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Grabstätte des Kyoto-Protokolls?

Afrikas Delegationsleiter Tosi Mpanu-Mpanu über den bevorstehenden UN-Klimagipfel


Tosi Mpanu-Mpanu aus Kongo leitet seit 2009 die afrikanische Gruppe bei den UN-Klimaverhandlungen.


ND: Afrika erzeugt nur vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, ist aber stark vom Klimawandel betroffen. Die Umweltminister des Kontinents trafen sich kürzlich in Malis Hauptstadt Bamako, um die Ende November beginnende UN-Klimakonferenz (COP17) in Durban/Südafrika vorzubereiten. Welche gemeinsamen Forderungen wird Afrika stellen?

Tosi Mpanu-Mpanu: Afrika will ein Verhandlungsergebnis, das auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, fair ist und Versprechen aller Länder einfordert, die in der UN-Klimakonvention und dem dazugehörigen Kyoto-Protokoll gemacht wurden. Wir müssen die Emissionen weltweit auf ein sicheres Niveau bringen und uns auf globale Reduktionen für das Jahr 2050 einigen, um die vorhergesagte Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius zu verhindern. Die aktuellen, geringen Zusagen von Industrieländern, einschließlich vertraglicher Schlupflöcher, erlauben ihnen, sehr wenig oder gar nichts zu tun, um den Klimawandel vor 2020 zu mindern.

Mit COP17 geht die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls zu Ende. Besteht noch eine Chance auf eine Fortsetzung?

Drei Länder – Japan, Kanada und Russland – haben Vorbehalte geäußert, ihre Versprechen einzuhalten. Die Vereinigten Staaten haben ihre Zusagen bereits vor einigen Jahren widerrufen. Doch die Welt kann nicht von einer Handvoll Länder als Geißel gehalten werden. Südafrika wird nicht die Grabstätte der einzigen, rechtlich bindenden Vereinbarung sein, die die Verantwortlichen für den Klimawandel dazu zwingt, die Umweltverschmutzung zu mindern.

Wie hoffen Sie, die Kluft bei den Zusagen für Finanzmittel nach 2012 zu schließen?

Finanzierung wird ganz klar eines der Hauptthemen in Durban sein. Wir sind der Meinung, dass die Umweltverschmutzer, nicht die Armen Afrikas, zahlen müssen. Falls sich Afrika zu weiteren Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet, müssen wir sicherstellen, dass wir eine neue und zusätzliche Finanzierung dafür erhalten. Es besteht eine Kluft zwischen den Mitteln und dem vorhandenen Budget. Bislang gibt es keine Zusagen für 2013. Das Versprechen der Industrieländer, jährlich 100 Milliarden Dollar an Entwicklungsländer von 2020 an zu zahlen, ist ein guter Anfang, aber lange nicht genug, um den Bedarf zu decken.

Einige Industrieländer fordern, dass auch Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Südafrika ihre Emissionen reduzieren müssen. Sehen Sie das auch so?

Die UN-Klimakonvention ist eindeutig. Die geschichtliche Verantwortung für die Erderwärmung liegt bei den Industrieländern. Deren Forderung, dass alle großen Volkswirtschaften, einschließlich einiger Entwicklungsländer, bindende Vereinbarungen schließen, ist nicht Teil der Roadmap des Klimagipfels von Bali 2007. Wo kommen wir hin, wenn wir uns nicht einmal daran mehr halten? Afrika ist bereit mitzuspielen, aber nur, wenn die andere Seite nicht ständig die Spielregeln ändert.

Entwicklungsländer haben bisher keine CO2-Reduktionsverpflichtungen. Wenn sie doch etwas tun, könnten sie Zertifikate an Industrieländer verkaufen. Versprechen Sie sich vom Handel mit Emissionszertifikaten eine Minderung der Treibhausgase?

Momentan sieht die Zukunft für den Zertifikatehandel schlecht aus. Das UN-Umweltprogramm sagt, wir müssen die globalen Emissionen bis 2020 um 12 Gigatonnen (Gt) reduzieren. Entwicklungsländer haben eine Reduktion von 5 Gt versprochen, wenn sie finanzielle Unterstützung erhalten. Das würde 7 Gt für die Industrieländer bedeuten. Doch diese wollen nur 4 Gt reduzieren, wobei sie legale Schlupflöcher für 4 Gt haben. Das bedeutet, dass Industrieländer effektiv gar keine Emissionen reduzieren. Warum sollten sie also Zertifikate in Afrika oder anderswo erwerben wollen?

Fragen: Kristin Palitza

* Aus: Neues Deutschland, 23. September 2011


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