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"Niemand unter 18 darf als Soldat rekrutiert werden"

Welttag gegen Kriegseinsatz von Kindern: Auch in Deutschland gibt es heute die "Aktion Rote Hand". Ein Gespräch mit Ralf Willinger


Ralf Willinger ist Referent für Kinderrechte bei Terre des Hommes.

Weltweit werden schätzungsweise 250 000 Kinder gezwungen, als Soldaten in bewaffneten Konflikten zu kämpfen. Am heutigen Dienstag will das »Deutsche Bündnis Kindersoldaten« mit seiner »Aktion Rote Hand« auf das Problem aufmerksam machen. Mit welchem Ziel?

Wir wollen diesen Skandal öffentlich bekanntmachen: Es darf nicht sein, daß Mädchen und Jungen in Kriegen eingesetzt werden – als Bote, Spion, Träger oder gar als Kämpfer. Jedes Jahr am 12. Februar, dem Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldaten, machen viele Menschen auch in Deutschland darauf aufmerksam.

Auch dieses Jahr wird es Aktionen geben: Schulkinder und andere versehen ein Blatt Papier mit einem Handabdruck in roter Farbe und schreiben ihre Forderungen darunter. Die gesammelten »Roten Hände« werden dann dem Bundestag, dem Europaparlament oder den Vereinten Nationen übergeben. Dem »Deutschen Bündnis Kindersoldaten«, das diese Aktion trägt, gehören außer Terre des Hommes Organisationen wie Kindernothilfe, Amnesty International, Plan Deutschland, Aktion weißes Friedensband, Unicef, Missio und World Vision an.

Welche konkreten Forderungen haben Sie in diesem Zusammenhang?

Kein Kind unter 18 Jahren darf als Soldat rekrutiert, in bewaffneten Gruppen eingesetzt oder dafür geworben werden. Wir fordern die Bestrafung der verantwortlichen Personen, Staaten und bewaffneten Gruppen, die dagegen verstoßen. Geflohenen Kindersoldaten sind Schutz und Hilfe zu leisten. Als Flüchtlinge müssen sie politisches Asyl erhalten – auch in Deutschland. Für Hilfsprogramme muß mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Die Kinder müssen psychologische Hilfe oder Ausbildungsmöglichkeiten erhalten; viele konnten über längere Zeit keine Schule besuchen.

In welchen Ländern werden Kinder als Soldaten mißbraucht – und was können deutsche Institutionen dagegen unternehmen?

In etwa 20 Ländern geschieht das, unter anderem in Afghanistan, Burma, der Zentralafrikanischen Republik, Tschad, Kongo, Somalia, Sudan oder Kolumbien. Sie werden in diesen Ländern entweder in staatlichen Armeen, bewaffneten Oppositionsgruppen oder beiden eingesetzt.

Im vergangenen Jahr gab es zum ersten Mal in diesem Zusammenhang Verhaftungen. Beispielsweise wurden der Expräsident von Liberia, Charles Taylor, und ein Kommandant aus dem Kongo verurteilt. Damit ist immerhin die bisherige Straflosigkeit aufgehoben.

Wird die CDU-FDP-Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht?

Die Kinderrechtskonvention ist zwar unterschrieben; aber Deutschland kommt in drei Bereichen seiner Verantwortung nicht nach, wie es auch im kürzlich vom »Deutschen Bündnis Kindersoldaten« herausgegebenen Schattenbericht des Völkerrechtlers Hendrik Cremer heißt. Erstens: Deutschland ist weltweit der drittgrößte Rüstungsexporteur und liefert Waffen in mehr als 100 Länder – auch Kleinwaffen, die besonders schlimme Auswirkungen auf Kindersoldaten haben. Zweitens: Beim Thema Flucht und Asyl gibt es gerade in Deutschland große Probleme. Drittens: Deutschland selber rekrutiert minderjährige Freiwillige bereits mit 17 Jahren in die Bundeswehr und wirbt dafür auch an Schulen.

Wie ergeht es ehemaligen Kindersoldaten, die in der Bundesrepublik Asyl beantragen?

Nach Deutschland fliehen Kinder aus Kriegsgebieten, die bereits als Soldaten ausgebeutet wurden und solche, die die Rekrutierung fürchten. In vielen Fällen droht ihnen die Abschiebung, denn in Deutschland ist es nicht verboten, Minderjährige zu diesem Zweck in Haft zu nehmen. Zudem wird ihnen in den Verfahren häufig nicht geglaubt. Wir fordern, die Asylverfahren für Kinder ihrem Alter entsprechend auszurichten; sie nicht in Lagern oder Kasernen unterzubringen. Sie dürfen auch nicht ständig in der Angst leben müssen, daß sie abgeschoben werden.

Interview: Gitta Düperthal

www.aktion-rote-hand.de

* Aus: junge Welt, Dienstag, 12. Februar 2013


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