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Sie blieben, was sie waren

Hitlers williger Vollstrecker – Erich Koch, Gauleiter von Ostpreußen

Von Daniela Fuchs-Frotscher *

Er gehörte zu Hitlers willigen Vollstreckern – der aus dem Rheinland stammende Erich Koch. Schon ab 1928 nannte er sich Gauleiter von Ostpreußen. Ab 1933 herrschte er dort offiziell brutal und skrupellos und zwischen 1941 und 1944 ebenso als Reichskommissar in der Ukraine. Zeitweilig erstreckte sich das von ihm verwaltete und unterdrückte Territorium von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Kochs Werden und Wachsen ist eng mit der Geschichte der NS-Bewegung verbunden, dessen feste Größe er von den Anfängen bis zum Untergang war. Bis er 90-jährig im Gefängnis Barczewo in Polen starb (1986), hatte er keine Reue gezeigt. »Wir blieben, was wir waren, Wir ändern uns nicht.« Dieses erschreckende Credo zeigt ein Gedicht, das er in seiner lebenslangen Haft verfasst hatte.

Armin Fuhrer und Heinz Schön zeichnen das Bild eines Mannes, dem es nicht gelang, nach den Erfahrungen als Frontsoldat des Ersten Weltkrieges in ein ziviles humanes Leben zurückzukehren und der im Nazi-System seine Lebenschance sah. Dafür warf er frühere gemäßigtere Überzeugungen über Bord. Koch marodierte zunächst als Freikorpssoldat in Oberschlesien und wurde einer der Getreuen von Albert Leo Schlageter, der wegen Sabotageakten gegen die französischen Besatzer im Ruhrgebiet 1923 hingerichtet wurde. Noch vor dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 baute er sich in Ostpreußen eine Hausmacht auf. Die Verwaltung wurde gleichgeschaltet und jeglicher Widerstand gnadenlos bekämpft. Koch war ein Machtmensch, der den Luxus und die Prunksucht liebte. Die von ihm gegründete Erich-Koch-Stiftung diente allein seiner persönlichen Bereicherung und nur er hatte dort das Sagen.

Während des Krieges wurden polnische Gebiete an Ostpreußen angeschlossen, der Bezirk Bialystok ab 1941 von ihm kontrolliert. Später nach dem Überfall auf die Sowjetunion handelte er als Reichskommissar der Ukraine getreu seiner Maxime. »Eine Ukraine gibt es nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir das Herrenvolk sind.« Koch war verantwortlich für Kriegsverbrechen, an der Ermordung von Polen und Ukrainern und an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, ebenso an der Verschleppung zur Zwangsarbeit und an der wirtschaftlichen Ausplünderung in den besetzten Gebieten. Auch der massive Raub von Kunstschätzen geht auf sein Konto.

Die Biografie bietet auch ein Stück Nachkriegsgeschichte. Koch konnte nach seiner Flucht aus Ostpreußen, die im Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung komfortabel auf einem persönlich reservierten Eisbrecher gelang, zunächst unter falschem Namen bei Hamburg untertauchen. 1949 wurde er als gesuchter Kriegsverbrecher erkannt. Auch wenn der Kalte Krieg bereits begonnen hatte, klappte im Falle Koch die Zusammenarbeit der ehemaligen Verbündeten. Im Januar 1950 wurde er mit Hilfe der britischen Besatzungsmacht an Polen ausgeliefert. Der Prozess gegen ihn in Warschau begann erst nach neun Jahren. Er wurde zum Tode wegen seiner Verbrechen auf polnischem Gebiet verurteilt, aber nicht wie seine Gauleiter-Kameraden Forster und Greiser hingerichtet. Die Umwandlung des Urteils in lebenslange Haft mag nicht nur seiner instabilen Gesundheit geschuldet gewesen sein, sondern mit dem vermuteten Wissen Kochs um den Verbleib des Bernsteinzimmers zusammenhängen. Interessant wäre sicherlich die Durchsicht der Akten in polnischen Archiven und im Institut für Nationales Gedenken in Warschau.

Eine seltsame Begebenheit während des historischen Besuchs Willy Brandts im Dezember 1970 in Polen überliefert Egon Bahr in seinen Erinnerungen. Dort sei die deutsche Delegation gefragt worden, ob sie Erich Koch haben wolle. Ob dieses Angebot ernst gemeint war, sei dahin gestellt. Die Antwort jedoch war verneinendes Kopfschütteln. Und das war gut so.

Armin Fuhrer/Heinz Schön: Erich Koch. Hitlers brauner Zar. Gauleiter von Ostpreußen und Reichskommissar der Ukraine. Olzog Verlag, München. 248 S., geb., 24,90 €.

* Aus: Neues Deutschland, 2. September 2010


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