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Leben nach dem Krieg

Weltweit geht noch immer tödliche Gefahr von Millionen versteckter Landminen aus *

Künstliche Gliedmaßen sind keine Erfindung der Neuzeit – bereits vor 4000 Jahren nutzten die Ägypter aus Leder und Holz gefertigte Prothesen, um fehlende Finger oder Zehen zu ersetzen. Bessere Technik und medizinischer Fortschritt erlauben inzwischen immer mehr Menschen, mit Hilfe von Prothesen ein fast normales Leben zu führen. Die steigende Zahl der Kriege in den vergangenen Jahrhunderten und immer weiter entwickelte Waffen wie Landminen und Streubomben führten aber auch zu einem sprunghaften Anstieg schwer verletzter Menschen, die lebenslang medizinisch betreut werden müssen – laut dem Landminenbericht vom November 2013 leiden derzeit fast eine halbe Million Menschen weltweit an den Folgen von Unfällen mit Anti-Personen-Minen. Meist werden den Betroffenen Arme oder Beine abgerissen oder sie erleiden schwerste Gehörschäden bis hin zur Taubheit. Manche Minen detonieren bereits bei der Belastung mit einem Gewicht von nur fünf Kilogramm.

Eins der am schlimmsten von Landminen betroffenen Staaten ist Kambodscha. Das Land, in dem seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1953 über 30 Jahre lang bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Interessengruppen tobten, hat bis heute mit den Folgen dieser Kriege zu kämpfen. Allein die US-Luftwaffe warf während des Vietnam-Kriegs 2,8 Millionen Tonnen Bomben im Osten Kambodschas ab – ein Drittel davon ist nicht detoniert und stellt bis heute eine potenziell tödliche Gefahr für Holzsammler, Bauern und spielende Kinder dar.

Von 1979 bis Juli 2013 sind laut Angaben der Initiative www.landmine.de fast 20 000 Kambodschaner durch Landminen getötet und über 44 600 weitere verletzt worden. Die Prothesen, die mit Unterstützung von Hilfsorganisationen wie Handicap International oder UNICEF hergestellt werden, sind für die Ärmsten der Armen oft die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt weiter allein bestreiten zu können. Das deutsche Model Mario Galla ist selbst auf eine Prothese angewiesen und unterstützt Kampagnen gegen Landminen und Streumunition. Vor Kurzem lernte er auf einer Reise nach Kambodscha den Alltag der Opfer persönlich kennen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 28. Februar 2014


Tödliche Bedrohung im Boden

Die Gefahr durch Landminen ist längst nicht gebannt **

Vor 15 Jahren – am 1. März 1999 – trat das Ottawa-Abkommen zur Ächtung von Anti-Personen-Minen in Kraft. Es verbietet seinen Unterzeichnerstaaten die Herstellung und den Gebrauch dieser Waffen. Anti-Fahrzeug-Minen fallen jedoch nicht unter die Ächtung, und viele davon können auch von Personen ausgelöst werden.

Unter den Begriff Landminen fallen unterirdisch verlegte Waffen, die bei Kontakt mit Menschen (Anti-Personen-Minen) oder Fahrzeugen (AT/AV-Minen) explodieren. Als Streumunition können sie auch aus der Luft abgeworfen werden. Die Minen werden eingesetzt, um den Gegner am Vorankommen zu hindern oder seine Fahrzeugflotte zu dezimieren. Im Laufe der Zeit stieg die Bedeutung von Minen für Kampfhandlungen stark an: Im Ersten Weltkrieg wurden die ersten industriell hergestellten Minen eingesetzt. Im Zweiten Weltkrieg betrug die Fahrzeugverlustrate durch AT/AV-Minen der US-Armee nach Zahlen des »Deutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen« bereits 23 Prozent, im Korea-Krieg waren es 56 Prozent und im Vietnam-Krieg 70 Prozent.

Laut dem im November 2013 veröffentlichten Landminenbericht, der die Erfolge des Ottawa-Abkommens dokumentiert, besaßen die Staaten, die den Vertrag bisher nicht unterzeichnet haben Ende 2013 zusammen über 160 Millionen Anti-Personen-Minen. In China sollen es rund 110 Millionen, in Russland ca. 24,5 Millionen und in den USA etwa 10,4 Millionen sein. 2012 und 2013 setzten demnach zwei Regierungen (Syrien und Myanmar) und diverse nichtstaatliche Gruppen in Afghanistan, Kolumbien, Myanmar, Pakistan, Syrien, Thailand, Tunesien und Jemen Anti-Personen-Minen ein.

In mindestens 59 Ländern werden noch Landminen und andere nicht explodierte Sprengkörper vermutet. Am schlimmsten betroffen sind Afghanistan, Angola, Myanmar, Bosnien, Irak, Kambodscha, Kolumbien, Laos, Mosambik und Russland/Tschetschenien. Die inzwischen über 600 verschiedene Typen erschweren den Helfern die Räumung erheblich. Viele bestehen aus Plastik und sind deshalb kaum zu orten. Laut dem Landminenbericht kostet die Herstellung einer Anti-Personen-Mine ca. drei US-Dollar – die Räumkosten betragen dagegen zwischen 300 und 1000 Dollar. 3,1 Million Minen wurden allein von 2000 bis 2010 geräumt.

Die Zahl der Opfer sank in den vergangenen Jahren: 2012 wurden weltweit 3628 Unfälle gemeldet – 19 Prozent weniger als 2011. Handicap International schätzt die Dunkelziffer aber um ein Vielfaches höher. Fast die Hälfte der Opfer sind spielende Kinder. Viele überleben schwer verletzt – und brauchen lebenslang medizinische Hilfe. grg

** Aus: neues deutschland, Freitag, 28. Februar 2014


Zeig dein Bein. Hilf mit. Rette Leben.

Prominente machen sich stark für eine Welt ohne Minen und Streubomben.

(28.02.2014)

Mit einer Petition an Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordern Handicap International und der Solidaritätsdienst-international (SODI), dass sich der deutsche Außenminister mit aller Entschiedenheit für eine Welt ohne Minen und Streubomben einsetzt. Um ihren Forderungen besonderen Nachdruck zu verleihen, haben die beiden Hilfsorganisationen die Kampagne "Zeig dein Bein. Hilf mit. Rette Leben." ins Leben gerufen. Mit verschiedenen Aktionen machen sie vom 1. März bis 4. April auf die Gefahren durch Minen und Streumunition aufmerksam. Unterstützt werden sie dabei von Prominenten wie Schauspielerin Ulrike Folkerts, Sänger Sebastian Krumbiegel und Model Mario Galla, der selbst mit einer Prothese lebt.

In zahlreichen Ländern sind Unfälle mit Minen und Streubomben immer noch an der Tagesordnung. Besonders die Zivilbevölkerung leidet noch Jahrzehnte nach Kriegen und Konflikten unter den explosiven Gefahren. Neben Deutschland sind bereits 160 Länder dem Vertrag über ein Verbot von Anti-Personen-Minen beigetreten, der am 1. März vor genau 15 Jahren in Kraft trat. 84 Staaten, darunter Deutschland, haben das 2010 in Kraft getretene Verbot von Streumunition ratifiziert (Stand 2/2014). "Das ist jedoch nicht genug, denn wichtige Unterzeichner wie die USA fehlen noch immer", betont Sänger Sebastian Krumbiegel. Mit der Petition an Außenminister Frank-Walter Steinmeier fordern Handicap International und SODI dessen persönliches Engagement für einen Beitritt von Partnerstaaten wie den USA zu den beiden Verbotsverträgen. Die ebenfalls geforderte finanzielle Erhöhung des deutschen Beitrags im Bereich Kampfmittelräumung und Opferunterstützung würde ein deutliches Signal an Partnerstaaten senden. Ziel der Petition ist außerdem, dass die neue Regierung Investitionen deutscher Geldinstitute in die Produktion von Streubomben in anderen Ländern gesetzlich verbietet.

Die Kampagne "Zeig dein Bein. Hilf mit. Rette Leben." fordert nicht nur zahlreiche Prominente, sondern alle Menschen in Deutschland dazu auf, mit dem einfachen Symbol eines hochgeschlagenen Hosenbeins ein Zeichen gegen Landminen und Streubomben zu setzen. Zudem können Bürgerinnen und Bürger durch ihre Unterschrift unter die Petition auf www.zeigdeinbein.de den genannten Forderungen Nachdruck verleihen. Die gesammelten Unterschriften werden zusammen mit den Fotos der symbolischen Geste des hochgeschlagenen Hosenbeins, die auf der Kampagnenseite hochgeladen werden können, am Ende der Kampagne an den deutschen Außenminister übergeben. Höhepunkt und Abschluss der Kampagne ist der 4. April, der UN-Tag zur Aufklärung über die Minengefahr, mit einer öffentlichen Aktion vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Etwa 500.000 Menschen weltweit wurden durch Minen oder Streubomben an Armen und Beinen verstümmelt oder haben ihr Augenlicht verloren. Sie brauchen ihr Leben lang Unterstützung. Bereits seit vielen Jahren setzen sich Handicap International und SODI im Rahmen der internationalen Kampagnen für ein universelles Verbot von Landminen und Streumunition ein. Zudem helfen sie, in betroffenen Gebieten Kriegsfolgen zu beseitigen und unterstützen mit gezielten Projekten Opfer von Langzeitfolgen des Krieges. "Mit einer Behinderung zu leben muss kein Problem sein - wenn man die nötige Versorgung hat." Das weiß Model Mario Galla, der selbst mit einer Behinderung geboren wurde, aus eigener Erfahrung. "Ich wünsche mir, dass für die Versorgung der Opfer von Landminen und Streubomben mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden."

Eine Welt ohne Minen und Streubomben muss keine Illusion sein, das bekräftigt auch Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts: "Wenn sich immer mehr Menschen weltweit für dieses Ziel engagieren und die Politik es wirklich ernst meint, können wir eine Welt ohne Minen und Streubomben erreichen. Wir erwarten deshalb von der deutschen Regierung, dass sie auf allen Ebenen dazu beiträgt."

Weitere Informationen und Fotos zur Kampagne: www.zeigdeinbein.de

OTS: Handicap International newsroom: www.presseportal.de/pm/16206 newsroom via RSS: www.presseportal.de/rss/pm_16206.rss2
Kontakt: Dr. Eva Maria Fischer, Handicap International, 089/54 76 06 13, 0176/99 28 41 35 efischer@handicap-international.de - Dörte Gastmann, SODI, 030/920 90 93-17 d.gastmann@sodi.de

Kampagnenseite www.zeigdeinbein.de www.handicap-international.de, www.sodi.de, www.landmine.de

Quelle: Website der Landminen-Kampagne; 28.02.2014; http://www.landmine.de




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