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Wehrmachtsdeserteure werden pauschal gesetzlich rehabilitiert

Der Deutsche Bundestag berät und beschließt ein entsprechendes Gesetz am 17. Mai 2002

Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.
15. Mai 2002
Mitteilung für die Presse

Der Deutsche Bundestag wird am Freitag, den 17. Mai 2002 - voraussichtlich nachmittags in der Zeit von ca. 17.10 h bis 17.50 h -, in 2. und 3. Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des NS-Unrechts-Aufhebungsgesetzes (BT-Drucksache 14/8276 v. 20.02.2002) beraten. Damit werden die gegen Deserteure der Wehrmacht verhängten Urteile der NS-Militärjustiz endlich gesetzlich aufgehoben. Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung, nimmt dazu Stellung:

Wir können es noch nicht glauben, denn bislang wurde uns die pauschale Aufhebung der gegen uns verhängten Urteile stets verweigert, obwohl an unseren Opfern die blutigste juristische Verfolgung der deutschen Geschichte verbrochen wurde: Von den 48.00 Todesurteilen der gesamten NS-Justiz wurden allein über 30.000 Todesurteile gegen unsere Opfer verhängt. Keiner der Kriegsrichter wurde je bestraft - im Gegenteil, sie stiegen auf bis zu Bundesrichtern und haben so die Aufhebung unserer Urteile - und damit ihre eigene Strafverfolgung - stets verhindern können. Erst als sie kein "Recht" mehr sprechen konnten, stellte der Bundes-gerichtshof (5. Strafsenat) in seinem Urteil vom 16. November 1995 fest, dass der Bundesgerichtshof seinerzeit jedwede Anklage gegen diese "Blutrichter" erstickt habe und sie sich "wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen hätten verantworten müssen".

Am 15. Mai 1997 erklärte der Deutsche Bundestag in seinem Beschluss zur Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure, Wehrkraftzersetzer und Kriegsdienstverweigerer: "Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen." Dennoch hat es die Regierung Kohl verhindern können, dass unsere Verurteilungen 1998 zusammen mit den anderen NS-Unrechtsurteilen aufgehoben wurden, obwohl der Gesetzentwurf des damaligen Bundesjustizministers Prof. Dr. Schmidt-Jortzig (FDP) das explizit forderte: Am 27. Mai 1998 wurde auf Betreiben der CDU/CSU-Fraktion nur die Aufhebung unserer Urteile aus dem Gesetzentwurf gestrichen und am 28. Mai 2002 wurde das Gesetz zur Aufhebung der NS-Unrechtsurteile in 3. Lesung vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Mit ihm wurden Millionen NS-Unrechtsurteile aufgehoben - schwere Verurteilungen und Bagatellfälle - nicht aber die schwersten Verurteilungen, verhängt gegen die Verweigerer aus Hitlers Krieg. Damit wurde schweres Unrecht erneut festgeschrieben.

In die Freude über die Aufhebung unserer Urteile mischt sich auch Trauer und Zorn, denn kaum eines unserer Opfer erlebt die Aufhebung seines Urteils noch. Die wenigen, welche Todeszelle, KZ und Strafbataillon überlebten, sind 57 Jahre lang gedemütigt und vorbestraft verstorben.

gez. Ludwig Baumann


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