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Merkel hat kein Interesse

Vertreter bereiten neues Klimaschutzabkommen vor: Treibhausgasemissionen müßten deutlich stärker eingeschränkt werden. USA zu kosmetischen Veränderungen bereit

Von Wolfgang Pomrehn *

In Bonn treffen sich derzeit mal wieder Umweltdiplomaten aus aller Welt, um über internationalen Klimaschutz zu verhandeln. In der ehemals westdeutschen Hauptstadt ist seit 1996 das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention angesiedelt, weshalb dort zwei- bis dreimal im Jahr Sitzungen stattfinden, um die jährlichen UN-Klimakonferenzen vorzubereiten. Die nächste findet planmäßig im Dezember im peruanischen Lima statt. Anders als sonst, kam diesmal zur Vorbereitung eine Reihe der zuständigen Umweltminister, denn die Zeit drängt: In etwas mehr als einem Jahr, im Herbst 2015, soll ein neues Klimaschutzabkommen unterschriftsreif sein.

Auf dem Programm der noch bis Sonntag stattfindenden Gesprächsrunden stehen unter anderem Verpflichtungen, die verschiedene Ländergruppen ab 2020 eingehen sollen. Ab dann soll der neue Vertrag gelten. Strittig ist unter anderem noch immer, in welchem Umfang zu diesen Verpflichtungen Anpassungsmaßnahmen gehören werden. Diese reichen von rein technischen Schritten wie Küstenschutz bis hin zu volkswirtschaftlichen Entscheidungen wie eine veränderte Landbewirtschaftung. Viele ärmere Länder wollen verbindliche Zusagen, daß die Industriestaaten für diese Anpassung zahlen und für den notwendigen Technologietransfer sorgen. Über dieses Thema gibt es seit Beginn der Klimaverhandlungen vor rund 25 Jahren Streit.

Die Gruppe der kleinen Inselstaaten, von denen einige durch den Anstieg des Meeresspiegels langfristig in ihrer Existenz bedroht wären, führt allerdings an, daß diese Diskussionen vom Wesentlichen ablenken: Wenn der Klimawandel noch halbwegs in Schach gehalten werden soll, braucht die Menschheit einen ehrgeizigen Plan zur Reduktion der Treibhausgas­emissionen. Länder wie Deutschland, Frankreich oder Rußland müßten ihren Ausstoß um 80 bis 90 Prozent reduzieren, China um mehr als 60 Prozent.

Um den Verhandlungsprozeß über einen neuen Vertrag zu beschleunigen – der sich nach einem schweren Rückschlag 2009 auf der Konferenz in Kopenhagen, zäh dahinschleppt – hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Staats- und Regierungschefs aus aller Welt für einen Sondergipfel im September nach New York eingeladen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Ban allerdings schon eine Absage geschickt. Ihr Interesse an Fortschritten im Klimaschutz ist offenbar begrenzt.

Unterdessen hatten im Vorfeld der Bonner Gespräche die USA und China für Schlagzeilen gesorgt. Aus dem Land der Mitte hieß es, daß man eine Obergrenze definieren wolle, bis zu der die dortigen Treibhausgasemissionen noch steigen dürfen. Dies hatte sich zwar als voreilig erwiesen: Ein hochrangiger Regierungsberater beeilte hatte sich später, zu erklären, daß es sich nur um seine persönliche Meinung gehandelt habe. Offensichtlich gibt es in den zuständigen Ministerien und der Nationalen Reform- und Entwicklungskommission inzwischen aber wenigstens entsprechende Diskussionen. Das wäre für das globale Klima eine gute Nachricht. Chinas Emissionen haben umgerechnet auf die Bevölkerung fast den Durchschnitt der EU-Staaten erreicht und wachsen weiter. Damit liegt die Volksrepublik zwar noch deutlich unter deutschem Niveau und bleibt weit hinter den USA zurück. Die Größe der Bevölkerung macht China aber mittlerweile zum Giganten unter den Umweltverschmutzern. Rund 23 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes gingen 2010 auf sein Konto, Tendenz steigend. Je schneller dieser Trend gebrochen werden kann, desto besser. Insofern geben die vorsichtigen Hinweise, die Chinas Delegationschef Xie Zhenhua Ende letzter Woche in Bonn machte, Anlaß zur Hoffnung: Sein Land werde das äußerste unternehmen, um das Wachstum der Emissionen sobald wie möglich zum Stillstand zu bringen. Das soll vor allem über größere Effizienz beim Energieeinsatz erreicht werden, aber auch beim Ausbau von Wind- und Solarenergie hat China weltweit die Führung übernommen.

In den USA versucht derweil die Regierung Barack Obamas Klimaschutz auf administrativem Wege durchzusetzen, nachdem deren Initiativen immer wieder im Parlament blockiert oder verwässert wurden. Die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) hat ein Maßnahmenpaket geschnürt, das auf CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke zielt. Bis 2030 sollen deren Treibhausgase um 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 gesenkt werden. Insgesamt würden die Emissionen des Landes bis 2030 durch diese Maßnahme um elf Prozent verringert. Das hört sich gut an, ist aber für die USA, die ihre Industrialisierung im Gegensatz zu China hinter sich haben, nicht besonders viel. Zumal sich das Reduktionsziel auf das Jahr 2005 bezieht. In den vorhergehenden 15 Jahren – die Klimaverhandlungen liefen längst und die meisten europäischen Industrieländer waren bereits dabei, ihre Emissionen einzudämmen –hatten die USA ihren Ausstoß noch einmal um 20 Prozent erhöht. Oder in anderen Worten: Mit den angekündigten Maßnahmen würden die USA pro Einwohner noch immer gut 15 Tonnen CO2 pro Jahr emittieren, während es in Deutschland 2010 gut neun und in China 6,2 Tonnen pro Kopf und Jahr waren. Global muß die Menschheit bis 2050 die Emissionen in etwa auf jährlich 1,8 Tonnen pro Person senken, wenn die Erwärmung auf zwei Grad im globalen Mittel beschränkt werden soll.

* Aus: junge welt, Donnerstag 12. Juni 2014


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