Das falsche Bild vom Klimakrieg
Die Mediengesellschaft dramatisiert Umweltkonflikte, ohne die politischen Ursachen zu analysieren
VON BENEDIKT KORF, UNI ZÜRICH *
Wo Ressourcen knapp werden, kommt es zu blutigen Konflikten – diese These wird von mehreren Seiten vertreten. Doch
zeigt die Konfliktforschung, dass es viel eher um geopolitische Machtkonstellationen und sozioökonomische Faktoren
geht. Umweltprobleme können genauso gut zur Kooperation führen.
Klimawandel macht die Erde heißer und trockener, dadurch
steigt der Druck auf die Ressourcen in den
„Trockenräumen“ der Erde. Und wo Ressourcen
knapp sind, steigt die Gefahr gewalttätiger
Konflikte. Diese These über
zukünftige Klimakriege gibt es in unterschiedlichen
Variationen. Der Wissenschaftliche
Beirat Globale Umweltveränderungen
(WBGU), der die Bundesregierung
berät, schreibt in seinem Bericht
„Klima als Sicherheitsrisiko“: „Klimawandel
verstärkt Mechanismen, die zu Unsicherheit
und Gewalt führen.“ Und für den
regionalen Brennpunkt Sahelzone präzisiert
der WBGU: „Klimawandel verursacht
zusätzlichen Umweltstress und Gesellschaftskrisen
in einer heute durch schwache
Staaten, Bürgerkriege und große
Flüchtlingsströme charakterisierten Region.“
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
vertrat in einem Hearing vor einigen Jahren
sogar die Position, dass der Darfur-
Konflikt zumindest teilweise auf die ökologische
Krise im Sudan zurückzuführen
und damit als erster Klimakrieg zu bezeichnen
sei. Prominent wird die These
von Darfur als erstem Klimakonflikt auch
in Harald Welzers Buch „Klimakriege“
vertreten, das die Bundeszentrale für Politische
Bildung einer breiten Öffentlichkeit
bekannt gemacht hat.
Sehen wir uns einmal die Argumente
an, die Welzer aufführt, um diese These zu
untermauern. Wir brauchen nur auf das im
Buch präsentierte Material einzugehen, um
die logische Inkonsistenz seiner Aussagen
aufzudecken. Welzer beschreibt anschaulich
die Konfliktursachen für den Darfur-
Krieg, die er in einem Aufeinandertreffen
sich widersprechender Landnutzungsansprüche
zwischen „arabischen“ Pastoralisten
(Nomaden) und „afrikanischen“
sesshaften Bauern sieht, die sich durch die
fortschreitende Verwüstung verschlimmert
hätten: „Die sesshaften Bauern versuchten
in der katastrophalen Dürre von 1984 ihre
kargen Ernten zu sichern und sperrten die
Zugänge zu ihren Feldern vor den Herden
der ‚Araber‘, deren Weidegründe durch die
Dürre verschwunden waren.“ So hätten
Letztere angefangen, sich ihren Weg durch
die versperrten marahil (Weidewege) zu
erkämpfen, schreibt Welzer.
Stünden solche Überlebensfragen im
Vordergrund des Darfur-Krieges, wäre es
schwer verständlich, warum dann die von
der sudanesischen Regierung angeheuerten
Milizen eine Politik der verbrannten
Erde verfolgt haben und nicht nur Menschen,
Hab und Gut, sondern auch die
lokalen Ressourcen zerstörten. Denn in
einer Überlebenslogik würden sich nomadisierende
Gruppen damit ja auch um ihre
eigene Existenzgrundlage bringen.
Kein verzweifelter Kampf zwischen Nomaden und Bauern
Welzers Beschreibung basiert auf zwei
Annahmen, die empirisch nicht haltbar
sind: Erstens kolportiert seine Beschreibung,
dass erst die Ressourcenknappheit
zwei „Zivilisationen“ – Bauern und Nomaden
– in Kontakt miteinander gebracht
hätte. Das ist jedoch nicht der Fall: Diese
Bevölkerungsgruppen pflegen schon seit
Jahrhunderten einen intensiven sozialen
und ökonomischen Austausch, der immer
wieder durch Kooperation und Konflikt
gekennzeichnet war. Zweitens impliziert
diese Beschreibung, dass Knappheit fast
notwendigerweise zu gewalttätiger Konfliktaustragung
führt. Dies kann der Fall
sein, muss es aber nicht. Es gibt viele Situationen
von Ressourcenknappheit, wo es
eher zu Kooperation zwischen verschiedenen
Nutzergruppen kommt.
Wahrscheinlicher ist, dass hinter den
Kämpfen im Sudan andere, politische
Faktoren zu suchen sind, zum Beispiel
der Kampf um politische Kontrolle über
Territorium und Völker. Dies ist nicht der
verzweifelte Überlebenskampf von Nomaden
und Bauern um die letzten noch
vorhandenen Ressourcen. Eher handelt es
sich um die politische Manipulation und
Eskalation bestehender Konfliktlinien.
Gerade der Reichtum an Ressourcen heizt oft Konflikte an
Welzer, Ban Ki-Moon und der WBGU
berufen sich auf eine in der Umweltkonfliktforschung
umstrittene These: dass
Knappheit von Ressourcen den Ausbruch
gewalttätiger Konflikte begünstige. Die
derzeitige Konfliktforschung hat jedoch
gewichtige Zweifel aufkommen lassen,
dass diese sogenannte Knappheitshypothese
zutreffend ist. Vielmehr zeigen
jüngere Analysen, dass Gewaltkonflikte
besonders dort sehr blutig sind und lange
andauern, wo es Ressourcenreichtum gibt,
wo insbesondere mineralische Ressourcen
es Gewaltakteuren erlauben, ihren Kampf
zu finanzieren.
Kampf, Krieg und Plünderung werden,
so zeigen diese Studien, zu alltäglichen
Praktiken von Warlords und deren
Gefolge. Zwar finden diese Formen von
Kriegen oft in Staaten statt, in denen landwirtschaftliche
Ressourcen knapp sind und
die Bevölkerung wächst. Aber ohne den
Zugang zu Ressourcen, die Kriege finanzieren,
könnte es gar nicht zu diesen lang
anhaltenden Auseinandersetzungen kommen.
Wenn Konflikte außer Kontrolle geraten
und zu zerstörerischen Dauerkriegen
mutieren, wie in einigen Regionen von Somalia
oder in Darfur, hat dies vor allem politische
Gründe. Lokale Konfliktgeschichten
werden dann von politischen Akteuren
manipuliert und – meistens durch großzügige
Waffenlieferungen – in eine neue
Dynamik transformiert. Dies hat in erster
Linie nichts mit Ressourcenknappheit,
sondern mit einer Vermischung von geopolitischen
Konstellationen und lokalen
Konfliktgeschichten zu tun.
Wieso aber kommt Welzer dann zu seinen
Aussagen und Interpretationen? Mein
Eindruck ist, dass er sich zu stark auf die
Erkenntnisse aus der Genozidforschung
stützt, seinem eigentlichen Spezialgebiet.
Diese Erkenntnisse sind aber nur bedingt
auf Umweltkonflikte übertragbar. Gleichzeitig
verarbeitet er in seinem Buch die umfangreiche
Literatur zu Umweltkonflikten
nur bruchstückhaft und bleibt damit hinter
dem Stand der Forschung zurück.
Was bedeutet das nun für die Diskussion
um Klimakriege? Ich denke, dass man
aus zunehmender Ressourcenknappheit
nicht per se ein höheres Aufkommen von
Gewaltkonflikten für die Zukunft ableiten
kann. Dazu gibt die derzeitige Forschung
zu Umweltkonflikten keine ausreichenden
Erkenntnisse her – anders als es Welzer
und teilweise auch der WBGU behaupten.
Ob es vermehrt zu Gewaltkonflikten
kommen wird, hängt von geopolitischen
Machtkonstellationen ebenso ab wie von
lokalen sozioökonomischen Transformationsprozessen,
zum Beispiel im Eigentumsrecht.
Aber eine quasi-deterministische
Ableitung einer höheren Konfliktwahrscheinlichkeit,
wie sie Welzer
suggeriert, ist wissenschaftlich auf einem
wackeligen Fundament gebaut.
Warum sind Welzers Thesen dennoch
so populär? Mir scheint, dass dies mit
einem gewissen „Außerordentlichkeitsbedarf“
(Odo Marquart) der Mediengesellschaft
zu tun hat, in der dramatisierende
Botschaften auf stärkere Resonanz stoßen.
Aber gerade dieser Außerordentlichkeitsbedarf
führt zu einer imaginären Geografie,
die problematisch ist. Sie zeichnet
eine moralisierende Landkarte, in der der
globale Süden als gefährliche Region, als
Sicherheitsrisiko für Europa, markiert ist.
Nicht der Süden ist jedoch gefährlich, sondern
das Kolportieren solcher Bilder über
den Süden, insbesondere dann, wenn sie
sich auf fragwürdige Aussagen berufen.
* Benedikt Korf lehrt Politische Geografie und geografische
Konfliktforschung an der Universität Zürich.
Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift umwelt aktuell, 11/2010, S. 4-5; www.oekom.de
Wir bedanken uns beim Autor für die Dokumentationserlaubnis.
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