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Regierungskoalition will "gefährliche Streumunition verbieten" - Opposition verlangt das Verbot jeglicher Streumunition

Die Unterschiede legen nicht nur in Nuancen - Die drei Anträge, die sich im Bundestag gegenüber standen, im Wortlaut

Im Folgenden dokumentieren wir die Anträge zum Thema "Streumunition", die am 28. September 2006 dem Deutschen Bundestag zur Abstimmung vorlagen. Die Koalitionsfraktionen hatte einen gemeinsamen Antrag (Antrag 1: BT-Drucksache 16/1995) eingebracht, der denn auch mehrheitlich abgestimmt wurde. Der Antrag von Bündnis90/Die Grünen (Antrag 2: BT-Drucksache 16/2749) wurde zur weiteren Beratung an diverse Ausschüsse überwiesen. Der Antrag der FDP-Fraktion (Antrag 3: BT-Drucksache 16/2780)wurde abgelehnt (für ihn hatte u.a. auch die Linksfraktion gestimmt, die selbst keinen Antrag eingebracht hatte).
Hier geht es zur Bundestagsdebatte über Streubomben.



Worum ging es bei den Anträgen im Bundestag?

Berlin: (hib/BOB) Die FDP fordert die Bundesregierung auf, Landminen und Streumunition aus den Beständen des Bundeswehr zu entfernen und zu entsorgen. Dies ist das Ziel eines Antrages (16/2780). Die Liberalen sind der Auffassung, um auf internationaler Ebene glaubwürdig für ein solches Verbot eintreten zu können, müsse Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen. Ferner müsse die Regierung einen Gesetzentwurf erarbeiten, der die Herstellung, den Besitz, die Erprobung, die Lizenzvergabe und den Export nicht nur für Anti-Personenminen, sondern für alle Landminen und für Streumunition verbietet. Experten zufolge würden jährlich schätzungsweise zwischen 15.000 und 20.000 Menschen Opfer von Landminen. Daneben blockierten Blindgänger und Minen rund 200.000 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Anbaufläche, Verkehrswege und Wohngebiete weltweit. Solange es Blindgänger beim Einsatz von Streumunition gebe, so die Liberalen, bestehe eine Gefahr für die Bevölkerung. Diese Art von Waffen müsse grundsätzlich als Instrument der Kriegsführung international geächtet werden. Die Bundesregierung fordert die FDP zusätzlich auf, den Einsatz von Minen- und Kampfmittelräumgerät in den betroffenen Ländern "signifikant" zu erhöhen.

Bündnis 90/Die Grünen haben dazu ebenfalls einen Antrag (16/2749) eingereicht. Sie begrüßen zwar, dass die Bundeswehr bislang keine Streumunition eingesetzt habe, auf Neubeschaffungen verzichte und nach Alternativen suche, um künftig vollständig auf Streumunition verzichten zu können. Die Regierung halte aber nach wie vor an der Option zum Einsatz von Streumunition fest. Ein Einsatz unterschiedslos wirkender Streumunition sei unter humanitären Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Er verursache großes Leid, behindere den Wiederaufbau und hemme die Entwicklung ganzer Regionen. Die Grünen fordern deshalb von der Regierung, das Parlament bei der Erarbeitung eines Gesetzes zum Verbot von Streumunition "nach Kräften" zu unterstützen. Die Regierung habe "unverzüglich" ein Moratorium in Kraft zu setzen, das den Einsatz und die Verwendung, Herstellung, Beschaffung, Modernisierung und Weiterverbreitung von Streumunition verbietet, bis eine gesetzliche oder international verpflichtende Regelung geschaffen ist.

Quelle: hib (heute im bundestag), 28. September 2006


Antrag 1:

Deutscher Bundestag
16. Wahlperiode

Drucksache 16/1995
28.06.2006

Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

Gefährliche Streumunition verbieten – Das humanitäre Völkerrecht weiterentwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Streumunition ist eine Munition, die Submunition mit Explosivstoff enthält, die mittels eines Trägers verbracht wird und die dazu bestimmt ist, ihre Wirkung in einem zuvor definierten Zielgebiet statistisch verteilt zu entfalten. Träger von Streumunition sind z. B. Geschosse, Raketen und Luftfahrzeuge. Merkmale von Streumunition sind die fehlende Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung und die i. d. R. nach dem Einsatz große Zahl für Personen gefährlicher Blindgänger. Der Begriff Streumunition umfasst keine Munition, die im direkten Richten ver- bracht wird, Leucht- und Nebelmunition, Suchzündermunition mit der Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung, Submunition ohne Explosivstoffe sowie Landminen.

Der Einsatz von Streumunition ist – genau wie der Einsatz anderer Waffen – Einschränkungen durch das humanitäre Völkerrecht unterworfen. Der Einsatz ge- gen die Zivilbevölkerung, zivile Siedlungsgebiete oder zivile Objekte ist verbo- ten. Insbesondere der Einsatz von Streumunition von einer für Personen gefährlichen Blindgängerrate von über 1 Prozent gefährdet Zivilsten auch über das Konfliktende hinaus und erschwert zusätzlich den Wiederaufbau von Wirtschaft und Infrastruktur. Spezielle völkerrechtliche Regeln zu technischen Spezifikationen oder zum Einsatz von Streumunition gibt es bislang jedoch nicht.

Bisher ist nur die Frage der Verantwortung für explosive Kampfmittelrückstände nach Konfliktende im Rahmen von Protokoll V zum VN-Waffenübereinkommen geregelt. Diese Regelungen stellen einen wichtigen Fortschritt dar, sind aber unzureichend. Eine umfassende Ächtung von Streumunition ist inter- national gegenwärtig nicht durchsetzbar. Bei für Zivilisten besonders gefährlicher Streumunition ist daher ein schrittweiser Ansatz notwendig, der darauf zielt, die Produktion und den Export von Streumunition, deren für Personen ge- fährliche Blindgängerrate über 1 Prozent liegt, zu verbieten. Vorrangiges Ziel muss zunächst sein, die Funktionszuverlässigkeit von Streumunition, die nach modernen Standards bei mindestens 99 Prozent liegen soll, sicher und nachprüfbar zu erreichen, um Blindgänger zu vermeiden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

1. dass die Bundesregierung im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens Verhandlungen über das Verbot besonders gefährlicher Streumunition unterstützt. In diesem Rahmen gilt es, Chancen, einen internationalen Konsens zu erreichen, zu nutzen, um weitere wichtige Schritte auf dem Weg einer entsprechenden Verbotsregelung von Streumunition zu gehen;

2. dass die Bundeswehr ab sofort auf die Einsatzoption für die Streumunitionsmodelle DM 602 und DM 612, die über eine für Personen gefährliche Blindgängerrate von über 1 Prozent verfügen, und die Einsatzoption von Streumunition durch das Waffensystem TORNADO nach Ende der Nutzung dieses Waffensystems verzichtet.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
  1. den Prozess der Ratifizierung des Protokolls V über explosive Kampfmittelrückstände durch weitere Staaten mit dem Ziel breitestmöglicher Anwendung und Geltung weiterhin aktiv zu unterstützen;
  2. sich weiterhin auf internationaler Ebene und insbesondere im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens für eine Regelung einzusetzen, die eine hohe Funktionszuverlässigkeit von Streumunition und gegebenenfalls eine Wirk- zeitbegrenzung dieser Waffen zum Ziel hat sowie völkerrechtliche Regeln über ihren Einsatz beinhaltet;
  3. sich darüber hinaus im Verbund mit Partnern und Verbündeten für ein umfassendes, völkerrechtlich verbindliches und nachprüfbares Verbot aller Streumunition, deren für Personen gefährliche Blindgängerrate über 1 Prozent liegt, einzusetzen;
  4. der deutschen Verhandlungsposition dadurch Glaubwürdigkeit und Nachdruck zu verleihen, dass die Bundeswehr umgehend, unter Berücksichtigung bündnispolitischer Verpflichtungen, solche Streumunition außer Dienst stellt, die eine Blindgängerquote von mehr als 1 Prozent hat oder die über keine Selbstzerstörungsmechanismen verfügt;
  5. für die Bundeswehr den Einsatz von Streumitteln nur dann vorzusehen, wenn geeignete alternative Munition nicht verfügbar ist;
  6. eine Neubeschaffung von Streumunition ab sofort nicht mehr vorzusehen;
  7. mittelfristig eine zunehmende Verlagerung des Schwerpunkts der Munition zur Bekämpfung von Flächenzielen weg von der Streumunition und hin zu alternativer Munition anzustreben und langfristig zu prüfen, inwiefern die dann doch noch vorhandene Streumunition insgesamt ersetzt werden kann;
  8. die Produktion und den Export von Streumunition, deren für Personen gefährliche Blindgängerrate über 1 Prozent liegt, zu verbieten. Dieses Produktionsverbot umfasst nicht die Plattform, von der die Streumunition verschossen wird;
  9. dem Deutschen Bundestag regelmäßig über ihre Anstrengungen zum Erreichen eines umfassenden Verbots von Streumunition zu berichten;
  10. weiterhin national und im Rahmen internationaler Organisationen wie der Europäischen Union und den Vereinten Nationen einschlägige humanitäre Projekte, auch in den Bereichen der Prävention und der Opferfürsorge, zu unterstützen.
Berlin, den 28. Juni 2006
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion Dr. Peter Struck und Fraktion

Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/019/1601995.pdf

Antrag 2:

Deutscher Bundestag
16. Wahlperiode

Drucksache 16/2749
27.09.2006

Antrag
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Britta Haßelmann, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Renate Künast, Fritz Kuhn, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Josef Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zivilbevölkerung wirksamer schützen - Streumunition ächten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
  1. Die Bundesregierung hält nach wie vor an der Option zum Einsatz von Streumunition fest und hält hierzu Millionen von Streumunitionen bereit. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundeswehr bislang keine Streumunition eingesetzt hat, auf Neubeschaffungen verzichtet und nach Alternativen sucht, um künftig vollständig auf Streumunition verzichten zu können.

    Der Deutsche Bundestag tritt für ein sofortiges Moratorium für den Einsatz, die Verwendung, Herstellung, Beschaffung, Modernisierung und Weiterverbreitung von Streumunition ein. Er befürwortet eine möglichst rasche Ächtung und Beseitigung jeglicher Streumunition. Der Deutsche Bundestag ist bereit, dem Beispiel Belgiens zu folgen, und in dieser Legislaturperiode ein Gesetz für ein vollständiges Verbot von Streumunition zu erarbeiten.
  2. Ein Einsatz unterschiedslos wirkender Streumunition ist unter humanitären Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Er verursacht großes Leid, bedroht den Wiederaufbau und hemmt die Entwicklung ganzer Regionen. Der Einsatz von Streumunition stellt regelmäßig die Rechtmäßigkeit und Legitimation des Streitkräfteeinsatzes insgesamt in Frage. Zahlreiche Staaten sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hinsichtlich des Einsatzes von Streumunition ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht nicht nachgekommen. Sie neigten z.T. wiederholt dazu, im Ernstfall den nach dem humanitären Völkerrecht gebotenen Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastrukturen aus militärischen Beweggründen nachrangig zu bewerten und damit den Tod und die Verwundung von Zivilisten in Kauf zu nehmen. Der Einsatz von Streumunition läuft damit in der Praxis regelmäßig den Prinzipien des humanitären Kriegsvölkerrechts zuwider. Dass diese Vergehen in der Regel nicht sanktioniert werden, höhlt das Völkerrecht aus.

  3. Streubomben und Streumunition gehören - wie die in der Ottawa-Konvention geächteten Antipersonenminen - zu den unterschiedslos wirkenden Waffen. Wegen der weiträumigen Verteilung, der hohen Stückzahl und des hohen Prozentsatzes nicht explodierter Sprengkörper stellen sie nach der Kampfhandlung für die Zivilbevölkerung eine tödliche Gefahr dar. Auch technisch verbesserte Streumunition, die mit 99-prozentiger Sicherheit explodieren oder sich nach einer gewissen Zeit selbst entschärfen soll, ist hochgefährlich. Nicht explodierte Streumunition kann jederzeit explodieren oder unbeabsichtigt ausgelöst werden. Sie hat eine psychisch wie physisch mindestens ebenso verheerende Wirkung wie Antipersonenminen. Noch heute gefährden elektronische Vorab-Fassung* Millionen nicht explodierter Minen und Streumunitionen die Bevölkerung, den Wiederaufbau und die Entwicklung der betroffenen Kriegsregionen. Tausende von Zivilisten, Kampfmittelräumer oder Wiederaufbauhelfer kamen nach dem Ende des Kalten Krieges durch Streumunition ums Leben oder wurden verletzt.

  4. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass sich die Bundesregierung im Rahmen des VNWaffenübereinkommens (CCW) seit Jahren mit eigenen Vorschlägen dafür eingesetzt hat, dass die mit dem Einsatz von Streumunition verbundenen Probleme auf der rüstungskontrollpolitischen Tagesordnung der CCW verbleiben. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens zu substanziellen Fortschritten zu kommen, die deutlich über den Status Quo hinausgehen und eine vollständige Ächtung der Waffen wahrscheinlicher machen.

    Der Deutsche Bundestag begrüßt ferner, dass die Bundeswehr in den vergangenen Jahren den Bestand an Streumunition reduziert und erklärt hat, künftig keine neue Streumunition zu beschaffen. Der Deutsche Bundestag misst der schnellstmöglichen und umfassenden Beseitigung von Streumunition aus den Beständen der Bundeswehr große Bedeutung bei.

  5. Der Deutsche Bundestag begrüßt und unterstützt den Beschluss des Europaparlaments für ein sofortiges Moratorium in Bezug auf die Verwendung, Lagerung, Herstellung, Verbringung und Ausfuhr von Streumunition. Es ist erfreulich, dass immer mehr Staaten und gesellschaftliche Gruppen bereit sind, sich der Forderung nach einem Moratorium oder einer restriktiveren Streumunitionspolitik anzuschließen. So appellierten z. B. Anfang September 2006 Österreich, Irland, Mexiko, Neuseeland und der Vatikan für eine Ächtung von Streumunition.

    Mit dem Anfang 2006 vom belgischen Parlament verabschiedeten Gesetz zum Verbot von Streumunition hat erstmals ein Land ein gesetzliches Streumunitionsverbot erlassen. Streumunition gehört damit in Belgien zu den Waffen, die weder hergestellt, verkauft, transportiert, gelagert, in Besitz gehalten oder eingesetzt werden dürfen. Der Deutsche Bundestag sieht in dem belgischen Vorgehen ein ermutigendes Beispiel, durch nationale parlamentarische Schritte zu einem internationalen Verbot beizutragen. Eine Ächtung jeglicher Streumunition in mehreren Staaten erhöht die Aussicht, zu einer breiten internationalen Ächtung, ggf. auch außerhalb der VN-Waffenkonvention, zu kommen.
II. Der Deutsche Bundestag erklärt,
  1. schnellstmöglich, spätestens jedoch bis Ende 2007, einen fraktionsübergreifend erarbeiteten, parlamentarischen Gesetzentwurf zum Verbot der Herstellung, Lagerung, Weiterverbreitung und des Einsatzes von Streumunition in den Deutschen Bundestag einzubringen und vor Ende dieser Legislaturperiode zu verabschieden,
  2. keinem Einsatz zuzustimmen, bei dem von Seiten der Bundeswehr oder der Bündnispartner ein Einsatz von Streumunition in Erwägung gezogen wird,
  3. keine weiteren Finanzmittel zur Beschaffung oder Modernisierung von Streumunition bereitzustellen,
  4. der Ausmusterung und Vernichtung von Streumunition aus dem Bestand der Bundeswehr eine vorrangige Bedeutung beizumessen und dafür Sorge zu tragen, dass hierfür durch Umschichtungen im Einzelplan 14 hinreichend finanzielle Vorsorge getroffen wird,
  5. der Beseitigung von den explosiven Hinterlassenschaften des Krieges, zu denen neben den Minen auch nicht explodierte Streumunition gehören, besondere Bedeutung beizumessen, und im Zuge der Haushaltsberatungen die Mittel zur humanitären Minenräumung auf das Niveau von 2005 anzuheben,
  6. im Rahmen internationaler Parlamentskontakte für ein Moratorium des Einsatzes und eine Ächtung von Streumunition zu werben.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
  1. den Deutschen Bundestag bei der Umsetzung dieses Beschlusses, insbesondere bei der Erarbeitung eines Gesetzes zum Verbot von Streumunition nach Kräften zu unterstützen,
  2. unverzüglich und so lange ein Moratorium für den Einsatz, die Verwendung, Herstellung, Beschaffung, Modernisierung und Weiterverbreitung von Streumunition, einschließlich von Munitionsteilen, in Kraft zu setzen, bis eine gesetzliche oder international verpflichtende Regelung geschaffen ist, die Streumunition verbietet,
  3. unverzüglich jegliche Streumunition, beginnend mit jenen Streumunitionstypen, welche nicht über Selbstzerstörungsmechanismen oder eine zuverlässig nachgewiesene Blindgängerquote von maximal 1 % verfügen, aus dem Bestand der Bundeswehr zu entfernen und schnellstmöglich – spätestens jedoch bis 2012 - zu vernichten,
  4. sich weiterhin im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens für eine Regelung einzusetzen, die im Interesse der Zivilbevölkerung die humanitären Probleme eines Streumunitionseinsatzes deutlich und wirksam minimiert und zu einer Ächtung von Streumunition und einem signifikanten Abbau der Streumunitionsbestände beiträgt,
  5. sich in der EU und anderen Foren wie den VN, der G8, OSZE oder NATO für ein sofortiges Moratorium und für ein umfassendes, völkerrechtlich verbindliches und nachprüfbares Verbot aller Streumunition einzusetzen und diesbezügliche Vorschläge und Initiativen zu unterstützen,
  6. sich gemeinsam mit Partnern dafür einzusetzen, dass innerhalb der NATO und EU aber auch im Rahmen internationaler Friedenseinsätze, einheitliche, völkerrechtskonforme und möglichst hohe Standards für die Anwendung militärischer Gewalt vereinbart werden, die die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes und den Schutz von Zivilisten und ziviler Infrastrukturen gewährleisten,
  7. sich dafür einzusetzen, dass künftig jeglicher Einsatz von Streumunition auf die Vereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht und die Folgen für die Zivilbevölkerung untersucht wird und Rechtsverstöße verfolgt und sanktioniert werden,
  8. für eine Ratifizierung und eine Weiterentwicklung des V. Protokolls zum VNWaffenübereinkommen zu werben und dafür zu sorgen, dass Staaten, die Streumunition eingesetzt haben, den darin enthaltenen Verpflichtung zur Beseitigung der Kampfmittelrückstände auch nachkommen,
  9. die einschneidenden Haushaltskürzungen im Bereich der Humanitären Hilfe und Humanitären Minenräumung wieder rückgängig zu machen und damit verstärkt andere Nationen bei der Opferhilfe sowie bei der Räumung nicht explodierter Kampfmittelrückstände und der Vernichtung von Streumunition zu unterstützen,
  10. dem Deutschen Bundestag fortlaufend über die Umsetzung dieses Beschlusses und aktuelle Entwicklungen zu unterrichten.
Berlin, den 27. September 2006
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

(Zur inhaltsreichen Begründung dieses Antrags siehe die elektronische Fassung (pdf-Datei):
http://dip.bundestag.de/btd/16/027/1602749.pdf


Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/027/1602749.pdf

Antrag 3:

Deutscher Bundestag
16. Wahlperiode

Drucksache 16/2780
27.09.2006

Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Harald Leibrecht, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Dr. Heinrich Leonhard Kolb, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Für die Ächtung von Landminen und Streumunition

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Laut der „International Campaign to Ban Landmines“ werden jährlich schätzungsweise zwischen 15.000-20.000 Menschen Opfer von Landminen. Daneben blockieren Blindgänger und Minen laut dem Aktionsbündnis Landmine.de rund 200.000 Quadratkilometer an landwirtschaftlicher Anbaufläche, Verkehrswegen und Wohngebieten weltweit und verhindern so, dass nach dem Ende von Konflikten das Leben wieder beginnen kann.

Seit Unterzeichnung der Konvention über das Verbot von Antipersonenminen 1997 in Ottawa, die von der Bundesregierung und ihrem Außenminister Dr. Klaus Kinkel maßgeblich mitgestaltet wurde, sind deshalb zwei weitere Munitionsarten wegen ihrer gefährlichen Langzeitfolgen ins Zentrum weitergehender Rüstungskontrollbemühungen gerückt. Nicht explodierte Streumunition und Minen sind auch nach der Beendigung von Konflikten eine unkalkulierbare Gefahr und werden zu einer Geißel für die dort lebende Bevölkerung.

In den letzten Jahren ist die Belastung durch nicht explodierte Streumunition, die als Blindgänger Menschen gefährdet, stark gewachsen. Streumunition zeichnet sich dadurch aus, dass sie in großen Mengen verschossen wird und sich selbst bei einer numerisch geringen Blindgängerquote eine zahlenmäßig hohe Belastung durch Blindgänger ergibt. Solange es Blindgängermunition beim Einsatz von Streumunition gibt, besteht eine Gefahr für die Bevölkerung. Laut dem Aktionsbündnis Landmine.de verfügt allein Deutschland derzeit über ca. 30 Millionen mit Streumunition einsetzbarer Submunitionen und Bomblets verschiedener Bauart und technischer Qualität. Darüber hinaus verbleiben auch nach der Abschaffung von Anti-Personenminen zahlreiche Anti-Fahrzeug- und Panzerabwehrminen im Bestand der Bundeswehr und anderer Armeen, die potentiell eine tödliche Gefahr auch für zivile Fahrzeuge darstellen.

Um dieser Gefährdung der Bevölkerung entgegenzuwirken, müssen Landminen und Streumunition grundsätzlich als Instrument der Kriegsführung international geächtet werden. Da es derzeit auf internationaler Ebene noch erheblichen Widerstand gegen ein solch umfassendes Verbot gibt, ist ein multilaterales Vorgehen nach dem Vorbild der Diplomatie zu wählen, welche zum Abschluss der Ottawa-Konvention über das Verbot von Anti-Personenminen führte.

Um auf internationaler Ebene glaubwürdig für ein Verbot von Landminen und Streumunition eintreten zu können, muss Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen und selber auf alle Waffen dieser Art verzichten. Ferner ist unerlässlich, dass sich Deutschland an der Verbreitung solcher Waffen im Ausland nicht beteiligt. Wie im Falle der Ottawa-Konvention über das Verbot von Anti- Personenminen muss Deutschland eine führende Rolle im Verhandlungsprozess für eine mögliche „Ottawa-II-Konvention“ zum Verbot aller Landminen und Streumunition einnehmen und dabei mit gutem Beispiel voran gehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
  1. Landminen und Streumunition aus den Beständen der Bundeswehr zu entfernen und zu entsorgen;
  2. einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der die Herstellung, den Besitz, die Erprobung, die Lizenzvergabe und den Export nicht nur für Anti-Personenminen, sondern für alle Landminen und für Streumunition verbietet. Dieses Verbot muss alle Minenverlegesysteme, Minenwurfsysteme, Streumunitionsausbringungsbehältnisse (Geschosse, Raketen, Bomben, Ausstoßkanister) sowie Bauteile und Komponenten für Minen, Streumunition, Minenverlegesysteme, Minenwurfsysteme, und Streumunitionsausbringungsbehältnisse einschließen. Ferner muss dieses Verbot die Weitergabe des technischen Know-Hows zum Bau von Landminen, Streumunition, Minenverlegesystemen, Minenwurfsystemen, Streumunitionsausbringungsbehältnissen und der entsprechenden Bauteile und Komponenten umfassen.
  3. international auf Regelungen zur Ächtung aller Landminen und Streumunition, etwa im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens, zu drängen;
  4. verstärkt auf alle Länder einzuwirken, die das Anti-Personenminen-Abkommen von Ottawa noch nicht ratifiziert haben, der Ächtung dieser Minen endlich zuzustimmen;
  5. den Einsatz von Minen- und Kampfmittelräumgerät in minen- und blindgängerverseuchten Ländern signifikant zu erhöhen und entsprechende Projekte finanziell weiterhin und verstärkt zu fördern.
Berlin, den 26. September 2006
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Quelle: http://dip.bundestag.de/btd/16/027/1602780.pdf


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