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Warten auf Obama

Wie US-Vertreter bislang bei den Kopenhagener Verhandlungen bremsten

Von Susanne Götze, Kopenhagen *

Die Weltmacht USA will in Sachen Klimaschutz nicht mehr der Buhmann sein - aber konstruktiv verhandelt sie beim UN-Gipfel ebenfalls nicht. In Kopenhagen wurden alte Schützengräben weiter ausgehoben, auch wenn US-Promis für mehr Engagement beim Klimaschutz warben. Viele hoffen nun auf Präsident Obama, der heute in Kopenhagen erwartet wird.

Trotz guter Absichtserklärungen im Vorfeld war das, was die US-amerikanische Delegation bei der Weltklimakonferenz im Gepäck hatte, sehr dürftig. Rund 200 Delegationsmitglieder sind nach Kopenhagen gekommen - mit wenig konkreten Zahlen und geringen Verhandlungsspielräumen. Und das einzige konkrete Angebot für die Minderung des Treibhausgasausstoßes ist immer noch nicht sicher. Der US-Senat hat das nationale Klimaschutzgesetz noch nicht verabschiedet, durch das die Emissionen bis 2020 um vier Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden sollen.

Dafür sonnten sich Politik-Promis wie Arnold Schwarzenegger, Senator John Kerry, die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, und Friedensnobelpreisträger Al Gore im Blitzlichtgewitter. Immerhin brachte US-Außenministerin Hillary Clinton am Donnerstag (17. Dez.) die erste positive Botschaft mit in die dänische Hauptstadt: Ihr Land wolle sich ab 2020 an dem von der UN ins Leben gerufenen Anpassungsfonds beteiligen. Damit sollen arme und vom Klimawandel besonders betroffene Länder finanziell unterstützt werden. Konkrete Zahlen zum Beitrag der USA nannte sie allerdings nicht.

Dies war das erste Zugeständnis nach fast zwei Wochen Klimakonferenz. Bis dato war das Land eher damit beschäftigt, traditionelle Schützengräben weiter auszuheben. Angegriffen wurde vor allem China. Der Grund dafür, dass Washington sich so langsam bewegt, ist die Befürchtung, von den Schwellenländern überrollt zu werden: 2020 wird China 40 Prozent mehr Treibhausgase emittieren als die USA, darauf wies Senator John Kerry am Rande der Verhandlungen hin. Daher pochen die USA darauf, auch Schwellenländer wie China und Indien mit ins Boot zu nehmen und sie zu verbindlichen Zielen zu verpflichten.

Kein Wunder auch, dass der US-Chefunterhändler Todd Stern schon in den ersten Tagen erklärte: »Wir werden nichts unterschreiben, was auf dem Kyoto-Protokoll fußt, wie das Kyoto-Protokoll aussieht oder ein Kyoto-Protokoll mit anderem Namen ist.« Natürlich gebe es Elemente, die sich innerhalb des Protokolls bewährt hätten. »Was wir insgesamt aber brauchen, ist ein Systemwechsel«, so Stern. Das ist nur folgerichtig - wer die Schwellenländer mit verpflichten will, muss Kyoto abschaffen. Das Protokoll schreibt die historische Schuld der Industrieländer und ihre entsprechenden Verpflichtungen fest. China ist unter Kyoto ein Entwicklungsland wie Burkina Faso.

Die G77 und China bestehen jedoch darauf, das bis 2012 laufende Kyoto-Protokoll zu verlängern. Daran hängt für diese Länder die Schuldfrage: Immerhin produzierten die USA zwischen 1903 und dem Jahr 2000 mit 258,52 Milliarden Tonnen (bei einem Bruchteil der Bevölkerung) 3,6 mal so viel Kohlendioxid wie China. »Wir akzeptieren absolut unsere Schuld bei der Verursachung des Problems«, entgegnete Diplomat Stern. Es gehe aber nicht um »Reparationen«. Ziel müsse sein, Ländern, die noch nicht auf unserem Entwicklungsgrad sind, eine kohlenstofffreie Entwicklung zu ermöglichen. »China gehört nicht mehr zu den ärmsten Ländern.«

Bis zuletzt sei es zwischen den G77 und den USA hinter verschlossenen Türen hoch her gegangen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Dass Hillary Clinton nun wenigstens in der Finanzierungsfrage eingelenkt hat, werten viele Beobachter als positives Signal. Noch haben sie die Hoffnung, dass Präsident Obama mit einem noch größeren Strauß Blumen nach Kopenhagen reist.

Streitpunkte

Treibhausgasreduktion: Die beiden größten Klimasünder - USA und China - sträuben sich gegen weitreichende verbindliche Ziele zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

Finanzielle Klimahilfen: Für klimaverträgliche Entwicklung und Anpassung an den Klimawandel wäre ein Fonds nötig, in den die Industriestaaten von 2010 bis 2012 jährlich 10 Milliarden US-Dollar einzahlen sollen. Die EU hat bisher 2,4 Milliarden Euro zugesichert.

Vertragsform: Strittig blieb die Form eines neuen Klimaabkommens. Die Entwicklungsländer wollen das Kyoto-Protokoll verlängern und ergänzen. Die meisten Industriestaaten streben aber ein einheitliches Vertragswerk an, das alle großen Kohlendioxid-Produzenten zusammenführt. epd/ND



* Aus: Neues Deutschland, 18. Dezember 2009


Alte Gräben

Von Steffen Schmidt **

Ob bei dem riesigen Diplomatenauflauf in Kopenhagen tatsächlich wenigstens so viel an Treibhausgasminderung herauskommt, dass die Emissionen der Anreise ausgeglichen werden, ist im Moment mehr als zweifelhaft. Die dänischen Gastgeber haben ihren Plan aufgegeben, den seit Mittwoch anreisenden Regierungschefs ein praktikables Verhandlungspapier für die Endrunde vorzulegen. Nicht ganz freiwillig freilich, denn in den letzten Tagen ist ein alter Graben wieder aufgerissen: Die in der Gruppe 77 versammelten Entwicklungs- und Schwellenländer hatten zuvor jede weitere dänische Vorlage abgelehnt. Die Dänen hatten ihr Heil in vertraulichen Einzelverhandlungen gesucht und wurden nun bezichtigt, alles nur passfähig für Obama zu machen. Die Industrieländer kritisierten wiederum die G77, dass sie weit divergierende Ziele vertreten.

Die eigentlichen Ziele der Veranstaltung drohen so in gegenseitigen Schuldzuweisungen unterzugehen. Da wirkt der demonstrative Optimismus des UNO-Klimasekretariats-Chefs Yvo de Boer schon beinahe wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Denn trotz einiger Zusagen - etwa aus den USA - ist bislang weder bei der Finanzierung der Klimahilfen für die Entwicklungsländer noch bei überprüfbaren verbindlichen Zusagen von Treibhausgas-Reduktionen ein Durchbruch zu erkennen. Es stellt sich die Frage, ob nicht tatsächlich beim derzeitigen Stand kein Abkommen besser wäre als ein fauler Kompromiss in letzter Minute.

** Aus: Neues Deutschland, 18. Dezember 2009 ("Standpunkt")


Kopenhagen: Manche mögen's heiß

Bei der Klimakonferenz riskieren die Regierungsvertreter eine ungebremste Erderwärmung ***

Kurz vor dem offiziellen Ende der Weltklimakonferenz sieht es immer noch nicht nach einer Einigung aus.

In der alles entscheidenden Schlussphase der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen haben sich die Delegierten am Donnerstag darauf geeinigt, in zwei Gruppen eine Verhandlungsgrundlage für die Staats- und Regierungschefs auszuarbeiten. Zuvor hatte der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen den Versuch aufgegeben, für die Chefrunde eine praktikable und entschlackte Verhandlungsgrundlage auszuarbeiten.

Gut 10 000 Delegierte aus 192 Staaten verhandeln seit Anfang vergangener Woche in Kopenhagen über ein neues Klimaabkommen zur Reduzierung der Treibhausgase. Tiefe Grabenkämpfe zwischen den G77 und den Industrieländern sowie schwere Vorwürfe gegen die dänischen Gastgeber haben die Verhandlungen in den vergangenen Tagen lahmgelegt. Dagegen warfen westliche Diplomaten den Schwellen- und Entwicklungsländern vor, untereinander uneins zu sein, was den Prozess blockiert habe.

UN-Klimachef Yvo de Boer sprach dennoch von ermutigenden Fortschritten. Er hoffe auf »sehr frische Ideen« von den erwarteten Staats- und Regierungschefs, die heute ins Geschehen eingreifen sollen. Als erste US-Vertreterin nannte Außenministerin Hillary Clinton mit 100 Milliarden Dollar eine Summe, die die reichen Länder vom Jahr 2020 an jährlich für Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern aufbieten sollen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte in Kopenhagen vor einem Scheitern der Verhandlungen. Ein Misserfolg wäre ein »schreckliches Signal für alle, die unserer Welt im 21. Jahrhundert eine gute Zukunft geben wollen«, sagte sie im Plenum der Konferenz. Merkel forderte, die Industrienationen müssten ihren CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um mindestens 25 Prozent senken. Forscher halten jedoch mindestens 40 Prozent für notwendig, um die Erderwärmung in einem erträglichen Rahmen zu halten.

Zuvor hatte sich Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag in Allgemeinplätzen und Appellen geübt. »Wenn wir jetzt nicht die notwendigen Weichenstellungen vornehmen, riskieren wir dramatische Schäden«, sagte sie. Die Opposition warf der CDU-Politikerin »Zögerlichkeit« vor. Erstmals verhandle eine Bundesregierung ohne gemeinsamen Auftrag des Parlaments bei einem Klimagipfel, sagte der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber. Er warf FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel einen »brutalen Wortbruch« vor, da dieser künftige Klimaschutzhilfen für Entwicklungsländer bei der Armutsbekämpfung abziehen wolle. Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte, diese Ziele ließen sich nicht gegeneinander aufrechnen. Er kritisierte zudem das »massive und robuste Vorgehen« der Polizei in Kopenhagen gegen Demonstranten.

Die dänische Polizei nahm am Donnerstag (17. Dez.) zwölf Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace vor dem Tagungsort des Gipfels fest. Sie hatten versucht, ein Banner mit der Aufschrift »Politiker reden - Führer handeln« aufzuhängen. Bei mehreren Demonstrationen hat die Polizei seit dem Wochenende mehr als 1500 Beteiligte festgenommen, fast alle »vorbeugend« und ohne konkrete Begründung. Gegen drei Deutsche wurde auch Haftbefehl erlassen. Ein mehrtägiger Arrest wurde gegen den Sprecher des Netzwerks »Climate Justice Action« verhängt. Bei einem Haftprüfungstermin seien auch Protokolle von abgehörten Handygesprächen und SMS-Nachrichten vorgelegt worden, erklärte das Netzwerk. Die Vorwürfe gegen Müller seien »politisch motiviert« und »konstruiert«.

*** Aus: Neues Deutschland, 18. Dezember 2009


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