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Das Treibhaus in Zahlen

Schlechte Nachrichten zur UN-Klimakonferenz, die am Montag in Südafrika beginnt: Der Anteil von CO2, CH4 und N2O in der Atmosphäre steigt ungebremst an

Von Wolfgang Pomrehn *

Eine Woche vor Beginn der diesjährigen UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban gab es am Montag schlechte Nachrichten von der Weltmeteorologieorganisation (WMO) in Genf, dem Zusammenschluß nationaler Wetterdienste aus aller Welt: Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nimmt weiter zu; ihr Anstieg hat sich sogar beschleunigt.

Auch das Hauptübel Kohlendioxid (CO2), das bei der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas freigesetzt wird, nimmt weiter zu. 2010 lag die mittlere CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei 389 Millionstel Volumenanteilen oder ppm (parts per million). Das waren 2,3 ppm mehr als im Vorjahr. In den 1990er Jahren hatte der jährliche Anstieg im Schnitt bei 1,5 ppm und im letzten Jahrzehnt bei zwei ppm gelegen. Die CO2-Konzentration liegt nunmehr 39 Prozent über dem vorindustriellen Niveau. Bis zum 18. Jahrhundert hatte dieser Wert in etwa 10000 Jahren nie über 280 ppm gelegen.

Seit 1990 die internationalen Klimaverhandlungen begannen, hat sich der von Menschen verursachte Teil des Treibhauseffektes um knapp 30 Prozent verstärkt. Es gibt auch einen natürlichen Treibhauseffekt, ohne den es auf der Erde im Mittel rund 30 Grad kälter wäre. Leben hätte sich unter diesen Bedingungen vermutlich gar nicht entwickeln können, denn die Meere wären größtenteils mit Eis bedeckt und die Kontinente arktische Wüsten.

Die in den letzten 100 Jahren verursachten Veränderungen im Treib­hausgasgehalt der Atmosphäre spielen sozusagen in einer anderen Liga. Sie werden, sollte ihr Anstieg nicht sehr bald gestoppt werden, das Klima wesentlich unzuverlässiger machen, als es in den letzten Jahrtausenden gewesen ist. Schwere Dürren, Stürme und Starkniederschläge werden zunehmen und der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um einen Meter oder etwas mehr steigen.

In den letzten 20 Jahren ist der vom Menschen verursachte Teil des Treibhauseffekts allein durch das CO2 um knapp 24 Prozent gesteigert worden. Insgesamt macht das CO2 64 Prozent des Problems aus. Weitere Treibhausgase sind Methan, Lachgas und bodennahes Ozon. Letzteres ist nicht mit der Ozonschicht in einigen Dutzend Kilometer Höhe zu verwechseln. Dort entsteht das Ozon aufgrund des Zusammenspiels von Luftchemie und Sonneneinstrahlung. Es filtert aus dieser den besonders aggressiven ultravioletten Anteil heraus. Sehr zum Nutzen der Lebewesen auf dem Erdboden. Bodennahes Ozon entsteht hingegen aus Abgasen von Verbrennungsmotoren bei windarmem Wetter und viel Sonnenschein. Für Pflanzen, Tiere und Menschen ist es schädlich und trägt außerdem zur Erwärmung bei.

Aber bodennahes Ozon ist ein relativ lokales und zeitlich begrenztes Phänomen. Im Gegensatz zu den anderen Treibhausgasen ist es sehr kurzlebig und nur deshalb ein Problem, weil es ständig neu gebildet wird. Vom globalen Meßnetzwerk der WMO kann es wegen der räumlichen Beschränkung nicht erfaßt werden. Anders Methan (CH4) und Lachgas (N2O), und was die Meteorologen für diese beiden Gase ermittelt haben, gibt durchaus Anlaß zur Sorge. Lachgas nimmt seit vielen Jahrzehnten relativ kontinuierlich zu, wenn auch im Vergleich zum CO2 nur im geringen Maße. Allerdings ist ein N2O-Molekül 298mal so effektiv wie ein CO2-Molekül. Daher fallen auch geringe Konzentrationen ins Gewicht. Insgesamt macht das Lachgas etwa sechs Prozent des Treibhausgasproblems aus.

Die relevanten N2O-Quellen sind verschiedene Prozesse in der chemischen Industrie, außerdem der Einsatz von Dünger und Mist. Insbesondere bei unzeitiger oder zu starker Düngung kann Lachgas freigesetzt werden. Unter anderem aus diesem Grund ist Benzin- oder Dieselersatz aus Zuckerrüben, Raps, Getreide oder ähnlichem für das Klima nicht sinnvoll. Zwar wird das bei der Verbrennung der Agrartreibstoffe freigesetzte CO2 wieder von Pflanzen gebunden. Gleichzeitig entstehen aber noch andere Treib­hausgasemissionen bei der Produktion oder schon auf den Feldern, etwa das N2O. Unterm Strich sind Ethanol, das im E10 enthalten ist, oder sogenannter Biodiesel nicht viel klimafreundlich als Benzin oder Diesel.

Verstärkt auftretende Treibhausgase sind zudem einige der Stoffe, die die inzwischen verbotenen FCKW ersetzen. Diese Gase, etwa Schwefelhexafluorid, lassen zwar die Ozonschicht in Ruhe, wirken aber wie die FCKW als starke Treibhausgase. Zusammen mit den FCKW machen diese Gase etwa zwölf Prozent des Treibhauseffekts aus.

Schließlich ist da noch das Methan, das derzeit etwa 18 Prozent zum Problem beiträgt. Quellen sind unter anderem Mülldeponien, Rinderzucht, Reisfelder und lecke Erdgasleitungen. Die Methankonzentration in der Atmosphäre hatte sich seit Ende der 1990er Jahre stabilisiert, nimmt aber seit einigen Jahren wieder zu. Die Gründe dafür sind unklar. Eine mögliche Quelle könnte der durch die globale Erwärmung auftauende Permafrostboden der Arktis sein.

* Aus: junge Welt, 24. November 2011


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