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Klimaschutzdeckel für Kohlekraftwerke

CO2-Emissionen sollen in den USA um 30 Prozent reduziert werden – Wirtschaft will die Pläne verhindern

Von John Dyer, Boston *

Die US-Umweltschutzbehörde will gegen Treibhausgase vorgehen. Betroffen wären in erster Linie Kohlekraftwerke, vielen droht das Aus.

Barack Obama will die CO2-Emissionen in den USA drastisch reduzieren. Der Ausstoß soll bis 2030 um 30 Prozent verringert werden, verglichen mit dem Stand von 2005. »Bis jetzt gibt es überhaupt keine Grenzwerte darüber, wie viel Kohlenstoff von Kraftwerken in die Luft ausgestoßen werden kann, die wir atmen«, hatte der US-Präsident am Samstag in einer Radio- und Internetbotschaft erklärt. Von Obamas Maßnahmen sind in erster Linie die rund 600 Kohlekraftwerke des Landes betroffen, die 40 Prozent der CO2-Emissionen verursachen.

Die US-Umweltschutzbehörde EPA soll jeden Bundesstaat auffordern, Zielwerte für die Emissionsreduktion festzulegen. In diesem Rahmen dürfen Staaten Kohlekraftwerke schließen, deren Betreiber auffordern, auf Erdgas umzurüsten, oder sie dazu drängen, die CO2-Emissionen mit Hilfe technischer Maßnahmen zu reduzieren. Die Behörde will damit indirekt Solar- und Windkraftanlagen fördern sowie Anreize für den Ausbau des stark beanspruchten Stromnetzes schaffen. Zudem sollen die Verbraucher dazu gebracht werden, Strom zu sparen. Auch sollen Bundesstaaten einen Emissionshandel etablieren dürfen, wie er etwa von Kalifornien bereits eingeführt worden ist.

Verbände und Unternehmen haben nun ein Jahr Zeit, zu den EPAVorschlägen Stellung zu beziehen. Umweltschützer begrüßten den Plan bereits jetzt. Mit ihm würden die USA in die Lage versetzt, ihre Verpflichtungen in der internationalen Klimapolitik zu erfüllen. 2009 hatten die USA erklärt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 17 Prozent verglichen mit 2005 zu reduzieren. Sollten die USA ihre Ziele erreichen, würden, so hoffen die Umweltschützer, auch China oder Indien entsprechend unter Druck geraten. »Diese Vorgaben senden eine deutliche Botschaft «, meint Andrew Steer, Präsident des World Resources Institute.

Die EPA-Pläne stellen die wichtigste klimapolitische Initiative der US-Regierung seit dem vor vier Jahren im US-Kongress gescheiteren Klimagesetz dar. Obama verzichtet darauf, ein neues Gesetz vorzuschlagen, um eine weitere Niederlage zu vermeiden. Vielmehr beruft er sich auf den »Clean Air Act« aus den 1970er Jahren, der der EPA die Kompetenz gibt, Verordnungen zur Reinhaltung der Luft zu erlassen. Auf diesem Wege waren in den vergangenen Jahren bereits Smog und saurer Regen bekämpft worden. Nun will die EPA auch gegen den CO2-Ausstoß vorgehen. »Unsere Luft ist sauberer, der saure Regen ist dramatisch reduziert worden und dem Wirtschaftswachstum hat dies nicht geschadet«, sagte Obama am Samstag.

Er kann damit seine Kritiker aber nicht überzeugen. »Wir alle wollen saubere Luft und sauberes Wasser«, meinte der republikanische Senator Mike Enzi. »Was wir aber nicht wollen, sind teure Regulierungen, die keine oder nur wenige Folgen haben und nur die Preise hoch treiben. Die Republikaner wollen Strom und Gas, wenn man es benötigt, und zu Preisen, die man bezahlen kann.«

Die US-Handelskammer hat vorgerechnet, dass durch Obamas Pläne ein Drittel aller Kohlekraftwerke schließen müsste. Damit könnten 224 000 Arbeitsplätze wegfallen und die Energiekosten steigen. Dies würde der Wirtschaft einen Schaden von 51 Milliarden Dollar pro Jahr verursachen.

Die Umweltorganisationen halten nichts von solchen Rechnungen. Sie weisen auf den wirtschaftlichen Schub hin, der von der neuen Verordnung ausgehen kann. So erwartet der kohlekritische Sierra Club, dass kapitalstarke Investoren wie Warren Buffett fortan verstärkt in die Windenergie investieren werden.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Juni 2014


Klima-Kampf

Olaf Standke über Barack Obamas Emissionsziele **

Auch das Wetter ist in den USA eine Glaubensfrage. Dabei ist die gemessen am Bruttoinlandsprodukt weltgrößte Volkswirtschaft nachweislich zugleich größter Luftverschmutzer auf Erden. Aber Senator Marco Rubio von der rechtspopulistischen Tea-Party, der als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2016 gehandelt wird, glaubt aller Wissenschaft zum Trotz nicht daran, dass der Klimawandel wirklich menschengemacht sei. So ist der politische wie juristische Widerstand gegen Barack Obamas überfällige Öko-Initiative programmiert, obwohl der Präsident mit einem Verordnungstrick versucht, den widerspenstigen Kongress zu umgehen. Doch da es bei diesem Kulturkampf auch um viel Geld geht – für die betroffenen Konzerne wie für die Wahlkampfkassen ihrer republikanischen Lobby – haben diese schon Gegenmaßnahmen angekündigt.

Schließlich will Obama angesichts brennender Wälder in Kalifornien, schmelzender Gletscher in Alaska und überfluteter Atlantikküsten bis 2030 den Kohlendioxid- Ausstoß um fast ein Drittel unter den 2005er Wert drücken. Das dürfte vor allem Hunderte Kohlekraftwerke treffen – ein Schritt, den Regierende hierzulande noch immer scheuen. Andererseits sind die USA nicht nur Vorreiter, sondern auch Nachzügler. In Deutschland will man den Ausstoß klimaschädlicher Gase schon bis 2020 um rund 40 Prozent verringern. Und was, wenn Obamas Ziel vor allem durch den Ausbau der Atomkraft erreicht werden soll? Nicht nur die Leugner des Klimawandels sind wohl ein Problem seines Plans.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Juni 2014 (Kommentar)


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