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Zu Besuch bei den Verursachern des Klimawandels

Umweltaktivistinnen aus Papua-Neuguinea, Südafrika und Nigeria auf Visite in Jänschwalde / Folgen des CO2-Ausstoßes bedrohen ihre Heimat

Von Johanna Treblin, Jänschwalde *

Drei Frauen aus Afrika und dem pazifischen Inselstaat Papua-Neuguinea haben Deutschland besucht, um von den Folgen des Klimawandels in ihren Ländern zu berichten.

Serafhina Aupong steht auf einer Aussichtsplattform in Grießen und blickt auf kahles Land. Soweit man blicken kann, erstreckt sich der Braunkohletagebau Jänschwalde Nord, im Hintergrund sind die neun Kühltürme des Kraftwerks zu sehen, das der Energiekonzern Vattenfall in Brandenburg betreibt. Aupong wischt sich Tränen aus den Augen und dreht sich von den Kameras weg.

Sie ist eine von drei Klimazeuginnen, die auf Einladung von Greenpeace und der Entwicklungsorganisation Oxfam nach Deutschland gekommen sind, um über die Folgen der Erderwärmung in ihren Ländern zu berichten. Sie besuchten den Umweltausschuss des Bundestags, waren in einer Grundschule und einem Gymnasium in Berlin und trafen sich mit Vertretern einer Bürgerinitiative in Stade zum Erfahrungsaustausch. Den Abschluss bildete der Ortstermin in der Lausitz: Nach der RWE-Anlage in Niederaußem ist Jänschwalde das klimaschädlichste Braunkohlekraftwerk Deutschlands. Pro Jahr emittiert es 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid, was ungefähr dem gesamten jährlichen CO2-Ausstoß Berlins entspricht.

Während die Industrieländer die Hauptverursacher des Klimawandels sind, leiden die Länder des Südens am stärksten unter den Folgen. Die globale Erderwärmung wird in weiten Teilen Afrikas für massive Trockenheit sorgen. Viele pazifische Inselstaaten hingegen sind durch den Meereswasseranstieg vom Untergang bedroht. Serafhina Aupong ist aus Papua-Neuguinea angereist, Zukiswa Nomwa aus Südafrika und Hauwa Umar-Mustapha aus Nigeria. Am bisher 80 Quadratkilometer großen Tagebau Jänschwalde treffen sie mit Vertretern der örtlichen Bürgerinitiativen zusammen, die selbst von der Umsiedlung ihrer Dörfer bedroht sind, wenn Vattenfall ernst macht und die Abbaufläche weiter ausweitet.

Ein eisiger Wind bläst auf der Aufsichtsplattform. Aupong hat einen braunen Wollschal um ihren Kopf gewickelt und zwei Jacken übereinander angezogen. »Zu Hause kämpfe ich gegen Bergbauunternehmen, die Gold und Nickel abbauen«, berichtet Aupong. Die Umweltaktivistin der Nichtregierungsorganisation Bismarck Ramu beschäftigt sich vor allem mit dem Problem der Nahrungsmittelknappheit bei fortschreitendem Klimawandel. Schwerpunkt ist die Arbeit mit lokalen Gemeinschaften, die sich hauptsächlich mit Fischerei ihren Lebensunterhalt verdienen. »Die Goldminen verschmutzen mit ihren Abwässern unsere Flüsse, durch die Chemikalien sterben die Fische und auch sonst ist das Wasser kaum noch nutzbar.« Dass sie in Deutschland auf Aktivisten mit ähnlichen Anliegen treffen würde, habe sie nicht erwartet.

Der nächste Stopp ist das Kraftwerk. Unentwegt steigt weißer Dampf aus den Kühltürmen auf, der Wind treibt ihn über die Köpfe der Besucher hinweg. Auf dem Parkplatz vor dem Gelände demonstrieren Greenpeace-Aktivisten: »Vattenfall bedroht Existenzen«, steht auf einem großen Banner.

»Was mich wütend macht, ist, dass Deutschland genau weiß, was es mit seiner klimaschädlichen Braunkohle in anderen Teilen der Welt anrichtet, und trotzdem weitermacht wie bisher«, sagt Aupong. »Deutschland ist einer der größten Klimasünder der Welt«, kritisiert auch Zukiswa Nomwa von der südafrikanischen Organisation Environmental Monitoring Group. »Vattenfall muss dieses Kraftwerk schließen und alle weiteren Kraftwerkspläne aufgeben.« Nomwa berät in ihrer Heimat Kleinbauern, wie sie sich an die Folgen des Klimawandels am besten anpassen können. Der Zugang zu Wasser ist das größte Problem.

Hauwa Umar-Mustapha hat ein Wolltuch über Kopf und ihren lila Mantel geworfen. Die Nigerianerin leitet die Entwicklungsorganisation Tubali Development Initiative. »Mein Herz blutet, wenn ich das hier sehe«, sagt sie. »Der Tagebau und das Kraftwerk beweisen, dass Profitmaximierung über das Wohl von Menschen auch in anderen Teilen der Welt gestellt wird.«

Schließlich müssen die Frauen zurück ins Hotel. Während Umar-Mustapha und Nomwa noch ein paar Tage in Deutschland bleiben, reist Aupong am gleichen Abend wieder ab - ihr Visum gilt nur für die Dauer des Programms.

* Aus: neues deutschland, 15. November 2011


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