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Die Zeit läuft davon

Dürren, Stürme und Versauerung der Meere bedrohen die Welternährung

Von Wolfgang Pomrehn **

Seit nunmehr etwas über 20 Jahren wird über den internationalen Klimaschutz verhandelt. Bereits 1992 wurde auf einem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung eine Klimaschutzrahmenkonvention unterzeichnet, der nahezu alle Länder beigetreten sind. Auch die USA, die sich ansonsten gegen Klimaschutzmaßnahmen sperren, haben die Konvention unterschrieben und ratifiziert. In ihr wurde unter anderem verabredet, gefährliche Klimaveränderungen zu verhindern, wobei allerdings offengelassen wurde, was als gefährlich anzusehen ist. Auch sonst bleibt die Konvention eher allgemein.

Konkreter ist da schon das Kyoto-Protokoll, das fünf Jahre später auf einer UN-Konferenz in der ehemaligen japanischen Kaiserstadt gleichen Namens ausgehandelt wurde. Dieses legt für die meisten EU-Staaten, für Island, Norwegen, Rußland, die Ukraine, Kanada, die USA, Japan, Neuseeland und Australien eine Minderung der Treib­hausgasemissionen um im Durchschnitt knapp fünf Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 fest. Das wurde seinerzeit als ein bescheidener Anfang gesehen, weil diese Länder damals noch deutlich über die Hälfte der weltweiten Emissionen präsentierten. Das Problem: Die USA haben als lange Zeit größter Treibhausgasverursacher den Vertrag nicht ratifiziert. Auch einige andere Länder, wie etwa Kanada, kommen trotz Unterschrift und Ratifizierung ihren Verpflichtungen nicht nach.

Dabei drängt die Zeit. Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre steigt schneller als je zuvor. Im letzten Jahr wurden durch die Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdölprodukten sowie durch die Produktion von Zement 33,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Luft geblasen. Das war so viel wie nie zuvor. Etwas mehr als die Hälfte davon wird für mehrere Jahrhunderte in der Atmosphäre bleiben und dort als Treibhausgas wirken. Der Rest wird von der Biosphäre und den Ozeanen aufgenommen. Letzteres führt zu einem weiteren Problem, das nicht direkt mit dem Treibhauseffekt zu tun hat, jedoch ähnlich dramatisch ist. Die Ozeane versauern, da das CO2 im Wasser Kohlensäure bildet. Schon in wenigen Jahrzehnten wird bei weiteren ungebremsten CO2-Emissionen die Zusammensetzung des Meerwassers derart verändert werden, das kalkhaltige Lebewesen wie Korallen, Krebse und Muscheln in ihm nicht mehr überleben können. Davor hat der »Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltgefahren« schon vor fünf Jahren in einem Gutachten zur Zukunft der Meere gewarnt. Das Ergebnis wäre der Zusammenbruch der meisten Nahrungsketten sowie der Fischbestände, was unübersehbare Folgen für die Ernährung der Weltbevölkerung hätte.

Die ist auch durch den globalen Klimawandel gefährdet. Erst vorletzte Woche hat der sogenannte UN-Klimarat, ein mehrtausendköpfiges Wissenschaftlergremium, das im Auftrag der Regierungen jeweils den neuesten Stand der Klimawissenschaften zusammenfaßt, in einem Sonderbericht darauf hingewiesen, daß Häufigkeit und Ausmaße diverser Klassen von extremen Wetterereignissen mit der globalen Erwärmung in vielen Weltregionen zunehmen werden. Längere Dürren und Hitzewellen, häufigere Starkniederschläge und stärkere Orkane bedrohen nicht zuletzt die Landwirtschaft und ihre Fähigkeit, die Menschen zu ernähren.

Zur Zeit steigen die Emissionen mit einer etwas höheren Geschwindigkeit, als in den Worst-Case-Szenarien der Wissenschaftler angenommen, die für das globale Klima bis zum Ende des Jahrhunderts eine Erwärmung um fünf oder mehr Grad vorhersagen. Soll diese also noch auf zwei Grad begrenzt werden, was die Mehrzahl der Regierungen als Ziel ansieht, dann muß das weitere Wachstum spätestens 2020 gestoppt sein und der weltweite Treibhausgasausstoß danach um rund sechs Prozent jährlich verringert werden. Je länger gewartet wird, desto drastischer müssen später die Maßnahmen sein.

* Aus: junge Welt, 28. November 2011


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