Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

UN-Konferenz über Handel mit Kleinwaffen droht zu scheitern

Bremsklotz sind wieder einmal die USA - Kofi Annan wünscht sich bessere Gesetze und die Hilfe der Produzenten

Am 9. Juli 2001 begann in New York die UN-Konferenz über den Handel mit Kleinwaffen. Mit dieser Konferenz verbinden sich viele Hoffnungen insbesondere jener weltweiten Kampagne, die sich dem Kampf gegen die Verbreitung von Kleinwaffen verschrieben hat. Kleinwaffen wirken wie Massenvernichtungswaffen; die meisten zivilen Opfer in den neuzeitlichen Kriegen und Bürgerkriegen kommen durch Kleinwaffen ums Leben oder werden zu Invaliden. Eine breite Koalition aus Friedensaktivisten, NGOs und Regierungen hatte deshalb versucht, in Anlehnung an den teilweise erfolgreichen Ottawa-Prozess zur Ächtung von Anti-Personenminen einen ähnlichen politischen Prozess zur Bekämpfung der Kleinwaffenn in Gang zu setzen.

Nun sind die USA gleich zu Beginn der ersten UN-Konferenz über den globalen Handel mit Kleinwaffen offen auf Konfrontationskurs gegangen. Sie kündigten schon zum Auftakt der zweiwöchigen Konferenz an, sich allen etwaigen Beschlüssen zur Kontrolle internationaler Waffengeschäfte zu widersetzen. Außerdem sollen mögliche Beschränkungen des privaten Waffenbesitzes blockiert werden. Der Staatssekretär im US-Außenministerium, John Bolten, erklärte am 9. Juli vor der UN-Vollversammlung unter anderem, Pistolen und Revolver zum Jagen und Sportschießen seien ein "legitimer Aspekt" des amerikanischen Alltags.

Doch die USA stehen mit ihren Störmanövern nicht allein. Auch Russland, das hinter den USA ebenfalls zu den führenden Waffenherstellern der Welt gehört, und die Volksrepublik China hatten sich im Vorfeld der Konferenz gegen verschärfte Kontrollen des Kleinwaffenhandels ausgesprochen. Damit war ein wesentliches Ziel der Konferenz, die UN-Mitgliedsstaaten auf freiwillige Maßnahmen gegen die weltweite Verbreitung illegaler Kleinwaffen zu verpflichten, schon bei deren Beginn in Frage gestellt.



Was sind "Kleinwaffen"?
Unter Kleinwaffen fallen nach UN-Definition Revolver, Pistolen, Schnellfeuergewehre und Maschinenpistolen. Als Leichtwaffen werden schwere Maschinengewehre, Mörser, Handgranaten und Granatwerfer bezeichnet. Die UN schätzen, dass mit kleinen Waffen jährlich eine halbe Million Menschen getötet werden. Mit dem geplanten Aktionsprogramm wollen die Vereinten Nationen alle Hersteller verpflichten, ihre Waffen künftig zu kennzeichnen und zu registrieren. Parallel dazu sollen die Gesetze für den Export und Import von Waffen und Munition verschärft werden.


Afrikanische Staaten, Schauplatz vieler Bürgerkriege, in denen Kleinwaffen ihre verheerende Wirkung ausüben, gehen mit gutem Beispiel voran. Die Frankfurter Runschau (11.07.2001) berichtete, ein bestehendes Moratorium für den Import und die Herstellung von Kleinwaffen für Westafrika sei - zeitgleich zum Beginn der UN-Konferenz - um drei Jahre verlängert worden. Dies hätten die Mitgliedsstaaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) in der nigerianischen Hauptstadt Abuja beschlossen.

Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag von Kofi Annan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der am 11. Juli in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde. Einer treffenden Problembeschreibung folgen - gemessen an dem, was notwendig wäre - einige eher verhaltene, böswillig gesagt: zahnlose Vorschläge, wie man sich der weltweiten Flut von Kleinwaffen in Trippelschritten entgegenstemmen will. Dennoch: Mit der UN-Konferenz wurde ein dringendes Problem der Menschheit auf die Agenda der Vereinten Nationen gesetzt - die Kampagne gegen Kleinwaffen hat weitere gute Argumente ihren Kampf fortzusetzen.

Pst


Kleinwaffen bedrohen Frieden und Demokratie

Jeden Tag werden 1000 Menschen getötet, die meisten sind Frauen oder Kinder / Von Kofi Annan

Vor vier Jahren sorgte die Internationale Kampagne gegen Landminen für weltweite Aufmerksamkeit und mobilisierte mit bemerkenswerter Geschwindigkeit und zwingender Logik die Menschen weltweit gegen diese tödlichen Waffen. Ebenso tödlich und in ihrer Wirkung noch durchschlagender sind Kleinwaffen wie Revolver, Gewehre, Maschinengewehre und Mörser, Handgranaten, Panzerfäuste und tragbare Raketenabschussvorrichtungen. Auf sie sollte sich die weltweite Aufmerksamkeit als nächstes richten.

Dies ist die Hauptbotschaft, die von der Konferenz der Vereinten Nationen über Klein- und Leichtwaffen ausgeht, die am Montag in New York begann. Die Welt ist geradezu überschwemmt mit Klein- und Leichtwaffen. 500 Millionen Stück dieser Waffen gibt es auf der Welt, eine auf jeden zwölften Menschen. Die meisten sind in der Hand von Behörden.

Fallen die Klein- und Leichtwaffen aber in falsche Hände, zum Beispiel an Terroristen, Kriminelle oder irreguläre Milizgruppen, hat dies verheerende Folgen. Dann werden Konflikte verschärft, entstehen neue Flüchtlingsströme, die Rechtsstaatlichkeit wird untergraben und es kommt zu einer Kultur der Gewaltanwendung, ohne dass diese geahndet wird. Kleinwaffen sind eine Bedrohung für den Frieden und die Entwicklung, für die Demokratie und die Menschenrechte.

Kleinwaffen sind einfach zu beschaffen: mancherorts ist ein AK-47-Sturmgewehr schon für weniger als 15 Dollar erhältlich, oft auch nur für einen Sack Weizen. Sie sind einfach zu bedienen: Selbst ein Kind kann mit wenig Übung eine solche Waffe handhaben. Sie sind außerdem einfach zu transportieren und zu verstecken. Da sie nur wenig gewartet werden müssen, können sie oft jahrzehntelang benutzt werden.

Klein- und Leichtwaffen verursachen große Verluste. Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank schätzt die direkten und indirekten Schäden, die durch Kleinwaffen verursacht werden, allein für Lateinamerika auf eine Summe von 140 bis 170 Milliarden Dollar pro Jahr. Vor allem aber sind Kleinwaffen tödlich. Nach der diesjährigen unabhängigen Studie über Kleinwaffen werden jeden Tag 1000 Menschen durch Kleinwaffen getötet. Die überwiegende Mehrheit sind Frauen und Kinder.

Die Konferenz in dieser Woche soll nicht die nationale Souveränität der Staaten beschneiden, auch soll sie nicht das Recht der Staaten auf Selbstverteidigung beschränken, sich in ihre Verantwortung für Sicherheit einmischen oder das Recht der Völker auf Selbstbestimmung untergraben. Noch will sie rechtmäßigen Besitzern ihre Waffen nehmen.

Die Konferenz richtet sich vielmehr gegen skrupellose Waffenhändler, korrupte Beamte, Drogenkartelle, Terroristen und andere Gruppen, die weltweit Tod und Chaos auf Straßen, in Schulen und Städten bringen.

Um gegen diese Entwicklung anzukämpfen, brauchen wir bessere Gesetze und effektivere Verordnungen. Staaten haben internationale Normen gegen die Verbreitung von Atomwaffen geschaffen sowie chemische und biologische Waffen und Anti-Personenminen verboten. Für die Beseitigung des illegalen Handels mit Klein- und Leichtwaffen gibt es solche verbindliche Normen und Standards noch nicht.

Wir benötigen auch die Hilfe der Hersteller. Sie können die Waffen deutlich kennzeichnen, so sind sie leichter aufzufinden und zu identifizieren. Außerdem sollten solche Waffen nur durch autorisierte Händler verkauft werden. Zusätzlich müssen wir die bereits bestehenden riesigen Waffenlager abbauen. In Ländern, in denen Kämpfe beendet wurden, müssen die ehemaligen Kombattanten entwaffnet, aus ihren Kampfgruppen entlassen und bei der Arbeitssuche unterstützt werden.

Wie wir in Albanien, El Salvador, Mosambik, Panama und anderswo gesehen haben, können nicht-materielle Anreize dabei eine wichtige Rolle spielen. Für die freiwillige Abgabe von Waffen gibt es dort Werkzeuge und Schulen, Baumaterial, Gesundheitsdienste oder Straßenbauprogramme. Staaten, die für Interventionen zur Erzwingung einer Waffenruhe oft Milliarden Dollar ausgeben, sind leider oft nicht gewillt, ein paar Hundertausend Dollar für weniger dramatische Einsätze aufzubringen, die für einen dauerhaften Frieden aber von entscheidender Bedeutung sind.

In den letzten Jahren haben die Kampagnen gegen Landminen, für den Schuldenerlass und die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshof gezeigt, dass Menschen, die an eine gemeinsame Sache glauben, viel erreichen und Regierungen zur Änderungen ihrer Politik bringen können. Der illegale Handel mit Klein- und Leichtwaffen verdient ohne Zweifel ebensolche Aufmerksamkeit.

Der Text von Kofi Annan ist der Frankfurter Rundschau vom 11. Juli 2001 entnommen.

Zur "Kleinwaffen"-Seite

Zu anderen "Themen"

Zurück zur Homepage