Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Digitale Unterwerfung

Googles Nachrichteninitiative

Von Thomas Wagner *

Was ist das Ziel von Google? Laut seiner Website ist der US-Konzern darum bemüht, »die Informationen der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen«.

Nun ist er auf diesem Weg offenbar einen großen Schritt weiter gekommen. War der Expansionsdrang des Monopolisten in Europa durch den juristischen Widerstand seiner Konkurrenten aus der Verlagsbranche gebremst worden, ist es Google mit einer Investition von 150 Millionen Euro jetzt gelungen, das fragile Zweckbündnis seiner Gegner zum Bröckeln zu bringen.

Das Geld fließt in die »Digital News Initiative«, eine Kooperation von Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, Guardian, Financial Times, El País, Les Echos, La Stampa und dem Verlag NRC Media. Außerdem sollen drei internationale Journalistenvereinigungen mit im Boot sein. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe will Google direkt mit Medienmachern sprechen. Google-Mitarbeiter in Hamburg, London und Paris sollen Weiterbildungsveranstaltungen für Journalisten anbieten. Die Initiative soll für weitere Medien offen sein, auch für Startups.

Überall dort, wo Google Widerstand erwartet, öffnet der Konzern seine Geldschatulle. Ein ähnliches Programm finanziert Google bereits in Frankreich. Dort stellte der Konzern 60 Millionen Euro bereit, die weiterhin ausgezahlt werden sollen. Als Brasilien nach Möglichkeiten suchte, der NSA-Überwachung durch den Bau einer eigenen Glasfaserringleitung zu begegnen, blätterte Google weitere 60 Millionen Dollar für den Bau einer Kabelverbindung nach Florida hin. In Deutschland unterstützt das Unternehmen die IT-Gründerszene und finanziert mit dem Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft einen großen Teil der betreffenden Forschung.

Evgeny Morozov hat darauf hingewiesen, worum es Google in Wirklichkeit geht. Nämlich darum, »alle Informationen der Welt in Geld zu verwandeln und sie profitabel zu machen«. Für die demokratische Öffentlichkeit ist das eine Katastrophe. Statt eine gute Plattform zu sein, um »Google die europäischen Interessen zu vermitteln«, wie Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser erklärte, dürfte sich die »Digital News Initiative« als weiterer transatlantischer Hebel zur Durchsetzung US-amerikanischer Profit- und Überwachungsinteressen entpuppen.

Man fühlt sich an eine Szene aus der Fernsehserie »Kir Royal« erinnert. Der geltungssüchtige Unternehmer Heinrich Haffenloher (Mario Adorf) will seinen Namen unbedingt in der Zeitung lesen. Er überzeugt den zögerlichen Klatschreporter Baby Zimmerlos (Franz Xaver Kroetz) mit den Worten: »Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Jeld, dass de keine ruhige Minute mehr hast. Und die Versuchung is so groß, da nimmst’s, und dann hab isch dich, dann jehörste mir. Und dann biste mein Knecht.«

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 29. April 2015


FAZ und ZEIT bekommen Millionen von Google

IT-Unternehmen will 150 Millionen Euro in europäische Medien investieren **

Paris. Der US-Internetriese Google und acht europäische Zeitungen, darunter »Die Zeit« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, starten am Dienstag eine Initiative zur Förderung von Qualitätsjournalismus mit modernen Technologien. Die sogenannte Digital News Initiative (DNI) wird nach Angaben von Google in den kommenden Jahren mit 150 Millionen Euro gefördert. Das Bündnis verfolgt demnach drei wesentliche Ziele: Produktentwicklung, Innovationsförderung und Rechercheförderung.

Der Initiative für digitale Nachrichten gehören neben »Zeit« und »FAZ« die britischen Zeitungen »Financial Times« und »The Guardian« und die französische Finanzzeitung »Les Echos« an. Auch »La Stampa« aus Italien, »El País« aus Spanien und die niederländische Mediengruppe NRC Media sind beteiligt. Weitere Medien könnten im Laufe der Zeit hinzustoßen. Ebenfalls beteiligt sind Institutionen wie das European Journalism Centre und der Branchenverband International News Media Association.

Google will mit der Initiative die Nutzung von Online-Medien und nicht zuletzt seiner Suchmaschine fördern. Vorreiter für die neue Initiative ist ein von Google finanzierter Fonds in Frankreich, der Anfang 2013 eingerichtet worden war. Google richtete einen 60 Millionen Euro schweren Fonds für die digitale Innovation der Presse ein, bei dem französische Online-Medienprojekte eine Finanzierung beantragen können. Das Projekt soll noch bis mindestens Ende des Jahres laufen.

Diese Partnerschaft war nach längerem Streit mit den Verlegern geschlossen worden. Die französischen Verleger hatten zuvor eine Abgabe für Suchmaschinen gefordert, die fällig werden sollte, wenn Internetnutzer etwa über die Google-Suchergebnisse auf einen online veröffentlichten Artikel zugreifen. Google hatte daraufhin in einem Brief an die französische Regierung gedroht, französische Medien nicht mehr in seinen Trefferlisten aufzuführen, sollte eine solche Abgabe eingeführt werden.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 28. April 2015


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