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Biosprit nicht so richtig bio

Studie: Landnutzungsänderung durch Energiepflanzen verdirbt CO2-Bilanz

Von Benjamin Beutler *

Ein bisher unveröffentlichtes Dokument der europäischen Umweltagentur EEA hat die Diskussion über die Klimabilanz von Biokraftstoffen neu entfacht.

Worauf Umweltschützer schon lange hinweisen, das scheint nun auch in den EU-Amtsstuben angekommen zu sein. Für die Herstellung von Biodiesel aus Raps, Soja, Zuckerrohr und Palmöl, so berichtete letzte Woche die »Financial Times Deutschland« unter Berufung auf ein internes Papier der EU-Kommission, fallen weitaus mehr klimaschädliche Emissionen an als bisher offiziell anerkannt. Die EU-Berechnung der CO2-Bilanz berücksichtigte in der Vergangenheit nur direkte Klimafolgen. Kinderrechte kennen keine Herkunft

Bei der Verbrennung von Biodiesel liegen die CO2-Werte nach Angaben der Internationalen Energieagentur rund 25 Prozent unter denen von Diesel und Benzin. Das jüngste EU-Papier verspricht nun, Brüssel werde künftig auch die »indirekten Auswirkungen« auf das Klima mit einbeziehen. Dabei geht es besonders um die »indirekten Landnutzungsveränderungen«.

Per Gesetz ist es in Europa verboten, Biokraftstoffe auf den Markt zu bringen, wenn für den Anbau der Rohstoffe ökologisch wichtige Schutzflächen – etwa im Amazonas-Regenwald Brasiliens – gerodet wurden. Kritiker der Biokraftstoffe weisen unermüdlich darauf hin, dass Landwirte aufgrund dieser EU-Vorgaben ihre Felder einfach anders bewirtschaften. Auf Anbauflächen, wo zuvor Nahrungsmittel angepflanzt wurden, würden heute Energiepflanzen für Europas Autos wachsen. Dafür werden nun eben Urwaldgebiete für die unverzichtbare Nahrungsmittelproduktion in Ackerland umgewandelt, so die Wissenschaftler.

Bisher wurde davon ausgegangen, dass Biokraftstoffe rund 35 Prozent weniger CO2 verursachen würden als fossile Brennstoffe. Diese Zahlen machten Biosprit zu einem der Hoffnungsträger für die Erreichung der EU-Klimaschutzziele. Sechs Prozent CO2-Minderung sollte der Verkehrssektor beisteuern. Dafür trat im Mai 2003 die »EU-Biokraftstoff-Richtlinie« in Kraft, Startschuss des subventionierten Verkaufs von Biokraftstoffen in allen Mitgliedsstaaten. Bis 2010 sollten so 5,75 Prozent des Treibstoffverbrauchs im Transportsektor von nachwachsende Energien bestritten werden, später wurde das Ziel auf 10 Prozent bis 2020 angehoben. Auf die neue Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen reagierten Länder des Südens wie Brasilien. Und so informiert auch das Bundesumweltamt, die Zuckerrohrfelder im Südosten und Nordosten lägen »weit entfernt« vom Amazonas. Zehn Prozent des in Deutschlands verwendeten Ethanol für E5 und E10-Benzin kommen von dort.

Der »Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie« (VDB) reagiert mit einer Gegenkampagne. Biokraftstoffe seien »weiter gut für die Umwelt«, die Effekte der indirekten Landnutzung »stark umstritten«. Für Biodiesel und Bioethanol gebe es bereits »gesetzliche Bestimmungen, die sicherstellen, dass sie nachhaltig hergestellt werden«, so der VDB stur. Brot für die Welt fordert die Einbeziehung der indirekten Landnutzungsänderungen, die EU dürfe die Augen vor der Wirklichkeit nicht weiter verschließen. Der Mythos vom Klimaretter Biokraftstoff wäre damit endgültig dahin.

* Aus: Neues Deutschland, 26. September 2011


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