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Schaden und Verluste durch Extremwetterereignisse: Drei asiatische Entwicklungsländer 2011 am härtesten getroffen

Germanwatch veröffentlicht neuen Globalen Klima-Risiko-Index auf dem Klimagipfel in Doha - Pressemitteilung

Doha, 27.11.12: Die meisten Schäden, die durch Extremwetterereignisse verursacht werden, schaffen es oft nicht in die weltweiten Schlagzeilen. Im Gegensatz zu den Zerstörungen von Hurrikan Sandy an der Ostküste der USA werden sie oft kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Im Jahr 2011 jedoch waren ärmere Entwicklungsländer durchschnittlich deutlich schwerer als Industrieländer betroffen, wie der neue Globale Klima-Risiko-Index von Germanwatch zeigt. Auf der Rangliste, die heute auf dem Klimagipfel in Doha vorgestellt wurde, liegen Thailand, Kambodscha, Pakistan und El Salvador 2011 vorn. Diese Länder waren am stärksten von Extremwetterereignissen betroffen. In Thailand verursachten ungewöhnlich starke Regenfälle einen Schaden von mehr als 75 Milliarden US-Dollar und forderten dabei zudem annähernd 900 Menschenleben.

Sven Harmeling, Teamleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch: "Schäden und Verluste von Extremwetterereignissen sind bereits heute harte Realität in vielen Entwicklungsländern. Dies zeigen die Untersuchungsergebnisse des Globalen Klima-Risiko-Index. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass der Klimawandel ein zunehmender Faktor für die Häufigkeit von besonders heftigen Hitzewellen mit schweren Konsequenzen ist. In Doha brauchen wir ernsthafte Fortschritte in den Verhandlungen zur Reduktion von Treibhausgasen, mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel und den Startschuss für den Aufbau eines internationalen Mechanismus als Reaktion auf trotzdem auftretende Schäden und Verlusten." Harmeling hofft, dass die Katastrophe auch in Thailand eine neue Nachdenklichkeit auslöst. "Thailand gehört zu den wenigen relevanten Ländern, die beim UN-Klimasekretariat noch keine konkreten Zusagen eingereicht haben, um zumindest ihren Emissionsanstieg zu mindern", fügt Sven Harmeling hinzu.

Auf der Langzeit-Rangliste von 1991-2011 hatten Honduras, Myanmar und Nicaragua besonders viele Schäden und Todesfälle zu beklagen. Zum ersten Mal landet Bangladesch nicht mehr unter den ersten drei Ländern, sondern verbessert sich auf Rang vier. Sven Harmeling: "Die Sturmkatastrophe von 1991 mit mehr als 140.000 Todesfällen ist nun nicht mehr in der Analyse der letzten 20 Jahre berücksichtigt. Zudem ist das Land auch eines der wenigen armen Länder, das zahlreiche Maßnahmen mit und ohne externe Unterstützung durchgeführt hat, um sich besser auf den Klimawandel vorzubereiten. Bangladesch zeigt, dass aktive Anpassung hilft, um Schäden und Verluste zu reduzieren."

Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:
Sven Harmeling, Teamleiter Internationale Klimapolitik: harmeling@germanwatch.org
Larissa Neubauer, Pressereferentin: neubauer@germanwatch.org


Die Hauptaussagen des KRI 2013

  • Honduras, Myanmar und Nicaragua waren zwischen 1992 und 2011 am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffen;
  • Acht der der zehn am stärksten betroffenen Länder (1992-2011) waren Entwicklungsländer aus der Gruppe der Länder mit niedrigem oder niedrigem mittleren Pro-Kopf-Einkommen. Zwei gehören zu den Länder mit höheren mittleren Einkommen;
  • Insgesamt starben zwischen 1992 und 2011 mehr als 530.000 Menschen als direkte Folge von mehr als 15.000 extremen Wetterereignissen und es kam in diesem Zeitraum zu Verlusten von mehr als 2,5 Billionen USD in Kaufkraftparitäten (USD 1,68 Billionen Verlust in Originalwerten);
  • Im Jahr 2011 wird die Liste der am stärksten betroffenen Länder von Thailand, Kambodscha, Pakistan, El Salvador und den Philippinen angeführt;
  • Die Verluste und Schäden durch den menschengemachten Klimawandel werden voraussichtlich weiter zunehmen. Der aktuell fehlende Ehrgeiz zur Emissionsminderung führt die Welt auf einen Pfad hin zu einem Anstieg der Durchschnittstemperatur von 4 bis 5°C, mit der Gefahr eines sich selbst verstärkenden Klimawandels und entsprechender drastischer Konsequenzen. In Doha sollten ein ambitioniertes Arbeitsprogramm zur kurzfristigen Erhöhung der Klimaschutzambition sowie Ziele für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, die im Einklang mit der 2°C-Grenze sind, vereinbart werden;
  • Bei der COP 18 in Doha diskutieren die VerhandlerInnen nächste Schritte zum Arbeitsprogramm zu klimawandelbedingten Schäden. Hierbei sollten verschiedenste Ansätze diskutiert werden, auch ein internationaler Mechanismus, um einen umfassenden und ambitionierten Ansatz zu Klimaschäden aufzubauen.
  • Viele Entwicklungsländer ergreifen bereits Maßnahmen, um sich auf die klimabedingten Katastrophen vorzubereiten und die Anpassung an extreme Wettereignisse zu fördern sowie durchzuführen. Allerdings ist eine ausreichende finanzielle und institutionelle Unterstützung durch die Industrieländer erforderlich, um die Katastrophenvorsorge und Widerstandsfähigkeit der ärmeren Länder weiter zu stärken. In Doha sollten die Industrieländer klare Ankündigungen zur Klimafinanzierung für die Zeit nach 2012 machen und mit der Entwicklung eines Planes zum Aufwuchs dieser Mittel auf die versprochenen 100 Milliarden USD bis 2020 beginnen.

    Auszug aus "Globaler Klima-Risiko-Index 2013" (Zusammenfassung); im Internet: http://germanwatch.org/de [externer Link]
    Die englischsprachige Langfassung findet sich mit weiteren Informationen unter: Global Climate Risk Index 2013 [externer Link]



"Szenarien treten früher ein als erwartet"

Weltklimakonferenz in Doha (Katar): Greenpeace warnt vor drastischen Umweltveränderungen. Ein Gespräch mit Stefan Krug *


Ein Stopp der Erderwärmung auf maximal zwei Grad könne nur noch mit einem drastischem Richtungswechsel erreicht werden, heißt es in Berichten der UN und der Weltbank. Wie problematisch ist die Situation und welche Konsequenzen müßten bei der am gestrigen Montag begonnenen Klimakonferenz in Doha daraus gezogen werden?

Schon seit Jahren versuchen wir, den Ernst der Lage anhand der ständig steigenden CO2-Emmission zu verdeutlichen: Daß wir die Erwärmung um zwei Grad in diesem Jahrhundert nicht überschreiten dürfen, weil die Folgen des Klimawandels sonst unkontrollierbar werden. Zwar hat man sich in Klimaverhandlungen geeinigt, unter dieser Grenze zu bleiben – aber das Gegenteil geschieht.

Mit Sorge sehen Wissenschaftler, daß alle gefürchteten Szenarien früher eintreten als erwartet: Zum Beispiel der Rückgang des arktischen Eises, der dieses Jahr mit minus 19 Prozent den Rekord von 2007 übertroffen hat. Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nehmen an, daß der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert über 1,5 Meter steigen könnte. Das wäre dann eine andere Welt; unsere Küstenlandschaft würde verändert, viele Städte könnten nicht mehr gehalten werden, Wetterextreme würden zunehmen. In Doha darf der Klimaschutz nicht mehr nur als Umweltschutz mißverstanden werden: Die Umwelt könnte sich an eine Welt mit drei bis sechs Grad Wärme durchaus anpassen – aber der Mensch und die Zivilisation sind gefährdet.

Welche Ziele müssen angegangen werden?

Wir brauchen höhere Reduktionszusagen seitens der Industrieländer wie etwa den USA und China, aber auch von Schwellenländern wie Indien. Es reicht nicht, auf einen Klimavertrag zu warten, der 2015 ausgehandelt werden soll, aber erst 2020 in Kraft tritt. 2015 müssen die Emissionsausstöße ihren Höhepunkt erreicht haben und danach absinken.

Sie fordern, daß auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus dem »Klima-Schlaf« erwachen muß. Was kritisieren Sie?

Sie läßt zu, daß die EU in Brüssel eine den Klimazielen entgegen gesetzte Politik macht. Das Hauptinstrument des europäischen Klimaschutzes, der Emissionshandel, steckt in einer tiefen Krise. Der Preis für den CO2-Ausstoß bietet den Unternehmen keinenAnreiz, in klimafreundliche Energien zu investieren. Die Emissionsrechte, zunächst auf mehr als 20 Euro pro Tonne kalkuliert, kosten plötzlich nur noch sieben Euro. Sie werden verramscht.

Die EU hat sich ein so schwaches Klimaziel von minus 20 Prozent gegenüber 1990 gesetzt, daß sie es schon 2011 erreicht hat. Es muß auf mindestens 30 Prozent erhöht werden und es muß verhindert werden, daß der CO2-Preis an der Börse weiter im Keller ist. Gegen beides stemmt sich jedoch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Er behauptet, ein Eingreifen würde die Wirtschaft zu stark belasten. Unternehmen können sich also beliebig mit CO2-Zertifikaten eindecken. Unser Vorwurf an die Kanzlerin lautet: Sie schaut diesem Treiben tatenlos zu, statt ihren Minister zur Ordnung zu rufen.

Welche Maßnahmen hätte sie ergreifen müssen?

Sie müßte in der Klimapolitik aktiv werden, sich mit Frankreich und Großbritannien verbünden und auf Blockierer-Staaten in der EU einwirken. Sie müßte mit US-Präsident Barack Obama sprechen, der seine Klimaziele nicht erreicht hat – und mit ihm gemeinsam eine Strategie erarbeiten, wie es trotz der Blockade durch die Republikaner im Senat dazu kommen kann. Aber sie fährt nicht nach Doha.

Vernachlässigt die Bundesregierung weitere Ziele?

Die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern ist auch so ein Thema. Ziel ist es, daß diese eine klimafreundliche Energieversorgung aufbauen, die Entwaldung stoppen und sich gegen die Folgen des Klimawandels rüsten können. Doch Mitte November haben die EU-Finanzminister eine Erhöhung dieser Mittel abgelehnt. Wir erwarten von der EU und Deutschland klare finanzielle Zusagen. Statt dessen wird über die Wirtschaftskrise gestöhnt, zugleich aber weiter Geld in Subventionen fossiler Energieträger gepumpt, Banken werden gerettet. Greenpeace beobachtet die Regierungen in Doha bei der Konferenz und übersetzt deren Fachchinesisch, um es für die Allgemeinheit verständlich zu machen.

Interview: Gitta Düperthal *

* Stefan Krug ist Leiter der politischen Vertretung bei Greenpeace Deutschland in Berlin, Schwerpunkt Klimapolitik

* Aus: junge Welt, Dienstag, 27. November 2012


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