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Klimaschutz eilt

Zügiger Umbau der Energieversorgung notwendig: Wissenschaftler legen Bericht über Strategien zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen vor

Von Wolfgang Pomrehn *

In Berlin wurde am gestrigen Sonntag der dritte Teilbericht des Weltklimarates (IPCC) vorgestellt. In ihm geht es vor allem um Strategien, mit denen der durch Treibhausgase verursachte Klimawandel noch im verträglichen Rahmen gehalten werden kann. Dieser wird von den meisten Regierungen mit einem Anstieg der globalen Temperatur um maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau definiert. Viele kleine Inselstaaten und einige andere Entwicklungsländer wie etwa Bolivien gehen aber davon aus, daß dieser Wert zu hoch ist und eher bei 1,5 Grad Celsius liegen sollte.

Die wichtigsten Gefahren des Klimawandels bestehen zum einen im Meeresspiegelanstieg, der zur Zeit 32 Zentimeter pro Jahrhundert beträgt, wobei es allerdings nicht bleiben wird. Zum anderen wird es in einer wärmeren Welt vermehrt schwere Dürren und extreme Niederschläge geben, was beides erhebliche Gefahren für die Welternährung mit sich brächte. Außerdem führen erhöhte Konzentrationen des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre zu einer zunehmenden Versauerung der Ozeane, die in einigen Jahrzehnten die Fischfänge bedrohen könnte.

Das Zwei-Grad-Ziel kann, so der jüngste IPCC-Bericht, mit einer engagierten Politik noch erreicht werden. Neben einem effizienteren Umgang mit Rohstoffen und Energie ist dafür vor allem ein rascher Umbau der Energieversorgung notwendig. Die Zeit wird allerdings knapp: Die Treibhausgasemissionen sind im letzten Jahrzehnt rascher als je zuvor gestiegen. Zu 78 Prozent sind dafür Industrieprozesse sowie die Verbrennung von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas verantwortlich, so der Bericht. Rund die Hälfte der Treibhausgase, die sich seit Beginn der Industrialisierung in der Atmosphäre angesammelt haben, sind dorthin in den letzten 40 Jahren gelangt.

Um die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, müßte der globale Treibhausgasausstoß bis zur Mitte des Jahrhunderts um 40 bis 70 Prozent niedriger als 2010 sein. Dabei wird jede Verzögerung zusätzlich kosten. In den finanziell effektivsten Szenarien sind die globalen Emissionen bis 2030 bereits zumindest auf das heutige Niveau stabilisiert oder liegen gar schon bis zu 40 Prozent darunter. Teuer wird es unter anderem, wenn weiter zu viel in neue Kohlekraftwerke investiert wird, die dann nicht mehr die üblichen 30 oder 40 Jahre genutzt werden können, wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen.

Die wichtigste Rolle spielt der Ener­giesektor. Seine Emissionen müssen irgendwann zwischen 2040 und 2070 auf zehn Prozent des Niveaus von 2010 reduziert sein, wobei vor allem der Kraftwerkssektor am schnellsten umgebaut werden könnte. Als Weg zu dieser emissionsarmen Stromproduktion sieht der Bericht neben AKW und der sogenannten CCS-Technologie – beides nicht nur hierzulande hoch umstritten – vor allem den Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Diese hätten 2012 bereits rund die Hälfte der weltweit neu installierten Kapazitäten ausgemacht. Trotz ihrer starken Verbilligung seien sie aber in den meisten Fällen immer noch auf staatliche Unterstützung angewiesen, um ihren Marktanteil rasch ausbauen zu können. Ansonsten verweist der Bericht darauf, daß Emissionen auch eingespart werden können, wenn alte Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt werden und wenn mit Kraftwärmekoppelung auch die Abwärme genutzt würde.

Umweltorganisationen nahmen den Bericht zum Anlaß, von der Bundesregierung mehr Engagement zu verlangen. Greenpeace fordert zum Beispiel den Ausstieg aus der Braunkohle bis zum Jahr 2030 und ein Ende der Kohleverstromung insgesamt bis 2040. Der WWF verlangt eine nationale Deckelung der Kraftwerksemissionen bis 2020.

* Aus: junge Welt, Montag, 14. April 2014


Was steht im Bericht des Klimarates?

Der dritte Teilbericht des IPCC umfasst Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels.
  • Trotz Klimaschutzanstrengungen sind die weltweiten Treibhausgas-Emissionen (THG) mit zunehmender Geschwindigkeit angestiegen. Die größten Quellen sind der Energiesektor (global 35 Prozent im Jahr 2010), vor allem in den einkommensstarken Ländern, sowie die Bereiche Land- und Forstwirtschaft und andere Landnutzungen (24 Prozent), vor allem in einkommensschwachen Ländern. Weitere wichtige Beiträge kommen aus den Sektoren Industrie, Transport und Gebäude (jeweils 21, 14 und 6 Prozent im Jahr 2010).
  • Erneuerbare Energieträger haben sich hinsichtlich Leistung und Wirtschaftlichkeit substanziell weiterentwickelt und sind für die zukünftige kohlenstoffarme Energieversorgung unverzichtbar.
  • CO2-Emissionen aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft und andere Landnutzungen sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. In diesem Bereich bestehen weiterhin kosteneffiziente Emissionsminderungsoptionen, u. a. die Drosselung von Entwaldung und nachhaltige Landnutzung sowie veränderte Ernährungsgewohnheiten.
  • Im Verkehrssektor können bis zum Jahr 2050 bis zu 20 bis 50 Prozent der Emissionen vermieden werden. Die Steigerung der Energieeffizienz von Fahrzeugen oder die Einführung von kohlenstoffarmen Treibstoffen, Änderungen des Nutzungsverhaltens und eine nachhaltige Infrastruktur- und Städteplanung sind Beispiele für erfolgreiche Minderungsstrategien.
  • Im Gebäudebereich kann durch Nutzung fortschrittlicher Technologien, der energetischen Sanierung und Einführung von Energieeffizienzstandards für Neubauten der Endenergieverbrauch bis 2050 stabilisiert bzw. gesenkt werden.
  • Im Industriesektor kann durch verbreiteten Einsatz der bereits heute verfügbaren Technologien die Energieintensität um ein Viertel gegenüber dem aktuellen Niveau gesenkt werden. Durch Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz sind Reduktionen um weitere 20 Prozent möglich.
(Aus: neues deutschland, Montag, 14. April 2014)




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