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Klima-Abkommen in weiter Ferne

Zweiter Petersberger Klimadialog in Berlin / Merkel fordert gezielte Maßnahmen

Von Johanna Treblin *

Vertreter von 35 Staaten sind nach Berlin zum 2. Petersberger Dialog gekommen, um auszuloten, wie der Klimawandel noch aufzuhalten ist. Dazu muss möglichst rasch ein neues Klimaschutzabkommen her. Doch selbst die Bundesregierung ist skeptisch.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) eröffnete die Konferenz am Sonntagmorgen (3. Juli) und kündigte sie als wichtigen »Meilenstein« in der internationalen Klimapolitik an. Erwartungen an ein Klima-Abkommen noch in diesem Jahr erteilte Röttgen zwar bereits im Vorfeld eine Absage, Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet dennoch Erfolge in Südafrika.

Zum ersten sogenannten Petersberger Klimadialog hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor rund einem Jahr auf den Bonner Petersberg geladen. In Berlin soll es nun um die Verknüpfung von »Handeln und Verhandeln« gehen, heißt es aus dem Umweltministerium. Insbesondere setze man auf die Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, deshalb werde der Klimadialog auch gemeinsam mit der südafrikanischen Regierung ausgerichtet. Die Umweltminister der vertretenen Staaten wollen »strategische und politische Richtung geben«, wie ein Erfolg in Durban aussehen könnte.

Die Bundesregierung hofft darauf, dass der Klimadialog schafft, was die Verhandlungen in Bonn nicht geschafft haben: Ergebnisse bei der konkreten Umsetzung der sogenannten »Cancún Agreements« und damit weitere Einzelheiten etwa zur Klimafinanzierung sowie schärfere Ziele zur Emissionsreduktion der Schwellen- und Industrieländer. »Viele Länder haben inzwischen freiwillige Maßnahmen angekündigt, die allerdings in ihrer Summe längst nicht das Ziel erreichen lassen, zwei Grad Celsius Erderwärmung nicht zu überschreiten«, sagte Merkel auf der Konferenz. »Das heißt also, wir brauchen mehr Maßnahmen, gezieltere Maßnahmen und möglichst auch bindende Abkommen.«

Bundesumweltminister Röttgen bezweifelte allerdings bereits am Freitag, dass es ein verbindliches Klimaabkommen schon in Durban geben wird. Er könne nicht sagen, wann sich ein »Fenster der Gelegenheiten« für einen solchen Vertrag bieten werde. Die im Rahmen des Kyoto-Protokolls von 1997 festgelegten Verpflichtungen enden am 31. Dezember 2012. Die Verhandlungen für eine Fortsetzung stecken in der Klemme: Auf der einen Seite blockieren die USA, Japan, Kanada und Russland, außerdem Saudi-Arabien, die wirtschaftliche Einbußen erwarten. Auf der anderen Seite steht Bolivien, dem die Maßnahmen nicht weit genug gehen.

Deutschland selbst lehnt eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls ab, wenn China und die USA sich nicht auch zu rechtlich verbindlichen Schritten verpflichten. Die beiden Länder stehen auf Platz 1 und 2 der größten Treibhausgasemittenten und stoßen zusammen 44 Prozent der weltweiten Treibhausgase aus. »Die müssen irgendwann springen, sonst wird das Problem nicht gelöst«, sagte Röttgen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte die am Klimadialog teilnehmenden Staaten auf, sich stärker für ein globales Klimaschutzabkommen einzusetzen. Die deutsche Regierung solle dafür eintreten, dass die EU ihr Ziel zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen von 20 auf 30 Prozent erhöhe. »Beim Klimaschutz müssen sich vor allem die Industriestaaten endlich bewegen«, sagte BUND-Klimaexpertin Tina Löffelsend. »Kyoto darf nicht aufgegeben werden«, fügte sie hinzu. Ansonsten drohe eine Erderwärmung um bis zu vier Grad und mehr. Damit wäre der Klimawandel unumkehrbar.

Konkrete Ergebnisse erwartet die Umweltorganisation Germanwatch: »Dies ist eine wichtige Gelegenheit, der internationalen Klimapolitik fünf Monate vor dem Klimagipfel im südafrikanischen Durban wieder das notwendige politische Gewicht zu verschaffen«, sagte Klimaexperte Sven Harmeling. »Bei den großen Fragen kann der notwendige Fortschritt nur durch entsprechenden Willen auf hoher politischer Ebene gelingen«.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juli 2011

Chronik

  • 1992 wurde auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention als erster internationaler Vertrag verabschiedet, der den Klimawandel als ernstes Problem bezeichnet. Die Konvention bildet den Rahmen für die Klimaschutz-Verhandlungen, die als Vertragsstaaten-Konferenz (COP-1) stattfinden.
  • 1995 endet in Berlin die erste Vertragsstaaten-Konferenz ohne konkrete Ziele zur Verringerung von Treibhausgasen.
  • 1997 fand im japanischen Kyoto die dritte Vertragsstaaten-Konferenz statt. Dort einigte man sich auf ein rechtlich verbindliches Abkommen. Das sogenannte Kyoto-Protokoll endet jedoch 2012.
  • 2009 einigten sich die Vertragsstaaten in Kopenhagen auf einen rechtlich unverbindlichen »Minimalkonsens«: Die Erderwärmung soll auf maximal 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden.
  • 2010 endet der Gipfel in Cancún mit dem Minimalziel, das Kyoto-Protokoll bis 2012 fortzusetzen.
ND




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