Landminen ächten
Gipfeltreffen der Unterzeichnerstaaten des Ottawa-Abkommens in Phnom Penh
Von Thomas Berger *
Das 11. Gipfeltreffen der Unterzeichnerstaaten des sogenannten Ottawa-Abkommens über ein Verbot von Antipersonenminen begann am Dienstag in Phnom Penh. Es ist ein deutliches Signal, daß das Treffen in Kambodschas Hauptstadt stattfindet. Schließlich gehört das südostasiatische Land zu jener Handvoll Staaten, in denen noch die meisten Minen liegen und die Zahl von Verletzten und Getöteten am höchsten ist. Größere Anstrengungen der internationalen Gesellschaft, mehr praktische Schritte und damit die Perspektive, »unseren Traum einer minenfreien Welt noch in unserer Lebenszeit wahr werden zu lassen«, wünschte sich die 28jährige Song Kosal in ihrer Begrüßungsrede vor den Delegierten aus mehr als 100 Staaten.
Nach ihrem eigenen Unfall sei es nicht leicht für sie gewesen zu akzeptieren, daß sie nach dem Verlust eines Beines nicht wie die anderen Kinder spielen, rennen und herumtollen konnte, sagte die junge Frau in einem Interview. Doch schon 1995, gerade einmal elfjährig, reiste sie zu einer UN-Konferenz nach Wien, um sich für das Verbot von Landminen einzusetzen. Damals blieben die Mahnungen noch ohne konkrete Ergebnisse, doch zwei Jahre später bekannten sich immerhin die Vertreter von 122 Nationen mit einem wegweisenden Abkommen zu diesem Ziel. Inzwischen ist die Zahl der Unterzeichnerstaaten auf 158 angewachsen: Südsudan, gerade erst seit einem knappen halben Jahr unabhängig, hat sich Anfang des Monats eingereiht, und auch das finnische Parlament bekannte sich vergangenen Freitag auf Antrag der Regierung dazu, dem Vertragswerk zum Jahreswechsel beizutreten. Polen als damit einzig verbliebenes europäisches Land, das noch nicht dazugehört, könnte ebenfalls 2012 folgen.
Kosal ist eine von 270 Aktivisten aus 61 Staaten, die bei der Konferenz in Phnom Penh den Druck aufrechterhalten und weiter intensivieren wollen. Viele von ihnen sind selbst Überlebende. Daß sich durchaus etwas getan hat in den zurückliegenden Jahren, erkennen sie an, aber die Fortschritte reichen nicht nur diesen Opfern von Minenexplosionen längst nicht aus. Kambodscha als Gastgeberland ist auch in dieser Hinsicht eines der besten Beispiele: Zehn Jahre beträgt normalerweise die Frist nach dem Beitritt zum Abkommen, das eigene Land minenfrei zu machen. 2009 hätte dies erfolgen müssen, doch auf Antrag der Regierung und mit Blick auf die Realitäten wurden Kambodscha weitere zehn Jahre gewährt. Bis 2020, betonte noch einmal Premier Hun Sen bei der Konferenz, wolle man es nun tatsächlich schaffen. Die Herausforderung ist groß, nach wie vor lagern gerade im Grenzgebiet zu Thailand unzählige dieser oft gerade für Kinder tödlichen Fallen im Boden. Die Räumung der Hinterlassenschaften aus dem Bürgerkrieg geht langsamer voran als erhofft. Ein Alarmsignal dabei ist, daß die internationalen Unterstützungszahlungen rückläufig sind. Denn weniger Geld bedeutet weniger Beräumungsteams und damit auch mehr Minen. Kambodscha, das in seinem Staatshaushalt insgesamt stark von ausländischer Finanzhilfe lebt, kann die Ausfälle allein nicht kompensieren.
Ernüchterung hinsichtlich bisheriger Ergebnisse gibt es auch andernorts auf dem Erdball. Algerien, Chile, die Republik Kongo, Eritrea und die Demokratische Republik Kongo haben bereits deutlich gemacht, daß sie ebenfalls nicht in der Lage sein werden, die Zehn-Jahres-Frist zur Räumung einzuhalten. Von ihnen liegen Anträge auf eine Verlängerung der Zeitspanne vor. Zudem muß sich die Konferenz damit auseinandersetzen, daß gleichfalls entgegen den Bestimmungen des Vertrages Belarus, die Ukraine, Griechenland und die Türkei binnen vier Jahren noch nicht ihre Lagerbestände an Landminen zerstört haben. Und im Falle von Israel, Myanmar, Libyen und einigen anderen Ländern gibt es sogar alarmierende Meldungen über den neuen Einsatz dieser perfiden Waffen, deren Opfer in allererster Linie Zivilisten, vor allem Kinder sind. Schon unter den Mitgliedsstaaten bleibt manches hinter den selbstgesteckten Zielen und Anforderungen zurück. Doch 38 Länder, darunter China und die USA, sind dem Abkommen bis heute nicht einmal beigetreten. Daß auch sie Vertreter nach Phnom Penh entsandt haben, mag ein winziger Hoffnungsschimmer sein, heißt aber längst nicht, daß sich an dieser Weigerung in nächster Zeit etwas ändert.
* Aus: junge Welt, 30. November 2011
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