpflichten verstoßen haben sollen
(was allein bereits die Strafbarkeit begründen
würde). Sie beschuldigt die US-Funktionäre
unter Bezugnahme auf die zahlreichen
Memoranden und Gutachten vielmehr
auch, dass sie aktiv daran mitgewirkt
hätten, die Form der Verhörtechniken in
Guantánamo und Abu Ghraib so zu intensivieren,
dass sie mit dem Folterverbot nicht
mehr zu vereinbaren ist. Die auf Rumsfeld
bezogene Passage der Strafanzeige erläutert
dies wie folgt: "Der Beschuldigte Rumsfeld
reagierte am 2. Dezember 2002 mit der Entscheidung,
16 weitere Techniken zuzulassen, darunter Gesichtsverhüllung, Auskleiden,
Einsatz von Hunden und sog. milden,
nicht verletzenden Kontakten [...] Am Ende
jenes Memorandums über die Zulassung
bestimmter Techniken befindet sich eine
handschriftliche Notiz Rumsfelds, die sich
darauf bezog, dass man Gefangene bis zu
vier Stunden in einer Stressposition stehen
ließ. Darin schreibt er: `Ich stehe 8-10 Stunden
täglich. Warum also ist es auf 4 Stunden
begrenzt?´ [...] Am 16. April 2003
stimmte der Beschuldigte Rumsfeld einer
Liste von ungefähr zwanzig Verhörtechniken
zu, die für den Gebrauch in Guantánamo
zugelassen waren und weiterhin sind.
Sie gestatten es Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums
zufolge unter anderem,
die normalen Schlafgewohnheiten von Häftlingen
umzukehren und sie Hitze, Kälte und
'sensorischen Angriffen' (einschließlich lauter
Musik und grellem Licht) auszusetzen
[...] Persönliche Interventionen des Beschuldigten
Rumsfeld führten nicht nur zur
Anwendung evident verbrecherischer Methoden
beim Verhör bestimmter Personen.
Er ist auch verantwortlich für ein System
der Vertuschung von Inhaftierungen. Der
Beschuldigte Rumsfeld befahl Militärangehörigen
im November 2003 im Irak, einen
Häftling nicht auf der Insassenliste zu
führen, um das Internationale Komitee vom
Roten Kreuz davon abzuhalten, seine Behandlung
zu überwachen, was einen Verstoß
gegen internationales Recht darstellt.
Außerdem werden nach Berichten Gefangene
in mindestens einem Dutzend Einrichtungen
festgehalten, die im Geheimen operieren,
und so vor der Überwachung des
Roten Kreuzes versteckt."[11] Wenn sich diese
Vorwürfe im Ermittlungsverfahren bewahrheiten,
dann wären die Beschuldigten
tatsächlich das, wogegen sie vorzugehen behaupten:
Kriegsverbrecher.
Keine Verfahrenshindernisse
Die Beschuldigten werden sich auch darauf
berufen, dass ihnen Immunität vor der
deutschen Gerichtsbarkeit zukomme (was
sich nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz
in Verbindung mit dem
Art. 25 Grundgesetz bemisst) und sie daher
in der Bundesrepublik nicht belangt werden
könnten.
Man muss in der Immunitätsfrage differenzieren
zwischen Ermittlungsverfahren
und Gerichtsverfahren und den jeweils beschuldigten
Personen, für die unterschiedliche
Normbereiche einschlägig sind: Keiner
der Beschuldigten genießt Immunität
für das einem möglichen gerichtlichen
Hauptverfahren vorgeschaltete staatsanwaltschaftliche
Ermittlungsverfahren. Weder
geht die völkerrechtlich garantierte ministerielle
Immunität soweit, dass sie eine
Sichtung und Sicherung der Beweismittel
und eine Aufklärung der Tatvorwürfe durch
die Staatsanwaltschaft verhindern könnte,
noch ergibt sich aus dem NATO-Truppenstatut,
dass gegen die in der Bundesrepublik
stationierten Tatverdächtigen nicht ermittelt
werden könnte. Anders liegen die
Dinge nur, wenn es tatsächlich zur Anklageerhebung
käme bzw. ein Haftbefehl auszustellen
wäre. In diesen Fällen gilt für den
beschuldigten Verteidigungsminister, dass
er aufgrund der Immunität, die die Gerichte
amtierenden Ministern zugestehen, so lange
nicht belangt werden
kann, wie er das
Amt des Ministers
ausübt. Mit dem
Ende seiner Amtszeit
endet seine Immunität
für ein gerichtliches
Verfahren, und
auch die Vorwürfe
hinsichtlich von
Menschenrechtsverbrechen,
die in die
Amtszeit als Minister
fallen, sind gerichtlich
zu untersuchen.
Dies ergibt
sich aus der Rechtsprechung
des Internationalen Gerichtshofes
und auch den Entscheidungen nationaler
Gerichte (z.B. im Fall Pinochet durch das
englische House of Lords). Die Gerichte
haben sich dabei mit dem völkerrechtlichen
Wertungsmaßstab auseinandergesetzt, wie
er im Wiener Übereinkommen über diplomatische
und konsularische Beziehungen
vom 18. April 1961 und der UN-Konvention
zu Spezialmissionen vom 8. Dezember
1969 zum Ausdruck kommt. Insbesondere
im Haftbefehl-Fall zwischen Belgien und
dem Kongo, in dem der IGH über einen
gegen den (damals) amtierenden Außenminister
des Kongo ausgestellten Haftbefehl zu
entscheiden hatte, kommt zum Ausdruck,
dass das Völkerrecht in der Abwägung zwischen
den Rechtsgütern des Individualschutzes
(Aufklärungs- und Bestrafungspflichten
von Menschenrechtsverletzungen)
und des Funktionsschutzes des diplomatischen
Verkehrs zu einer abgestuften Immunitätsdogmatik
gelangt ist. [12] Diese versucht,
beide Rechtsgüter so miteinander zu verzahnen,
dass weder die diplomatische Immunität
noch der Menschenrechtsschutz
grundsätzlich zurückstehen muss. Ein aktuelles
Verfahren, das derzeit zwischen
Frankreich und Kongo am IGH anhängig
ist, betrifft dabei die Frage, wie sich diese
Lösung auf Ermittlungsverfahren auswirkt.
Der IGH hat diesen Fall noch nicht abschließend
entschieden, auch wenn er den
Antrag des Kongo, gegen dessen Minister
ein französisches Ermittlungsverfahren lief,
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zurückgewiesen hat. Da strafrechtliche Ermittlungen
den diplomatischen Verkehr
nicht behindern, wird eine diesbezügliche
Immunität von Funktionsträgern nicht angenommen
werden können. [13]
Grob skizziert stellen sich die Voraussetzungen
für die gerichtliche Immunität demnach
insgesamt wie folgt dar: Das Staatsoberhaupt
und die Minister genießen in der
Zeit als Funktionsträger Immunität von der
Gerichtsbarkeit anderer Staaten (eine Ausnahme
für ein internationales Gericht ist insofern
Artikel 27 (2) IStGH-Statut). Das gilt
auch für Mitglieder diplomatischer Spezialmissionen.
Diese (personale) Immunität
geht nicht so weit, dass die in der Amtszeit
begangenen Menschenrechtsverletzungen
zu keinem Zeitpunkt verfolgt werden können.
Vielmehr genießt kein staatlicher
Funktionsträger Immunität bei schweren
Menschenrechtsverletzungen, da Menschenrechtsverletzungen
nicht zum Bereich der
Ausübung einer öffentlichen Funktion gehören.
Allerdings gilt wegen des völkerrechtlichen
Schutzgebotes für die Freiheit
des diplomatischen Verkehrs, dass die gerichtliche
Verfolgbarkeit von Menschenrechtsverletzungen
so lange suspendiert ist,
wie sich der betreffende Funktionsträger im
Amt befindet. Über den Umfang dieser speziellen
personellen Immunität kann man
sich völkerrechtlich zwar streiten, denn ursprünglich
galt sie nur für das Staatsoberhaupt.
Doch in der völkerrechtlichen Praxis
gibt es eine Tendenz, diese Immunität
auch auf einzelne Minister auszuweiten. Es
ist absehbar, dass der Generalbundesanwalt
sich darauf berufen wird, dass Rumsfeld
derzeit gerichtliche Immunität genießt. Diese
Immunitätsregelung steht zwar in Konflikt
mit den Normen des humanitären Völkerrechts,
die eine Bestrafungspflicht bei
Kriegsverbrechen vorsehen (Art. 129 des
Dritten Genfer Abkommens). Aber auch
hier könnte der Generalbundesanwalt sich
darauf stützen, dass es im Völkerrecht eine
zunehmende Anerkennung für die Auffassung
gibt, dass die temporäre Suspendierung
von der Gerichtsbarkeit keine Verletzung
der Bestrafungspflicht bedeutet, wenn
die betreffenden Verfahren nach dem Ausscheiden
aus dem öffentlichen Amt eingeleitet
werden. Mit anderen Worten: Gegen
Verteidigungsminister Rumsfeld, kann
(muss sogar, siehe unten) ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet werden. Die Ausstellung
eines Haftbefehls wie auch die Einleitung
eines gerichtlichen Hauptverfahrens
könnte der Generalbundesanwalt unter Berufung
auf die Immunitätsregeln hinsichtlich
des Beschuldigten ablehnen, solange
Rumsfeld Minister der Vereinigten Staaten
von Amerika ist.
Bei den übrigen Beschuldigten, sofern sie
in der Bundesrepublik stationiert sind, ist
die Rechtslage dahingehend spezieller, dass
das NATO-Truppenstatut auf völkervertraglichem
Wege die Exemtion von der
deutschen Gerichtsbarkeit garantiert. Insgesamt
hat die vertragliche Zusicherung
von Immunität bzw. der Exemtion von der
Gerichtsbarkeit für Truppenverbände derzeit
eine allgemeine Hochkonjunktur.
Nachdem die USA davon Abstand genommen
haben, gegen den internationalen Widerstand
Immunitätsgarantien nach Art. 16
des Rom-Statuts für ihre Soldaten in internationalen
Missionen durch Resolutionen
des Sicherheitsrat zu erwirken, haben sie
ihre Bemühungen auf den Abschluss bilateraler
Immunitäts- bzw. Exemtionsvereinbarungen
konzentriert. Für das Statut des
Internationalen Strafgerichtshofes ergibt
sich der einschlägige Rechtsrahmen aus Art.
98 Rom-Statut, wonach der Gerichtshof
kein Überstellungsersuchen an Staaten richten
darf, wenn diese durch die Überstellung
eines Verdächtigen ihren Verpflichtungen
aus völkerrechtlichen Vereinbarungen zuwider
handeln würden. Es kommt dabei
sowohl im Jurisdiktionskreis des IStGH wie
auch dem der nationalen Gerichte darauf
an, den Inhalt der jeweiligen völkervertraglichen
Immunitätszusicherungen
exakt zu bestimmen und vor allem zu prüfen,
ob solche Normen möglicherweise gegen
andere Völkerrechtsnormen verstoßen.
Im Hinblick auf die Abgrenzung der Gerichtsbarkeiten
der USA und der Bundesrepublik,
so wie sie sich aus der Vereinbarung
des NATO-Statuts vom 19. Juni 1951,
der Zusatzvereinbarung vom 3. August 1959
und deren Revision durch die Vereinbarung
vom 18. März 1993 ergibt, [14] sind dabei drei
Gesichtspunkte relevant: (1) Diese Vereinbarungen
haben den Zweck, die Abgrenzungen
von Zuständigkeiten zu regeln, die sich
aus der Stationierung fremder Truppen auf
dem Territorium des Empfangsstaates ergeben.
Das NATO-Statut ist dabei ausschließlich
dann anwendbar, wenn die strafrechtlichen
Vorwürfe sich auf Straftaten beziehen,
die auf dem Territorium des Empfangsstaates
begangen worden sind. Dies ist im
vorliegenden Fall nicht gegeben, da es um
Vorwürfe geht, die mit den Geschehnissen
in Abu Ghraib in Zusammenhang stehen.
Auch die jeweiligen Einzelvorwürfe hinsichtlich
der Verletzung von Aufsichts-,
Garanten- und Kontrollpflichten wurden
nicht in Deutschland begangen. (2) Wichtig
ist auch, im Recht der Truppenstationierung
die Differenzierung des Völkergewohnheitsrechtes
im Hinblick auf Immunitätsausnahmen
nachzuvollziehen. Die Jurisdiktion
des Empfangsstaates ist nur ausgeschlossen,
wenn die betreffende Tat durch
eine Handlung oder Unterlassung eines
NATO-Soldaten in amtlicher Eigenschaft
begangen wurde. Wie in den Fällen der diplomatischen
Immunität gilt hier, dass die
Beteiligung an Folterungen nicht und nie-
HSFK Standpunkte 1/2005 8
mals als amtliche Tätigkeit zu werten ist.
Eine völkervertragliche Exemtion von der
Gerichtsbarkeit des Aufnahmestaates scheidet
darum genauso aus wie die Anwendung
der Immunitätsgrundsätze. Mit anderen
Worten, auch wenn die Folterungen im
Rahmen der Ausübung einer öffentlichen
Funktion ausgeführt werden, sind Immunität
und Exemtion von der Gerichtsbarkeit
des Aufnahmestaates nicht gegeben. (3)
Selbst wenn dies nicht so wäre, die hier in
Rede stehenden Vorwürfe also nach Art. VII
des NATO-Statuts als strafbare Handlungen,
"die sich aus einer Handlung oder Unterlassung
in Ausübung des Dienstes ergeben",
zu werten wären, folgte daraus nur,
dass zwischen Entsendestaat (USA) und
Aufnahmestaat (BRD) eine konkurrierende
Zuständigkeit mit einem Gerichtsbarkeitsvorrecht
der USA vorläge. Wenn -
wie hier - der Entsendestaat von seinem
Vorrecht keinen Gebrauch macht, stehen
der Gerichtsbarkeit des Aufnahmestaates
keine aus dem Truppenstatut abzuleitenden
sachlichen Verfahrenshindernisse entgegen.
Insgesamt scheidet daher eine Immunität
bzw. die Annahme von Verfahrenshindernissen
für die in der BRD stationierten Beschuldigten
nach dem NATO-Statut aus.
Ermessenseinschränkung
Um also zusammenzufassen: Die deutsche
Gerichtsbarkeit ist nach dem Weltrechtsprinzip
zuständig. Die Verantwortlichkeit
der in der Strafanzeige genannten Personen
ist nicht abwegig, eine Immunität im Ermittlungsverfahren
gibt es nicht, und lediglich
der amtierende Verteidigungsminister
ist für die Dauer seiner Amtszeit vor Haftbefehl
und Gerichtsverfahren geschützt.
Woran könnte die Anzeige also scheitern?
Zunächst einmal daran, dass der Generalbundesanwalt
es möglicherweise ablehnt,
ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Es gehört
zu den üblichen strafprozessualen
Techniken, eine Fülle von Ermittlungen in
Deutschland dadurch abzuschließen, dass
die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens ablehnt. Eine solche
Ablehnung der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens
ist eine kafkaeske Angelegenheit,
die an die Türhüterparabel erinnert:
Ein Mann vom Land steht vor den
Toren des Rechts, begehrt Einlass, der ihm
aber verweigert wird. Am Ende wird das Tor
geschlossen, ohne dass er jemals das Gesetz
zu Gesicht bekommen hat. Es war nur dazu
da, ihn vergeblich warten zu lassen.
Bewährt hat sich diese Vorgehensweise,
die lediglich informell ist und für die es in
der Strafprozessordnung (StPO) keine Regelung
gibt, bei Querulanten und Prominenten.
Erstere kann man auf diesem Weg
ohne größeren Papier- und Arbeitsaufwand
loswerden. Letztere werden so vor einer vermeintlichen
Stigmatisierung durch ein Ermittlungsverfahren
geschützt. Paradox ist
daran, dass die dem Ermittlungsverfahren
vorgeschalteten Ermittlungen in diesen Fällen
inhaltlich identisch sind mit dem, was
bei gewöhnlichen Kriminellen unmittelbar
die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
bedeutet, d.h. es wird geprüft, ob ein strafrechtlich
relevanter Tatverdacht vorliegt.
Exakt dies wird der Generalbundesanwalt
auch in der Strafanzeige in Sachen Abu
Ghraib unternehmen müssen, d.h. er ist
verpflichtet, dem Anfangsverdacht gegen
die Beschuldigten nachzugehen. Die staatsanwaltschaftliche
Verdachtschöpfung, die
häufig einen ergebnisorientierten Umgang
mit dem Anfangsverdacht impliziert, unterliegt
der gerichtliche Kontrolle. Den Anzeigeerstattern,
sofern sie Opfer des mutmaßlichen
Verbrechens sind, steht gegen die
verfahrensbeendende Verfügung der Staatsanwaltschaft
das Rechtsmittel einer Beschwerde
beim Bundesgerichtshof zu.
In diesem Verfahren wird man dann die
Bundesanwaltschaft zur Aufnahme eines
Ermittlungsverfahrens zwingen müssen.
Denn der Gesetzgeber hat das sonst bei
Auslandstaten bestehende Ermessen der
Staatsanwaltschaft strukturiert und eingeschränkt.
Der im Gesetzgebungsverfahren
für das VStGB neu eingeführte § 153f StPO
sieht eine Ermittlungs- und Verfolgungspflicht
für den Fall vor, dass sich der Beschuldigte
im Inland aufhält oder ein solcher
Aufenthalt zu erwarten ist. Es genügt
hierbei, dass der Aufenthalt im Rahmen der
Durchreise erfolgt. Die Einheit des ehemaligen
Irak-Befehlshabers Sanchez ist in Heidelberg
stationiert. Auch die Beschuldigten
Wodjakowski und Pappas haben ihren
Dienstsitz in Deutschland. Schon deshalb
sind die hier zur Anzeige gebrachten Taten
zu verfolgen. Die Verfolgung darf sich dabei
nicht auf die in Deutschland anwesenden
Beschuldigten beschränken, was sich
auch aus dem Umkehrschluss des in § 153f
II Ziff. 3 StPO artikulierten Rechtsgedankens
ergibt, der ermöglicht, dass die
Ermittlungen eingestellt werden können,
wenn "kein Tatverdächtiger sich im Inland
aufhält und ein solcher Aufenthalt auch
nicht zu erwarten ist". Schon aus dem
Gesetzeswortlaut wird deutlich, dass bereits
die Anwesenheit nur eines an einem Tatkomplex
Beteiligten ausreicht, um die
Verfolgungspflicht zu begründen. Auch
wenn die Beschuldigten zwischenzeitlich zu
einem Einsatzort außerhalb des Bundesgebiets
versetzt worden sein sollten, spielt dies
rechtlich keine Rolle. Ein Aussitzen der Ermittlungen
wäre rechtswidrig, es verstieße
gegen die staatsanwaltschaftliche Rechtspflicht
zur Ermittlung. Dieser Versuch, das
Verfahren leer laufen zu lassen, wäre aber
auch bereits deshalb sinnlos, da zahlreiche
der in Deutschland stationierten US-Einheiten
im Irak eingesetzt waren und sind.
Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, die
Ermittlungen auf alle in Betracht kommenden,
auch in der Strafanzeige nicht genannten
Verdächtigen auszudehnen. Ermessenseinschränkend
wirkt ferner, dass das von der
Bundesrepublik und den USA unterzeichnete
Dritte Genfer Abkommen in seinem
Art. 129 Abs. 2 eine Verfolgungspflicht statuiert,
d.h. die Vertragsparteien zur Ermittlung
der Personen verpflichtet, die der Begehung
oder der Erteilung eines Befehls zur
Begehung der in Art. 130 dieses Abkommens
genannten schweren Verletzungen beschuldigt
sind.
Oberflächlich betrachtet, [15] könnte man
zudem daran denken, dass der in § 153f
Abs. 2 Ziff. 4 StPO genannte Einstellungsgrund
der Subsidiarität gegeben ist. Danach
können Verfahren in der Bundesrepublik
eingestellt werden, unter anderem wenn die
Tat bereits durch den Staat verfolgt wird,
dessen Staatsangehöriger der mutmaßliche
Täter oder das Opfer ist. Dass die Vereinigten
Staaten in grundsätzlicher Hinsicht
rechtsstaatlich verfasst sind, bedeutet nun
aber nicht, dass im konkreten Fall eine effektive
Strafverfolgung der Verbrechen von
Abu Ghraib stattfindet. Trotz der mehrfach
geäußerten Absicht, die Vorwürfe umfassend
aufzuklären, sind wegen der Vorfälle
in Abu Ghraib bislang nur acht niedrigrangige
Soldaten angeklagt und nur teilweise
verurteilt worden. Es ist auch nicht zu erwarten,
dass die in der Strafanzeige beschuldigten
Vorgesetzten wegen der in der Strafanzeige genannten Delikte der Garanten-,
Aufklärungs- und Kontrollpflichtsverletzung
vor den Gerichten der USA oder
vor den irakischen Gerichten angeklagt
werden.
Es ist gerade eines der Motive des CCR
für die Anzeige in der Bundesrepublik, dass
auch gegen die militärischen Vorgesetzten
ermittelt werden soll und dass die deutschen
Ermittlungen Anlass geben, Gerichtsverfahren
in den USA zu initiieren, für die dann
auch das in der Bundesrepublik zusammengestellte
Beweismaterial verwendet werden
könnte. In Anbetracht der bislang nicht eingeleiteten
Gerichtsverfahren gegen die
Beschuldigten in den USA, kann der Generalbundesanwalt
sich nicht auf den Ermessensgrundsatz
zurückziehen, was sich auch
aus den Materialien zur Einführung des
§ 153f StPO ergibt. Danach soll der Fall, dass
ein Tatvorwurf nicht von einer ausländischen
oder internationalen Gerichtsbarkeit
verfolgt wird, dem Legalitäts- und nicht
dem Opportunitätsprinzip unterliegen:
"Weist die Tat keinen Inlandsbezug auf, hat
aber noch keine vorrangig zuständige Jurisdiktion
mit Ermittlungen begonnen, so
verlangt das Legalitätsprinzip im Zusammenhang
mit dem Weltrechtsgrundsatz,
dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden
jedenfalls die ihnen möglichen Ermittlungsanstrengungen
unternehmen, um eine spätere
Strafverfolgung (sei es in Deutschland
oder im Ausland) vorzubereiten."[16]
Der Generalbundesanwalt hat in dieser
Frage keinerlei Wertungsspielraum. Denn
ob die Gerichte in den USA tätig geworden
sind, ist im vorliegenden Fall negativ zu beantworten.
Ob die Vorwürfe Gegenstand
einzelner Untersuchungsberichte sind, ob
diese Fragen anlässlich der Prozesse gegen
die unmittelbar Tatbeteiligten angesprochen
wurden, ob die Gerichte in diesen Prozessen
hinsichtlich der von den Angeklagten zum
Teil verfolgten Verteidigungsstrategie der
Berufung auf die Befehlslage zu einer Wertung
gekommen sind oder nicht, ist rechtlich
irrelevant.
Denn die Einstellungsmöglichkeit nach
Ziff. 4 des § 153f Abs. 2 StPO ist nur gegeben,
wenn die Tat, d.h. hier die Tatvorwürfe
der Verantwortlichkeit von Vorgesetzten,
tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden.
Das ist nur dann der Fall, wenn gegen die
Beschuldigten selbst prozessiert würde.
Ähnlich formuliert diese Pflicht Art. 129
Abs. 2 der Dritten Genfer Konvention, der
verlangt, dass die Vertragsstaaten die Täter
"ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit
vor ihre eigenen Gerichte zu ziehen"
haben. Aus welchem Grund bei den Gerichten
in den USA gegen die Beschuldigten
keine Gerichtsverfahren eröffnet werden, ob
die USA ein Rechtsstaat sind, ob der Generalbundesanwalt die Zurückhaltung der
amerikanischen Justiz für angemessen,
nachvollziehbar oder gar politisch geboten
hält: all dies spielt darum keine Rolle, denn
rechtlich entscheidend ist ausschließlich,
dass gegen die Beschuldigten in den USA kein
Gerichtsverfahren wegen der Vorfälle in Abu
Ghraib und der darauf bezogenen konkreten
Anschuldigungen der Vorgesetztenverantwortlichkeit
eröffnet worden ist.
Man darf mit Spannung erwarten, welche
juristischen Kunstgriffe der Generalbundesanwalt
anwenden wird, um das Verfahren
loszuwerden und die Bundesregierung vor
weiteren transatlantischen Verwerfungen zu
schützen. Gerade Letzteres ist ein Gesichtspunkt,
dem aufgrund der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungspflicht eigentlich
keinerlei rechtliche Bedeutung zukommt.
Er wird natürlich dennoch ständig die
verfahrensleitenden Entscheidungen prägen.
Es ist ein vielfach beklagtes Problem,
dass Staatsanwälte in der Bundesrepublik
durch die Ausgestaltung des Dienstrechtes
nicht genügend politische Unabhängigkeit
genießen. [17] Insbesondere der Generalbundesanwalt
muss sich als "politischer Beamter"
bei der Erfüllung seiner Aufgaben in
fortdauernder Übereinstimmung mit den
für ihn einschlägigen grundlegenden politischen
Zielsetzungen der Bundesregierung
befinden. Er untersteht der Dienstaufsicht
des Bundesministers der Justiz.[18]
Wegen der grundsätzlichen Nähe der
deutschen Staatsanwaltschaft zur Exekutive
ist es kein Zufall, dass der Fall Pinochet
seine maßgeblichen prozessualen Impulse
nicht von der deutschen Justiz erhalten hat,
obwohl auch vor der Einführung des VStGB
die Möglichkeit dazu bestanden hätte. Statt
dessen war es der spanische Ermittlungsrichter
Baltasar Garzón, der nicht nur für
den im Herbst 1998 ausgestellten Haftbefehl
gegen den chilenischen Ex-Diktator
sorgte, sondern beispielsweise auch dafür,
dass Ricardo Miguel Cavallo, ein ehemaliges
Mitglied der so genannten 3.3.2. task force,
die für zahlreiche Fälle des Verschwindenlassens
in Argentinien verantwortlich ist, in
Mexiko in Haft gesetzt und letztlich ausgeliefert
worden ist. Anders als in Spanien, wo
Baltasar Garzón gegen den expliziten Willen
der Regierung José Aznars seinen Ermittlungen
nachgehen konnte, ist in der
Bundesrepublik die Möglichkeit politischer
Einflussnahme auf die Ermittlungen stets
gegeben.
Es wird sich zeigen, wie die Bundesregierung
zum Verfahren Abu Ghraib steht. Auch
ohne deren Unterstützung bliebe den Anzeigeerstattern,
das heißt zumindest den vier
Irakern, die in Abu Ghraib interniert waren,
jedenfalls eine letzte Möglichkeit: über ein
so genanntes Klageerzwingungsverfahren
doch noch zu ihrem Recht zu kommen.
Weltrechtsprinzip unter
politischem Druck
Seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs
im Juli 2002 hat keine der 26 erstatteten
Anzeigen zu einem Gerichtsverfahren geführt.
Die Generalbundesanwaltschaft sah in
keinem Fall Anlass zur Einleitung eines
förmlichen Ermittlungsverfahrens. [19] Und
niemand rechnet ernsthaft damit, dass der
Generalbundesanwalt freiwillig und ohne
gerichtliche Intervention Ermittlungen gegen
die US-Militärs im Fall von Abu Ghraib
aufnehmen wird. Dabei war das Projekt
Völkerstrafgesetzbuch und Weltrechtsprinzip
durchaus vielversprechend gestartet.
Deutsche Politiker aller Couleur lobten die
Regelungen ob ihrer weltweiten Vorbildfunktion.
Die Fehler, die Belgien mit der
Einführung und Anwendung des Weltrechtsprinzips
gemacht hatte, waren scheinbar
vermieden worden, indem man stärker als
Belgien auf innerstaatliche Anknüpfungspunkte
für die Strafbarkeit und auf die völkerrechtlichen
Restriktionen hinsichtlich
der temporären Immunität von amtierenden
Funktionsträgern geachtet hatte. Belgien
hatte eine weit inflexiblere Regelung.
Nach dem Haftbefehl gegen den amtierenden
kongolesischen Außenminister drohten
weitere, darunter gegen Colin Powell,
George W. Bush oder Ariel Scharon. Die
dadurch ausgelösten diplomatischen Verstrickungen
gingen so weit, dass die US-Regierung
zuletzt damit drohte, das NATOHauptquartier
aus Brüssel zu verlegen, da
man dort nicht mehr ungefährdet hinreisen
könne. Letztlich gab Belgien im Sommer
2002 dem politischen Druck der USA
nach und änderte das einschlägige Gesetz
dahingehend, dass nach dem Weltrechtsprinzip
Taten nur verfolgt werden können,
wenn das Opfer mindestens drei Jahre in
Belgien gelebt hat. Diese Entscheidung hat
ironische Nachrufe der Weltrechtsskeptiker
provoziert, die sich seit Jahren gegen die
zivilgesellschaftlichen und akademischen
Bemühungen um eine Stärkung des Prinzips
Stellen. [20] Während Amnesty International,
Human Rights Watch und die epistemische
Gemeinschaft der Völkerrechtler in den
sog. Princeton Principles on Universal
Jurisdiction klare Position für das Weltrechtsprinzip
bezogen haben, wird die Phalanx
der Gegner des Prinzips angeführt von
Henry Kissinger, der selbst zahlreichen Ermittlungsverfahren
(in Chile, Frankreich,
Spanien etc.) unter anderem wegen der sog.
operación condor ausgesetzt ist. In einem
wütenden Beitrag in der Zeitschrift Foreign
Affairs, von dem einige Kommentatoren
meinten, Kissinger habe ihn angesichts der
drohenden Einschränkung seiner Reisefreiheit
verfasst, schrieb er: "Die Befürworter
des Weltrechtsprinzips argumentieren,
der Staat sei die primäre Kriegsursache, es
sei ihm nicht zuzutrauen, für Gerechtigkeit
zu sorgen. Wenn das Recht die Politik ersetzen
würde, dann könnten Frieden und
Gerechtigkeit siegen. Aber schon eine oberflächliche
Betrachtung der Geschichte zeigt, dass es keinerlei empirischen Beweis für
diese Theorie gibt. Die Aufgabe des Staatsmannes
ist es, die beste Option zu wählen,
wenn es darum geht, Frieden und Gerechtigkeit
zu verwirklichen. Er muss dabei stets
reflektieren, dass es zwischen diesen beiden
Prinzipien eine Spannung gibt und dass jede
Abwägung parteilich ist. Wie auch immer, die
Wahl ist jedenfalls nicht einfach eine zwischen
Weltrechtsprinzip und nationaler Jurisdiktion." [21]
In der Tat umreißt Kissinger damit das
Problem in seiner Dramatik. Das, was beim
Weltrechtsprinzip zur Disposition steht, ist
nicht lediglich eine rechtstechnische Frage
über die Abgrenzung von Jurisdiktionskreisen,
es ist das fundamentale Ordnungsprinzip
der verfassungsrechtlichen Idee:
Wird es dem Weltrecht - angetrieben durch
die völkerstrafrechtliche Entwicklung und
die Konstitutionalisierung zahlreicher Spezialregimes
von Welthandelsorganisation,
über die Vereinten Nationen bis hin zu den
Menschenrechtspakten [22] - gelingen, auf seine
zunehmende Einflussnahmie durch die
Politk mit einer angemessenen "Abwehrbewegung"
zu reagieren? Kann dieses Recht
mehr sein als ein apologetisches Beiwerk realpolitischer
Machtpolitik? Diese Fragen
sind offen, und die Strafanzeige wegen der
Vorfälle in Abu Ghraib ist Teil des weltgesellschaftlichen
Kampfes um die Herrschaft
des Rechts im globalen Maßstab. Dabei
verlaufen die Streitlinien nicht zwischen
Europa und den USA. Gerade die US-Gerichte
- aus deutscher Sicht sind die Entscheidungen
in den Zwangsarbeiterfällen
hervorzuheben - haben sich in zahlreichen
Verfahren über Verletzungen des weltrechtlichen
Kernbestands an Menschenrechten
hervorgetan. Exakt diese Regeln
drohen jetzt auf die mächtigen Realpolitiker
zurück zu schlagen. Die postnationalen
Fronten verlaufen darum nicht geographisch,
sondern funktional, zwischen Politik
und Recht. Hamdi versus Bush, CCR
versus Rumsfeld, Käsemann versus die argentinische
Militärjunta, Belgien versus
Kongo - all dies sind nur die Kurzformeln
der je unterschiedlichen Einkleidung eines
weltgesellschaftlichen Grundkonflikts konstitutionellen
Ausmaßes: Gibt es in der
Weltgesellschaft Rechtsnormen, die das
politische System limitieren und die elementarsten
Menschenrechte schützen? Vor
welchen Gerichten können diese Fundamentalrechte
geltend gemacht werden,
damit sie mehr werden, als symbolische
Texte, auf die feiertags und anlässlich konkreter
Gewaltlegitimationswünsche Bezug
genommen wird?
Wenn man es ernst meint mit der Konstitutionalisierung
der internationalen Beziehungen [23], wenn man die Herrschaft des
Rechts nicht als eine Fehlspezifikation in der
Menschheitsgeschichte, die mit den Nationalstaaten
zugrunde gehen wird, betrachten
will, dann wird man sich darauf einzustellen
haben, dass die Konflikte zwischen
Recht und Politik schärfer werden. Und
man wird sich damit abfinden müssen, dass
das Recht nicht die Garantie dafür wird
übernehmen können, dass die Rechtsnormen
stets eingehalten werden. Das Recht
kann aber, wenn man ihm anlässlich konkreter
Fragen die Entscheidung über Recht
und Unrecht ermöglicht, seinen symbolischen
Apparat zur Verfügung stellen, um auf
Erwartungsenttäuschungen zu reagieren,
um das zu strukturieren, was man weltrechtens
voneinander erwarten kann. Dazu
gehören strafrechtliche Mechanismen, aber
auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche.
Gerade Letztere sind für transnationale
Sachverhalte in der Bundesrepublik
bislang nur unzureichend eingeräumt.[24]
Und anstelle im Fall von Abu Ghraib vor
politischem Druck zurückzuweichen, sollte
der Gesetzgeber daran gehen, das Weltrechtsprinzip
auch für zivilrechtliche Streitigkeiten
einzuführen. Statt einer Einschränkung
von rechtlichen Zugangsmöglichkeiten
für die Opfer schwerer Menschenrechtsverbrechen
sind erweiterte Klagemöglichkeiten
gefragt. In diesen Verfahren sollte
nicht immer mit der schärfsten Waffe des
demokratischen Rechtsstaates, das heißt
strafrechtlichen Sanktionen, gedroht werden,
sondern als Minimalziel Raum dafür
gegeben sein, dass den Opfern eine Kommunikationsmöglichkeit
im Recht eröffnet
wird. Das wichtigste ist, dass in demokratischen
Rechtsstaaten Verfahren bereit gestellt
werden, in denen rechtliche Verantwortungszuweisungen
und Grenzziehungen
zwischen Recht und Unrecht erfolgen können.
Die Alternative wäre keine Alternative:
Die strukturelle Errungenschaft der
Herrschaft des Rechts aufzugeben und die
Entscheidung über Krieg und Frieden und
über die Form des Krieges allein der Politik
zu überlassen, so wie Realpolitiker wie Henry
Kissinger dies wünschen, wird nur zu einer
weiteren Fundamentalisierung von
Konflikten und zu sehr viel drastischeren
Mitteln der Konfliktunterdrückung führen.
Fazit
Hans Kelsen hat einmal gesagt, dass "jeder
Konflikt, der als Interessen-, Macht- oder
politischer Konflikt bezeichnet wird, [...] als
Rechtsstreit entschieden werden" kann. [25]
Und tatsächlich ist das, was totalitäre Staaten
von Rechtsstaaten unterscheidet, die
unterschiedliche Bereitschaft, ein unabhängiges
Rechtssystem zu installieren, Konflikte
dem Recht zur Entscheidung zu übergeben
und die jeweiligen Verfahren vor
politischer Einflussnahme zu schützen.
Nicht zuletzt kommt dieses normative
Desiderat in zahlreichen UN-Texten zum
Ausdruck.[26] Es ist dies auch der Kern des
neuzeitlichen Konstitutionalismus, wie er in
der Entscheidung des US Supreme Court
im Fall Marbury gegen Madison im Jahr
1803 zum ersten Mal in Rechtsform gebracht
worden ist, als das Gericht ein eigenes
Prüfungsrecht über die Akte von Parlament
und Exekutive reklamiert hat. Auch
die Foltervorwürfe können und müssen juristisch
geklärt werden. Im deutschen Recht
ergibt sich dies zwingend aus den Normen
des VStGB und der Einschränkung des Ermessens
des Generalbundesanwaltes. Will
man es zu einem solchen Rechtsverfahren
nicht kommen lassen, muss das Gesetz in
einem parlamentarischen Verfahren geändert
werden. So lange gilt: Der deutsche Gesetzgeber
hat entschieden, dass er die angezeigten
Delikte juristisch untersucht und
verfolgt sehen will. Er hat dabei die maßgeblichen
Normen des Völkergewohnheitsrechts
in das deutsche Recht inkorporiert.
Es wäre darum ein Skandal, wenn der
Generalbundesanwalt trotz dieser parlamentarischen
Vorgaben und trotz der in den
Genfer Konventionen festgelegten Bestrafungspflicht
kein Ermittlungsverfahren einleiten
würde. Es ist zu hoffen, dass den deutschen
Entscheidungsträgern die Tragweite
des Verfahrens bewusst wird und dass der
Generalbundesanwalt die Worte seiner
Bundesjustizministerin verinnerlichen
möge: "[E]s genügt nicht, sich auf einen internationalen
Vertragstext zu einigen; man
muss ihn auch mit Leben füllen. Gerade auf
dem Gebiet des Völkerrechts muss dafür gesorgt
werden, dass die Regeln, die sich die
Staatengemeinschaft gegeben hat, auch umgesetzt
werden. Deutschland hat daher nicht
nur die Errichtung des IStGH von Anfang
an mit großem Einsatz unterstützt. Es hat
auch innerstaatlich durch die Einführung
des Völkerstrafgesetzbuchs die Voraussetzungen
dafür geschaffen, dass schwerste
Menschenrechtsverbrechen unabhängig
von ihrem Tatort in Deutschland strafrechtlich
angemessen verfolgt werden können."[27]
Anmerkungen -
Vgl. die generelle These von Giorgio
Agamben (2004).
- Wolfgang Kaleck, Strafanzeige gegen
den US-Verteidigungsminister Donald
Rumsfeld u.a.; der Text der 160-seitigen
Strafanzeige ist abrufbar unter
www.ccr-ny.org und www.rav.de.
- Rasul vs. Bush, 124 S. Ct. 2686 (2004).
- Hamdi vs. Rumsfeld, 124 S. Ct. 2633,
2650 (2004); vgl. House of Lords vom
16.12.2004, in der die Richter das
britische Anti-Terror-Gesetz für unvereinbar
mit international anerkannten
Menschenrechten erklärten, [2004]
UKHL 56, A (FC) and others (FC)
(Appellants) v. Secretary of State for
the Home Department (Respondent).
- Siehe Greenberg & Dratel (2005),
S. 383ff. sowie UN Human Rights
Report, The Present Situation of
Human Rights in Iraq (9. Juni 2004,
E/CN.4/2005/4).
- Immanuel Kant, Schrift zum ewigen
Frieden (1795), Werkausgabe, hg. v.
Weischedel, Frankfurt/M. 1991, S. 216
f.
- BT-Plenarprotokoll 14/233 25.4.2002,
23270 ff.
- Der nach der internationalen Anti-
Folterkonvention gebildete Ausschuss
hat gerade dieses Fehlen an der deutschen
Rechtslage immer wieder kritisiert
(siehe zuletzt: A/53/44, Ziff. 185,
abrufbar unter http://www.unhchr.ch/
tbs/doc.nsf). Das ist auch für den sog.
Fall Daschner relevant, da hier nur
wegen Nötigung und nicht wegen
Folter angeklagt und verurteilt wurde
(LG Frankfurt, 20.12.2004, Az. 27 Js
123/03).
- ICTY, Furundzija, 10.12.1998, Ziff. 159,
I.L.M. 38 (1999), S. 317 ff.; ICTR,
Akayesu, 2.9.1998, Ziff. 593, I.L.M. 37
(1998), S. 1399 ff.; siehe auch Murphy
(2004), S. 592 ff.
- Neil A. Lewis, Red Cross Finds Detainee
Abuse in Guantanamo, The New
York Times, 30. November 2004, S. 1.
- Die zitierten Dokumente finden sich in
Greenberg & Dratel (2005), S. 81ff.;
siehe auch Murphy (2004), S. 592 ff.
- IGH, Arrest Warrant (Demokratische
Republik Kongo gegen Belgien,
14.2.2002), I.L.M. 41 (2002), S. 536ff.;
Dapo Akande (2004), S. 407 ff.
- Siehe schon IGH, Case Concerning
Certain Criminal Proceedings in
France (Republic of the Congo v.
France), Entscheidung vom 17. Juni
2003.
- Siehe NATO Status of Forces Agreement
(SOFA), BGBl. 1961 II 1190; SOFA Zusatzvereinbarung,
BGBl. 1961 II 1218;
Revidierte SOFA Zusatzvereinbarung,
BGBl. 1994 II 2594, 2598.
- Wie bspw. bei Hessbruegge (2004).
- BT Drucksache 14/8524, S. 38.
- Siehe auch die Kritik bei van Aaken &
Salzberger & Voigt (2004), S. 261 ff.
- Die Stellung als politischer Beamter
ergibt sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 5 Bundesbeamtengesetz
i.V.m. § 31 Beamtenrechtsrahmengesetz.
Die Dienstaufsichtsregelung
für den Generalbundesanwalt
folgt § 147 Ziff. 1 Gerichtsverfassungsgesetz.
- Nach Auskunft der Pressestelle der Generalbundesanwaltschaft
(13.12.2004)
ist der Generalbundesanwalt "den angezeigten
Sachverhalten im Rahmen von
Überprüfungsvorgängen nachgegangen.
Aus verschiedenen strafprozessualen
Gründen [...] bestand in keinem Fall
Anlass zur Einleitung eines förmlichen
Ermittlungsverfahrens."
- Siehe die Zusammenfassung bei Ratner
(2003), S. 888 ff.
- Kissinger (4/2001), S. 86 ff.; zur Gegenauffassung
siehe bspw. die Replik auf
Kissinger durch den Vorsitzenden von
Human Rights Watch: Roth, (5/2001),
S. 150 ff.
- Vgl. Fischer-Lescano & Teubner (2004),
S. 999 ff.
- Siehe Jürgen Habermas, Hat die Konstitutionalisierung
des Völkerrechts noch
eine Chance?, in: ders., Der gespaltene
Westen, Kleinere politische Schriften X,
Frankfurt/M., 2004, S. 113-193.
- Zum völkerrechtlich Möglichen siehe
den sog. van Boven-Report (1993) und
das Revised Set of Basic Principles and
Guidelines on the Right to Reparation
for Victims of Gross Violations of
Human Rights and Humanitarian Law,
UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1996/17.
- Hans Kelsen, Wer soll der Hüter der
Verfassung sein? (1931), in: Klecatsky
u.a. (Hg.), Die Wiener Rechtstheoretische
Schule, Wien 1968, S. 1873-1922,
S. 1883.
- Siehe bspw. die Basic Principles on the
Independence of the Judiciary, UN Doc.
GA/40/146 und GA/41/149.
- Bundesjustizministerin Zypries -
Fachtagung, Strafverfolgung von
Völkerrechtsverbrechen, 27.6.2003,
http://www.bmj.bund.de/enid/fa.html.
Weiterführende Literatur
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Voigt, The Prosecution of Public
Figures and the Separation of Powers:
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in: Constitutional Political Economy
15, 2004, S. 261-280, abrufbar unter:
www.bepress.com/gwp/default/
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Giorgio Agamben, Der Ausnahmezustand
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433
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Statute: A Postmortem. American
Journal of International Law 97, 2003,
S. 888-897
Kenneth Roth, The Case for Universal
Jurisdiction, in: Foreign Affairs, Heft 5,
Jg. 80 2001, S. 150-154
Gerhard Werle, Völkerstrafrecht, Tübingen
2003
* Dr. iur. Andreas Fischer-
Lescano, LL.M. (Jahrgang
1972) ist Mitglied
der Forschungsgruppe
"Internationale Organisation,
Demokratischer
Friede und die
Herrschaft des Rechts"
und wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut
für Wirtschaftsrecht der Johann Wolfgang Goethe-
Universität, Frankfurt am Main.
Der Beitrag von Fischer-Lescano einschließlich der folgenden Anhänge erschien in der Reihe "Standpunkte" der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
HSFK Standpunkte 1/2005.
Im Internet: www.hsfk.de
Anhänge
Völkerstrafrecht in der Bundesrepublik
Am 30. Juni 2002 ist das Völkerstrafgesetzbuch (BGBl I 2002, 2254) in Kraft getreten.
Die Bundesrepublik hat mit der Einführung dieses Gesetzes auf die Entwicklung
des Völkerstrafrechts reagiert. Dieses Rechtsgebiet kann nicht auf das Römische
Statut des Internationalen Strafgerichtshofes reduziert werden.
Das Rom-Statut, das die Bundesrepublik bereits mit Gesetz vom 17. Juli 1998
(IStGH-Statutgesetz, BGBl. 2000 II, 1393) ratifiziert hatte, weist die Aburteilung
bestimmter Strafdelikte in die Zuständigkeit des internationalen Gerichts. In sachlicher
Hinsicht gibt es diesbezüglich allerdings gewichtige Einschränkungen, die beispielsweise
das bislang im Rahmen des Statuts nicht definierte, völkergewohnheitsrechtlich
aber geltende Delikt des Angriffskrieges betreffen. Auch ist zu beachten,
dass in die Zuständigkeit des IStGH nur solche Delikte verwiesen sind, die entweder
in territorialer Hinsicht oder über die Staatsangehörigkeit des Täters oder Opfers
(passives bzw. aktives Personalitätsprinzip) mit einem Mitgliedstaat des Rom-Statutes
in Verbindung gebracht werden können. Die Zuständigkeit des IStGH zur Klärung
der Vorwürfe im Hinblick auf Abu Ghraib ist darum nicht begründbar. Die
USA sind bekanntlich nicht Mitglied des Rom-Statutes. Auch der Irak ist der Konvention
nicht beigetreten. Wenn Täter und Opfer also nicht die Staatsangehörigkeit
eines Mitgliedstaates haben und die Taten auf dem Territorium eines Nichtmitgliedstaates
begangen worden sind, besteht keine Möglichkeit der Zuständigkeitsbegründung
für den IStGH. Wegen dieser Limitierung in sachlicher und personaler
Hinsicht hatten bereits die Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal im sog.
Haftbefehl-Fall, den der Internationale Gerichtshof zwischen Belgien und Kongo
im Jahr 2002 zu entscheiden hatte, hervorgehoben, dass die nationalstaatlichen Gerichte
eine wichtige Ergänzung des IStGH darstellen.
Das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) ist gegenüber dem Strafgesetzbuch und dem
IStGH-Statutgesetz ein eigenständiges Regelungswerk. Es enthält einen Teil mit allgemeinen
Bestimmungen und einen besonderen Teil, in dem die tatbestandlichen
Voraussetzungen zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen
normiert werden. Für alle Verbrechen nach dem VStGB ist die Geltung
des Weltrechtsprinzips vorgesehen. § 1 des VStGB bestimmt diesbezüglich, dass das
Gesetz für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht gilt, auch dann,
wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.
Ausgehend von diesem Grundsatz obliegt es dem Generalbundesanwalt damit prinzipiell,
all die im VStGB aufgeführten Verbrechen gegen das Völkerrecht zu verfolgen,
soweit sie nach dem Inkrafttreten des Gesetzes begangen wurden.
Drittes Genfer Abkommen
vom 12. August 1949
Art. 129 Abs. 2
Jede Vertragspartei ist zur Ermittlung der
Personen verpflichtet, die der Begehung
oder der Erteilung eines Befehls zur
Begehung der einen oder andern dieser
schweren Verletzungen beschuldigt sind,
und hat sie ohne Rücksicht auf ihre
Staatsangehörigkeit vor ihre eigenen
Gerichte zu ziehen. [...]
Völkerstrafgesetzbuch (VStGB)
der Bundesrepublik
§ 1
Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten
Straftaten gegen das Völkerrecht, für
die in ihm bezeichneten Verbrechen auch
dann, wenn die Tat im Ausland begangen
wurde und keinen Bezug zum Inland
aufweist.
§ 4 Abs. 1
Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler
Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen
Untergebenen daran zu hindern, eine Tat
nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie
ein Täter der von dem Untergebenen
begangenen Tat bestraft. […]
§ 8 Abs. 1
Wer im Zusammenhang mit einem
internationalen oder nichtinternationalen
bewaffneten Konflikt [...] eine nach dem
humanitären Völkerrecht zu schützende
Person grausam oder unmenschlich
behandelt, indem er ihr erhebliche
körperliche oder seelische Schäden oder
Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder
verstümmelt, [...] wird in den Fällen […]
mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren
[...] bestraft.
§ 13 Abs. 1
Ein militärischer Befehlshaber, der es
vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, einen
Untergebenen, der seiner Befehlsgewalt
oder seiner tatsächlichen Kontrolle
untersteht, gehörig zu beaufsichtigen, wird
wegen Verletzung der Aufsichtspflicht
bestraft, wenn der Untergebene eine Tat
nach diesem Gesetz begeht, deren Bevorstehen
dem Befehlshaber erkennbar war
und die er hätte verhindern können.
§ 14 Abs. 1
Ein militärischer Befehlshaber oder ein
ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, eine
Tat nach diesem Gesetz, die ein Untergebener
begangen hat, unverzüglich der für die
Untersuchung oder Verfolgung solcher
Taten zuständigen Stelle zur Kenntnis zu
bringen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren bestraft.
Beschuldigte
Die Liste der in der Strafanzeige Beschuldigten liest sich wie ein 'Who is Who' des
nachrichtendienstlichen und militärischen Apparats der USA. Die Anzeige richtet
sich unter anderem gegen den Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten von
Amerika, Donald Rumsfeld; den ehemalige Direktor der Central Intelligence Agency
(CIA), George Tenet; den Generalleutnant Ricardo S. Sanchez, Kommandierender
General des 5. Corps (stationiert in Heidelberg); den Generalmajor Walter Wojdakowski,
5. Corps (Heidelberg); Brigadegeneralin Janis Karpinski, z.Zt. suspendierte
Kommandeurin der 800. Militärpolizeibrigade; den Oberstleutnant Jerry L. Philabaum,
früherer Kommandeur des 320. Militärpolizeibatallion der 800. Militärpolizeibrigade;
den Oberst Thomas Pappas, Kommandeur der 205. Militärnachrichtendienstbrigade
(Wiesbaden); den Oberstleutnant Stephen L. Jordan, 205. Militärnachrichtendienstbrigade
(Wiesbaden); Generalmajor Geoffrey Miller; Unterstaatssekretär für
Nachrichtendienste im US-Verteidigungsministerium Stephen Cambone. Abgesehen
von den konkret benannten Beschuldigten wird der Generalbundesanwalt, wenn es
zu Ermittlungen kommen wird, gegen alle weiteren auch in der Anzeige nicht genannten
Tatverdächtigen ermitteln müssen.
Klageerzwingungsverfahren
Das Klageerzwingungsverfahren ist in den §§ 172ff StPO geregelt. Es kann die Anklageerhebung
durch die Staatsanwaltschaft gerichtlich erzwingen. Das Verfahren
ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Staatsanwaltschaft aus Opportunitätsgründen
von der Verfolgung der Strafe absehen kann (§§ 153 bis 154c StPO). Allerdings
gilt dieser Ausschluss nicht, wenn die Staatsanwaltschaft in Überschreitung
ihrer Befugnis das Verfahren einstellt, d.h. wenn sie von einem Ermessen Gebrauch
macht, das ihr gar nicht eingeräumt ist (vgl. OLG Hamm MDR 1993, S. 460 ff.)
So liegen die Dinge hier. Denn wegen des gegebenen Inlandbezuges, der Anwesenheit
von Verdächtigen in der Bundesrepublik und der fehlenden umfassenden
Aburteilung des Tatkomplexes in den USA besteht für Opportunitätserwägungen
der Staatsanwaltschaft kein Raum.
Links
American Civil Liberties Union
Dokumentation zahlreicher Memoranden
und Direktiven der US-Administration im
Hinblick auf Guantánamo und Abu Ghraib
http://www.aclu.org/
Amnesty International
Memorandum "Universal Jurisdiction - the
duty of states to enact and enforce legislation"
(AI Index 53/002/2001)
http://web.amnesty.org
CAT-Committee against Torture
Ausschuss nach der Konvention gegen
Folter mit Dokumentation der Staatenberichte
und Stellungnahmen des
Ausschusses
http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf
Center for Constitutional Rights
Im Namen dieser NGO wurde die
Strafanzeige gegen Rumsfeld eingereicht;
Dokumentation der Strafanzeige
http://www.ccr-ny.org
Human Rights Watch
Dokumentation von Beiträgen der NGO
zum Thema internationale Gerechtigkeit
http://www.hrw.org
The Princeton Principles on Universal
Jurisdiction
Gemeinsame Erklärung des Princeton
University's Program in Law and Public
Affairs und anderer namhafter
internationaler Institutionen zum
Weltrechtsprinzip
http://www.law.uc.edu/morgan/newsdir/univjuris.html
Internationale Liga für Menschenrechte
Die NGO hat sich der Strafanzeige gegen
Rumsfeld angeschlossen
www.fidh.org/
Lawyers Against the War
Die NGO hat sich der Strafanzeige gegen
Rumsfeld angeschlossen
www.lawyersagainstthewar.org
Republikanischer Anwältinnen- und
Anwälteverein
Die NGO hat sich der Strafanzeige gegen
Rumsfeld angeschlossen
www.rav.de
Hier geht es zur Klageschrift gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
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