Sicherheitspolitik darf Menschenrechte nicht gefährden
amnesty international legt Jahresbericht 2002 vor. Pressemitteilung
Ende Mai legte amnesty international den Jahresbericht 2002 der Presse vor. Wir dokumentieren im Folgenden die zusammenfassende Pressemitteilung.
amnesty international dokumentiert Menschenrechtsverletzungen in 152 Ländern /Organisation kritisiert Aufweichung von Menschenrechtsstandards durch "Terrorismusbekämpfung" / Flüchtlingsschutz weiter ausgehöhlt / Deutschland: Menschenrechtsausbildung der Polizei verstärken /Neues Mandat verabschiedet: Arbeit auch zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten
Berlin, 28. Mai 2002 - Die Lage der Menschenrechte auf der Welt ist weiter ernst.
Der heute vorgestellte
Jahresbericht 2002 von amnesty international dokumentiert für das Jahr 2001
Menschenrechtsverletzungen in 152 Ländern. Im Jahr 2000 waren es 149 Staaten. Außergerichtliche
Hinrichtungen sind für 47 Länder belegt (2000: 61). Legale Hinrichtungen wurden aus 27 (28) Ländern
bekannt. In 111 (125) Staaten kam es zu staatlicher Folter und Misshandlungen. Das
"Verschwindenlassen" von Menschen ist für 35 (30) Länder belegt. Gewaltlose politische Gefangene
befinden sich in mindestens 56 (63) Ländern in Haft. Diese Zahlen spiegeln nur die selbst dokumentierten
Fälle wider. Die tatsächlichen Werte müssen deutlich höher veranschlagt werden.
Spürbar verringert hat sich das Gewicht der Menschenrechte in der internationalen Politik. Im Zuge der
"Terrorismusbekämpfung" nach den Attentaten vom 11. September 2001 beobachtet amnesty
international eine Aufweichung von Menschenrechtsstandards. Selbst demokratische Rechtsstaaten
handhaben Menschenrechte zunehmend selektiv. "Regierungen rund um den Globus halten es immer öfter
für legitim, im Namen der Sicherheit Menschenrechte zu verletzen oder zu beschneiden", sagt Barbara
Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion. Zu den Maßnahmen gehören die unbegrenzte
Verhaftung ohne Gerichtsurteil und auf geheimer Beweisführung beruhende Sondergerichte.
Zuständige Organe der Vereinten Nationen stemmen sich dieser Entwicklung nicht entgegen. Das
"Anti-Terror-Komitee" des Sicherheitsrats hat die Menschenrechte nicht in sein Mandat aufgenommen. Die
UN-Menschenrechtskommission konnte sich im April 2002 nicht auf ein klares Wort gegen die
Beschneidung der Menschenrechte einigen. "Menschenrechte sind nicht handelbar. Auch ein Terrorist
verliert seine Menschenrechte nicht. Es macht moderne Rechtsstaaten aus, dass sie diesen Grundsatz
respektieren", betont Barbara Lochbihler.
Besonders erschreckend ist amnesty international zufolge die Situation in Kolumbien und in Israel/den
Besetzten Gebieten. In Kolumbien hat die Anti-Terror-Rhetorik die Gewaltspirale beschleunigt.
Durchschnittlich 20 unbeteiligte Zivilisten sterben pro Tag in den Kämpfen von Regierungstruppen und
verbündeten Paramilitärs gegen bewaffnete oppositionelle Gruppen. Menschenrechtsverteidiger und
Gewerkschafter gehören zu den gefährdetsten Gruppen. Mit 153 ermordeten Gewerkschaftern führt
Kolumbien für das Jahr 2001 eine schaurige Tabelle an.
In Israel und den besetzten Gebieten hat die Krise zahlreiche Opfer gefordert. 460 Palästinenser und 187
Israelis wurden bei Kämpfen und Attentaten getötet, darunter zahlreiche Kinder. amnesty international hat
wiederholt die palästinensischen Selbstmordanschläge verurteilt. "Für Angriffe auf Zivilisten gibt es
niemals eine Rechtfertigung", erklärt Barbara Lochbihler. amnesty international fordert, internationale
Menschenrechtsbeobachter für die Region zuzulassen und ihnen eine ungehinderte Arbeit zu ermöglichen.
amnesty international kritisiert, dass im Berichtszeitraum der Stellenwert des Flüchtlingsschutzes weiter
gesunken ist. "Unter Asylpolitik verstehen viele Staaten zunehmend die Frage, wie sie Flüchtlinge davon
abhalten können, auf ihr Staatsgebiet zu flüchten", sagt Barbara Lochbihler. Von "Flüchtlingsströmen" sei
die Rede, statt sich um das Schicksal des oder der Einzelnen zu kümmern. 2001 jährte sich zum 50. Mal
die Verabschiedung der UN-Flüchtlingskonvention. Doch obwohl 141 Staaten ihr oder ihrem
Zusatzprotokoll beigetreten sind, so steht es um die Umsetzung der damit eingegangenen Verpflichtungen
vielerorts schlecht, kritisierte Barbara Lochbihler.
Zu Deutschland dokumentiert der Jahresbericht 2002 unter anderem Fälle von Misshandlungen und
Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Der Anti-Rassismus-Ausschuss der UN empfiehlt eindringlich, die
antirassistische Ausbildung bei der Polizei zu verbessern. Nicht nur der jüngste Kölner Fall deutet auf
einen allgemeinen Mangel im Menschenrechtsbewusstsein und auf entsprechenden Ausbildungsbedarf bei
der deutschen Polizei hin. Amnesty international fordert darüber hinaus die zügige Aufklärung noch
anhängiger und zukünftiger Fälle.
Im August 2001 reagierte amnesty international auf internationale Veränderungen mit einer
Mandatserweiterung. Zukünftig wird die Organisation nicht nur zu den zivilen und politischen Rechten
arbeiten, sondern sich mit all ihren bewährten Mitteln auch für die wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte einsetzen, wenn diese schwer wiegend verletzt werden. Die deutsche Sektion von
amnesty international hat auf ihrer Jahresversammlung am 20. Mai 2002 diese Mandatserweiterung in ihre
Satzung übernommen.
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