Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nägel mit Köpfen in Doha

Hartmut Graßl über die Folgen der Erderwärmung auf die Welternährung

Von Simon Poelchau *


In Göttingen fand letztes Wochenende eine Konferenz zum Thema Welternährung statt. Organisiert hatte die Tagung die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).
Der Klimaexperte Prof. Dr. Hartmut Graßl ist Umweltpreisträger der DBU und Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg.



nd: Herr Graßl, ihre Wissenschaftskonferenz in Göttingen hat den Titel »Sicherung der Welternährung als Herausforderung für Frieden und Nachhaltigkeit. Wird die Welternährung in Zukunft noch gesichert werden können?

Graßl: Die Welternährung hängt wesentlich vom Klima und der Biodiversität ab. Da wir das Klima ändern und die Biodiversität mindern, gibt es natürlich eine Bedrohung für die Welternährung. Internationale Hilfsorganisationen können glücklicherweise bei Dürren Hilfe leisten, so dass große Hungerkatastrophen wie etwa vor 50 Jahren nicht mehr vorkommen.

Wo sterben jetzt noch Hunger Menschen an Hunger?

Das sind unter anderem Regionen, in denen Bürgerkrieg herrscht.

Sind nicht der Klimawandel und Ressourcenverknappungen neue Gefahrenpotenziale?

Sicherlich. Zum ersten Mal ist der Preis für Grundnahrungsmittel jetzt weltweit an den Ölpreis gekoppelt. Wenn das Öl relativ teuer ist, dann können sich die besonders armen Länder den Zukauf der notwendigen Nahrungsmittel nicht leisten. Die Folge ist, dass internationale Organisationen quasi fast schon auf Dauer Hilfe leisten müssen, wie es in Westafrika oder in anderen Teilen Afrikas der Fall ist.

Sehen sie die Chance, dass zumindest auf der UN-Klimakonferenz in Doha die Klimaziele konsequent durchgesetzt werden?

Da ist die Welt leider gespalten. Wenn es in Deutschland um ein Grad im Jahresmittel wärmer wird, dann wird das die Landwirtschaft hier nicht in die Knie zwingen. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar hoch, dass es noch größere Ernten geben wird. Anders ist es in den tropischen Ländern, da wird es schon bei relativ geringen Erwärmungen zu Nahrungsmittelknappheit kommen.

Woran liegt das?

Die Pflanzen reagieren unterschiedlich. Heimische Pflanzen, wie der Weizen, wachsen bei erhöhtem CO2-Gehalt schneller und sind nicht so hitzeempfindlich. Anders der Mais zum Beispiel, der ein Grundnahrungsmittel der Tropen ist. Er reagiert sehr stark bei höheren Temperaturen und verlangsamt sein Wachstum. Die Verursacher des Klimawandels werden so zu Profiteueren, während die Leidenden fast nichts zum Klimawandel beigetragen haben.

Wie könnte man dieser Klimaungerechtigkeit entgegenwirken?

Auf der UN-Klimakonferenz in Doha müssten jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden. Es müsste eine stringente Klimapolitik festgelegt werden, die konkrete Schritte beinhaltet, wie das bereits festgelegte Ziel von maximal zwei Grad Erderwärmung erreicht werden kann. Zumindest sollte dafür ein Fahrplan zur Schaffung von völkerrechtlich verbindlichen Verträgen beschlossen werden.

Und was könnte man hierzulande machen, um der Ernährungskrise entgegenzuwirken?

Man könnte sich von der industrialisierten Landwirtschaft abwenden, die laufend Nahrungsmittelskandale verursacht, und zu einer naturnäheren zurückkehren. Von mehr Selbstversorgung in den Regionen und einer nachhaltige Agrarwirtschaft würden wir selber auch profitieren. Wir zerschlagen mit unserer industriellen Landwirtschaft an vielen Stellen die biologische Vielfalt und halten uns quasi als Feigenblätter kleine Naturschutzgebiete, anstatt das alles grundsätzlich zu ändern.

Wäre dafür genug Geld da?

Im Endeffekt wäre das sogar billiger. denn die Schäden, durch die Nutzung von Giften verursachen, zahlt die gesamte Menschheit. Das alles geht nicht spurlos am Menschen vorüber.

* Aus: neues deutschland, Montag, 03. Dezember 2012


Zurück zur Klima-Seite

Zurück zur Homepage