Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Es hängt an Europa

Gut einen Monat vor dem UN-Klimagipfel in Durban: Mit den USA ist derzeit kein internationaler Umweltschutz möglich, aber vielleicht ohne sie

Von Wolfgang Pomrehn *

In Panama City ging dieser Tage die letzte Vorbereitungsrunde für den nächsten UN-Klimagipfel zu Ende. Der soll in gut einem Monat im südafrikanischen Durban stattfinden. Die Streitpunkte waren die gleichen wie schon seit Jahren: Wann kommt endlich der Fonds für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den Entwicklungsländern? Wer zahlt wieviel ein? Wie werden die Mittel verwaltet und verteilt? Und: Wie sieht das künftige globale Klimaschutzabkommen aus?

Eigentlich hätten all diese Fragen längst geklärt sein sollen. Bereits auf dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen 2009, so sah es der einst verabredete Verhandlungsplan vor, hätte ein Abkommen unterschrieben werden sollen. Doch die Verhandlungen scheiterten am Unwillen der USA, die besondere Verantwortung der Industrieländer zu akzeptieren. Statt dessen weigern sie sich standhaft, Verpflichtungen zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen einzugehen, wenn nicht auch die Schwellenländer, allen voran China, sich auf ein ähnliches Ziel festlegen lassen.

Zeit drängt

Mit dieser Argumentation hat die USA als einziges der großen Länder auch bereits die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls verweigert, des einzigen Abkommens, das bisher für die Industriestaaten verbindliche Reduktionen der Treibhausgasemissionen vorsieht. Im Durchschnitt sollen sie bis 2012 ihren Ausstoß an Kohlendioxid, Methan und einigen anderen klimawirksamen Gasen um fünf Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 vermindert haben. Das Problem: Das Kyoto-Protokoll, das mit vielen technischen Details sozusagen die Ausführungsbestimmungen der Klimaschutzrahmenkonvention darstellt, läuft Ende 2012 aus. Während die über 100 in der »Gruppe der 77 und China« zusammengeschlossenen Entwicklungs- und Schwellenländer eine Fortschreibung des Protokolls mit neuen Verpflichtungen fordern, beharren vor allem die USA auf einem völlig neuen Vertrag. Zu den großen Bremsern gehören allerdings auch Japan, Kanada und Rußland, die sich weigern, das Kyoto-Protokoll zu verlängern, solange nicht auch China verbindliche Verpflichtungen übernimmt.

Nun ist es allerdings nicht so, daß China vollkommen tatenlos wäre. Vielmehr boomen dort inzwischen die erneuerbaren Energieträger wie Wind- und Solarkraft. Nirgendwo sonst wird soviel Sonne zum Heizen verwendet, wie in der Volksrepublik. Auch errichtet kein Land so viele Windräder. Peking hat sich in einer Selbstverpflichtung vorgenommen, seine spezifischen Emissionen, das heißt, den Kohlendioxidausstoß pro Einheit des Bruttosozialprodukts, bis 2020 um 45 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 zu reduzieren. Mit anderen Worten, China will seine Energieeffizienz deutlich steigern und zusätzlich die »Erneuerbaren« massiv ausbauen. Ähnliche Erklärungen haben in den letzten Jahren übrigens auch Brasilien, Indonesien und einige andere Länder abgegeben.

Dennoch weisen die Entwicklungs- und Schwellenländer das Ansinnen der USA und der anderen wie auch ähnliche Vorstöße Deutschlands und der EU vehement zurück. Es widerspricht nämlich dem Geist der 1993 verabschiedeten Klimaschutzrahmenkonvention, in der von einer »gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung« die Rede ist. Gemeint ist damit, daß zunächst die Industriestaaten vorangehen sollen und mit möglichst raschem Handeln den anderen Raum geben, damit diese sich erst einmal entwickeln können. Immerhin ist ja der bisherige Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre das Ergebnis der Industrialisierung Europas, Japans und Nordamerikas. Außerdem können die Entwicklungsländer darauf verweisen, daß die USA bisher keinerlei Anstrengungen unternommen haben, ihre Emissionen einzudämmen. Auch mancher der übrigen Industriestaaten hat bisher seine verbindlichen Verpflichtungen – die im übrigen vollkommen unzulänglich sind – nicht erfüllt.

Dieser Streit konnte erwartungsgemäß in Panama nicht gelöst werden. Und er wird auch nicht im südafrikanischen Durban beigelegt, wo sich Ende November die Vertreter von 195 Staaten sowie der EU zum diesjährigen Klimagipfel treffen werden. Allerdings zeichnet sich inzwischen ab, daß es zu einer Einigung kommen könnte, die die USA, Japan, Kanada und Rußland ausschließen wird. Die anderen Staaten könnten sich ohne diese vier auf eine Verlängerung des Protokolls und Reduktionsziele für das Jahr 2020 verständigen, in der Hoffnung daß danach ein neuer, umfassender Vertrag möglich sein wird. Ob dies möglich ist, hängt vor allem davon ab, ob die EU mitmacht Sie müßte bereit sein, auch ohne eine entsprechende Verpflichtung der USA ihre Emissionen weiter zu senken.

Eckstein des Klimaschutzes

Für die Entwicklungsländer gibt es keinen Zweifel daran, daß die Frage der Fortsetzung des Kyoto-Protokolls über Erfolg oder Mißerfolg in Durban entscheiden wird. Der argentinische UN-Botschafter Jorge Argüello, der in Panama für die 132 Mitglieder der G77 und China sprach, bezeichnete das Protokoll als den »Eckstein« des internationalen Klimaschutzes. In Durban werde nichts erreicht werden, wenn es keine Einigung auf eine Verlängerung gibt. Die Industriestaaten müßten neue Verpflichtungen eingehen. »Jedes andere Ergebnis«, so Argüello in schönster Diplomaten-Prosa, »würde die auf Regeln basierende multilaterale Antwort auf den Klimawandel unterminieren und einen Schatten auf unsere gemeinsame Verpflichtung zum Multilateralismus werfen.«

* Aus: junge Welt, 14. Oktober 2011


Zurück zur Klima-Seite

Zurück zur Homepage