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Konträre Positionen

In Südafrika beginnt die diesjährige UN-Klimakonferenz. Positionen der Entwicklungsländer und vieler Industriestaaten stehen sich unversöhnlich gegenüber

Von Wolfgang Pomrehn *

Am heutigen Montag (28. Nov.) beginnt im südafrikanischen Durban die diesjährige UN-Klimakonferenz. Bis zum 9. Dezember werden Vertreter von über 190 Staaten sowie der EU über die Zukunft des internationalen Klimaschutzes verhandeln. Diesmal steht besonders viel auf dem Spiel. Der geltende Klimaschutzvertrag, das Kyoto-Protokoll, läuft Ende 2012 aus. Eigentlich hätte längst eine umfassende Erneuerung des Vertrags, wie es die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer fordern, oder ein vollkommen neues Vertragswerk, wie vor allem von den USA gefordert, unterschrieben sein sollen. Allerdings sind die Verhandlungen immer wieder an den enormen Widersprüchen gescheitert. Nun wird eine der wichtigsten Fragen in Durban sein, ob es noch eine notdürftige Verlängerung des Vertrags eventuell bis 2020 gibt oder die internationale Gemeinschaft in den nächsten Jahren ganz ohne verbindliche Klimaschutzziele leben wird, bis vielleicht in drei oder vier Jahren ein neuer Vertrag ausgehandelt ist.

Außerdem steht einer der Dauerbrenner der Verhandlungen ganz oben auf der Agenda: Wie wird der Klimaschutzfonds ausgestattet und organisiert? Mit diesem sollen in den Entwicklungsländern zum einen Anpassungsmaßnahmen an jene Teil des Klimawandels finanziert werden, der sich nicht mehr aufhalten läßt. Zum anderen soll er auch Mittel für sogenannte grüne Entwicklungsprojekte in diesen Ländern bereitstellen, wie etwa die Stromversorgung mit Windkraft- oder Solaranlagen.

Meeresspiegelanstieg

Etwas vereinfacht stehen sich in den Verhandlungen fünf Gruppen gegenüber. Das ist zum einen die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS). Ihre 32 Mitglieder eint eine besondere Bedrohung durch den ansteigenden Meeresspiegel und eine mögliche Verstärkung tropischer Wirbelstürme. In der Mehrzahl handelt es sich zudem um Entwicklungsländer, die über besonders wenig Ressourcen verfügen, mit denen sie sich aus eigener Kraft gegen die Folgen des Klimawandels schützen könnten.

Einige der Staaten bestehen wie etwa die Malediven aus flachen Korallenatollen, deren höchste Punkte nicht viel mehr als zwei Meter aus dem Meer ragen. Der Meeresspiegelanstieg bedroht sie also in ihrer Existenz. Im 20. Jahrhundert sind die Pegelstände weltweit um zehn Zentimeter geklettert. Seit den 1990er Jahren hat sich der Anstieg jedoch rasant beschleunigt; gerechnet wird mit einem Anstieg auf 30 Zentimeter pro Jahrhundert. Viele Klimawissenschaftler wie etwa Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung gehen sogar davon aus, daß der Meeresspiegel ohne eine erhebliche Verminderung der Treibhausgasemissionen 2100 um einen Meter oder gar etwas mehr höher liegen wird.

Die AOSIS-Staaten waren dementsprechend die ersten, die schon Anfang der 1990er Jahre auf eine rasche Reduktion der Emissionen von Kohlendioxid, Methan und der anderen Klimagase gedrängt haben. Sie gehören meist auch der zweiten in den Verhandlungen sehr aktiven Gruppe, der Gruppe der 77 und China (G77 und China) an. Die in dieser zusammengeschlossenen 132 Entwicklungs- und Schwellenländer beharren in den Gesprächen hartnäckig darauf, daß die Industriestaaten als die Verursacher des bisherigen Anstiegs der Treibhausgaskonzentrationen den ersten Schritt machen müssen. Die Industriestaaten müssen, so ihr Standpunkt, ihren Ausstoß an Treibhausgasen kräftig zurückfahren, damit die Entwicklungsländer mehr Spielraum für ihre Industrialisierung haben.

Blockadehaltung

Das sehen vor allem die USA anders, was sich auch unter Präsident Barack Obama nicht geändert hat. Sein Vorgänger George W. Bush hatte die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls mit der Begründung abgelehnt, China und In­dien würden darin keine Verpflichtungen auferlegt. Ganz ähnlich weigert sich Obama, über eine Fortschreibung des Kyoto-Protokolls zu verhandeln, und fordert einen gänzlich neuen Vertrag. Aber auch dann wäre er nur dazu bereit, die US-Emissionen, die umgerechnet auf die Bevölkerungszahl noch immer etwa dreimal so hoch wie die chinesischen und zehnmal so hoch wie die indischen sind, bis 2020 auf das Niveau von 1990 runterzudrücken. Hätten die USA das Kyoto-Protokoll seinerzeit ratifiziert und umgesetzt, lägen ihre Emissionen schon heute sieben Prozent unter dem 1990er Wert.

Hinter dieser Blockadehaltung kann sich unterdessen eine weitere lose Gruppe von Industriestaaten bequem verbergen: Japan, Kanada und Rußland weigern sich, ihre Unterschrift unter einen Vertrag zu setzen, der die USA nicht bindet. Entsprechend wehren sie sich auch gegen eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls, wie in Durban vor allem von der G77 und China angestrebt.

Davon setzt sich die EU ab, indem sie eine Verlängerung des Protokolls nicht ausschließt, aber zugleich auch bindende Verpflichtungen für die großen Schwellenländer fordert. Immerhin hat sie sich schon vor einigen Jahren eine Selbstverpflichtung auferlegt, die Emissionen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 oder um etwa zwölf Prozent gegenüber dem derzeitigen Wert zu reduzieren.

* Aus: junge Welt, 28. November 2011

Daten und Fakten: Die deutschen Emissionen

In Deutschland wurden 2010 nach Angaben des Umweltbundesamtes 960,1 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Das waren rund 11,7 Tonnen pro Person. Weltweit gelten zwei Tonnen pro Person und Jahr als gerade noch für das Klima verträglich, weil Ozeane und Biosphäre einen Teil der Emissionen aufnehmen, der dann nicht zur Anreicherung der Gase in der Atmosphäre beiträgt.

Neben dem Kohlendioxid (CO2) werden hierzulande vor allem Lachgas und Methan emittiert. Ersteres hat an den deutschen Emissionen einen Anteil von knapp 87 Prozent, ist also für die deutsche Klimaschutzpolitik das mit Abstand wichtigste Treibhausgas. Lachgas trägt knapp sieben Prozent bei, Methan fünf Prozent. Der Rest von weniger als zwei Prozent verteilt sich auf verschiedene industrielle Gase. Die einzelnen Gase wirken unterschiedlich stark als Treibhausgase. Für gewöhnlich werden sie daher in CO2-Äquivalente umgerechnet. Eine Tonne Methan entspricht 21 Tonnen CO2 und geht entsprechend auch mit diesem Betrag in die Treibhausgasbilanz ein.

Zu den hiesigen Verursachern von Treibhausgasen: Mit Abstand größter Übeltäter ist die Energiewirtschaft und hier vor allem die Kohle- und Braunkohlekraftwerke. Dieser Sektor trägt fast 38 Prozent zum Problem bei. Es folgen Industrieprozesse und verarbeitendes Gewerbe mit knapp 20 Prozent, sodann der Verkehr (16,1), die privaten Haushalte (11,8) und die Landwirtschaft (7,5). Der Rest verteilt sich auf Handel, Dienstleistungen und Militär.

An diesen Zahlen ist die große Bedeutung der Energiewende zu ermessen, das heißt, der zügigen Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energieträger. Sie stellt zwar keine vollständige Lösung des Klimaproblems dar, leistet aber einen wesentlichen Beitrag dazu.

Langfristig müssen die Emissionen in allen Sektoren drastisch gesenkt werden. Werden jedem der im Jahre 2050 vermutlich neun Milliarden Erdenbürger gleiche Rechte zugebilligt, stünden Deutschland, bei etwas abnehmender Bevölkerung, dann noch rund 120 Millionen Tonnen jährlich statt der derzeitigen 960 zu.

(wop)




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