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BUND setzt auf Fortsetzung des Kyoto-Protokolls

Kritik an Blockadehaltung der Bundesregierung gegen EU-Effizienzrichtlinie

Von Steffen Schmidt *

Kurz vor dem Beginn des Weltklimagipfels im südafrikanischen Durban wird heftig darüber gestritten, was dort überhaupt herauskommen soll. Während einige Klimaforscher das Kyoto-Protokoll für gescheitert halten, fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Fortsetzung mit einer zweiten Verpflichtungsperiode.

Elliot Diringer vom Center for Climate and Energy Solutions, einer angesehenen US-Institution zum Thema Klimawandel, kritisiert in einem Kommentar in der jüngsten Ausgabe des britischen Wissenschaftsjournals »Nature«, dass die bisherige Politik seit Kyoto dem Prinzip eines Alles oder Nichts gefolgt sei: Entweder bindende Reduktionsverpflichtungen für alle Staaten oder kein Abkommen sei die Losung gewesen. Nachdem mit den USA und China die beiden größten Treibhausgasemittenten keine bindenden Verpflichtungen akzeptiert hatten, sei dieses Herangehen gescheitert, schreibt Diringer. Ähnliches war auch aus dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zu hören.

Dagegen macht nun der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mobil. BUND-Vorsitzender Hubert Weiger kritisierte bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin die deutsche Blockadehaltung gegen die neue EU-Energieeffizienzrichtlinie. Andernfalls mache die Bundesregierung ihre eigenen Deklarationen zum Klimaschutz völlig unglaubwürdig. Schließlich habe gerade die schwarz-gelbe Bundesregierung wiederholt ein gemeinsames europäisches Vorgehen gefordert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Statt die neue Richtlinie zu bekämpfen, solle Deutschland sich für eine Verschärfung des Reduktionszieles für CO2-Emissionen der Europäischen Union auf mindestens 30 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 einsetzen, sagte Weiger. Nur mit solchen Vorgaben könne man auch in Durban glaubwürdig Forderungen an andere Länder stellen.

Weiger forderte Bundesumweltminister Norbert Röttgen auf, in Durban dafür zu kämpfen, dass das für die Industriestaaten geltende Kyoto-Abkommen zur Minderung der CO2-Emissionen mit einer zweiten Verpflichtungsperiode fortgesetzt werde. Um bis 2020 das nationale Klimaziel einer CO2-Minderung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen zu können, sei eine umfassende Effizienzpolitik notwendig. Dies schaffe zudem viele zusätzliche Arbeitsplätze und neue Märkte für innovative Produkte und Dienstleistungen.

Die BUND-Expertin für internationale Klimapolitik, Ann-Kathrin Schneider, hat für den Klimagipfel denn auch eher bescheidene Erwartungen. Feste Reduktionszusagen aus China oder den USA erwartet sie nicht. Wenn ein Mandat für Verhandlungen bis 2015 über eine zweite Verpflichtungsperiode beschlossen würde, wäre das ein Erfolg, insbesondere wenn auch der im Vorfeld ausgehandelte Entwurf zur Finanzierung des Green Climate Fund verabschiedet wird.

Wolfgang Sterk, Projektleiter am Wuppertal Institut, der als Gast an der BUND-Pressekonferenz teilnahm, zeigte sich in Bezug auf die großen Schwellenländer China Indien und Brasilien optimistisch. Diese unternehmen bereits erhebliche Anstrengungen zum Klimaschutz. Allein China habe im vergangenen Jahr 100 Industrieanlagen wegen mangelnder Effizienz stillgelegt. Das Land besitzt laut Sterk inzwischen mit mehr als 41 Gigawatt die größte installierte Leistung an Windkraftanlagen. »Zusätzlich zur Vereinbarung einer zweiten Kyoto-Periode sollte daher in Durban ein Verhandlungsmandat vereinbart werden, um bis spätestens 2015 ein umfassendes Abkommen zum weltweiten Klimaschutz auszuhandeln, bei dem die Schwellenländer beteiligt sind«, sagte Sterk.

* Aus: neues deutschland, 22. November 2011


Die letzte Ausfahrt heißt Durban

Von Martin Ling **

Selbst in der Werbung ist der Klimawandel längst angekommen: Mit dem Slogan »Das Wetter wird immer extremer - unser Dach auch!« zieht ein einschlägiger Hersteller auf Kundentour. An der empirischen Belastbarkeit der These besteht kein Zweifel: Jahr für Jahr nehmen die extremen Wetterereignisse zu. Waren es 2010 noch Rekordhitze plus Brände in Russland, überflutete Landschaften in Osteuropa und vor allem in Pakistan sowie die Dürre in Niger so sind es 2011 die Flutkatastrophe in Thailand, Hochwasser in Pakistan und Australien, Dürren in China und in Somalia, die an der Spitze der Wetterextreme stehen.

Für eine Entspannung in der Zukunft spricht nichts, für eine Verschärfung alles. So lässt sich das Fazit des jüngsten Sonderberichtes des Weltklimarates IPCC beschreiben, der gerade in Kampala vorgelegt wurde. Die Hauptstadt Ugandas wurde nicht von ungefähr gewählt, denn es ist der Süden, der Hauptleidtragender des Klimawandels ist und künftig sein wird, nicht zuletzt, weil seine Möglichkeiten, sich gegen die Folgen zu schützen, deutlich begrenzter sind als im Norden. 95 Prozent aller Todesfälle gebe es in Entwicklungsländern, während in den reicheren Industriestaaten eher Vermögensschäden anfielen, so der Bericht.

Vor allem im Süden Afrikas und Asiens drohen in den nächsten 20 Jahren massive Ernteeinbußen: Steigende Temperaturen und sinkende Niederschläge werden Probleme wie Armut und Ernährungsunsicherheit verschlimmern, weil sie die Wahrscheinlichkeit von Missernten erhöhen. Zudem werden Dürreperioden und Überschwemmungen die Häufigkeit von Hungerkatastrophen erhöhen.

Dass der Klimawandel globale Probleme mit sich bringen wird, hat die Politik seit geraumer Zeit erkannt. Doch ein konzertiertes gemeinsames Vorgehen ist auch kurz vor dem Klimagipfel in Durban nicht in Sicht.

** Aus: neues deutschland, 22. November 2011


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