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... und sie erwärmt sich doch!

Berliner Meteorologe über Erkenntniswege der Klimaforschung und durchsichtige Kampagnen

Von Peter Hupfer *

Eigentlich durfte man damit rechnen, dass vor Beginn der Klimakonferenz in Kopenhagen Diffamierungsspezialisten zu Werke gehen, um Zweifel zu säen und Abmachungen zu verwässern. Geht es doch letztlich darum, die gesamte Wirtschaft und die Ressourcennutzung völlig neu zu gestalten, damit die Lebensbedingungen auf der Erde in einem akzeptablen Bereich bleiben.

Zweifel werden gesät an dem Verlauf der mittleren globalen jährlichen Lufttemperatur in Bodennähe, der den sich beschleunigenden Temperaturanstieg überzeugend zeigt, leicht verständlich ist und gewissermaßen als Symbol für die Klimaentwicklung gilt. Dass es eine solche weltweit enorm stark verdichtete Datenreihe überhaupt gibt, ist wesentlich dem britischen Klimaforscher Phil Jones von der Universität East Anglia zu verdanken, dem nun Tricks und Manipulation unterstellt werden. Zunächst ist dazu zu bemerken, dass es mehrere Forschergruppen gibt, die unabhängig voneinander solche global gemittelte Datenreihen aufgestellt haben - so in den USA und Russland - und im wesentlichen zu den gleichen Resultaten kommen.

So einfach, wie die letztlich vorgelegten Kurven aussehen, so schwierig ist der Weg, zu ihnen zu kommen. Man kann die Datenbasis von »sehr schlecht« in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis »relativ gut« in der Gegenwart bewerten. Die Forscher mussten erst einmal die vorhandenen Messungen zusammentragen, ihre Genauigkeit und Verlässlichkeit kritisch prüfen und Methoden der Extrapolation ersinnen, um einigermaßen flächendeckende Informationen zu erhalten. Um die Einflüsse geringer Homogenität, unterschiedlicher Messmethoden und -genauigkeit zu verringern, wird beispielsweise der »Trick« angewendet, anstelle der Temperatur selbst die Abweichungen von einer Referenzperiode (z.B. 1961 bis 1990) zu benutzen, da dann die Fehler einzelner Messungen weniger ins Gewicht fallen.

Für Fachleute gibt es deshalb nicht den geringsten Zweifel an der prinzipiellen Richtigkeit der Analysen von Jones und den anderen Forschergruppen. Sie sind und bleiben eine wichtige und nicht zuletzt verständliche Beweisführung dafür, dass das Klima der Welt in Bewegung geraten ist.

Die Jones'schen Kurven sind jedoch beileibe nicht die einzigen Beweismittel. So zeigen gut fundierte Datenreihen der Lufttemperatur aus verschiedenen Teilen der Welt einschließlich Deutschlands ganz ähnliche Eigenschaften wie die globale Kurve. Wo man auch hinschaut, herrscht ein Erwärmungstrend, auch wenn dieser je nach geografischer Lage infolge der natürlichen kurzzeitigen Klimaveränderlichkeit nicht Jahr für Jahr spürbar ist.

Erscheinungen in der Natur wie das verstärkte Abschmelzen des arktischen Eises im Sommer und der Mehrzahl der Gebirgsgletscher, der weltweite, sich beschleunigende Anstieg des Meeresspiegels, die Erwärmung der Ozeane und anderer Gewässer, Veränderungen der Dauer der Vegetationsperiode, das vermehrte Auftreten extremer Wettersituationen, Veränderungen im Niederschlagsgeschehen und im Wasserhaushalt - diese und weitere sind untrügliche Zeichen für einen einsetzenden Klimawandel, der bereits jetzt Menschen und Güter in betroffenen Ländern schädigt. Nicht zu vergessen sind die weit in die Vergangenheit zurückreichenden Klimamodelle, denen die Ergebnisse der empirischen Forschung entsprechen.

Die internationale Klimaforschung hat in den letzten Jahrzehnten auf der Grundlage eines großen Arsenals von Daten, groß angelegten Untersuchungen, Methoden und Modellen Ergebnisse erzielt, die in ihrem Kern keine Zweifel daran lassen, dass es in erster Linie die Menschheit selbst war und ist, die das Klimasystem der Erde in Bewegung gesetzt hat. Lobbyisten von Wirtschaftszweigen, die bei einem international vereinbarten, wirksamen Klimaschutz Nachteile erleiden würden, können sich noch so sehr anstrengen, aber sie vermögen nicht, die Ergebnisse der Klimaforschung in Zweifel zu ziehen oder gar zu widerlegen.

* Der Autor war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1998 Professor für Meteorologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und einer der Initiatoren der DDR-Klimaforschung.

Aus: Neues Deutschland, 9. Dezember 2009



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