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"Rote Hand" hilft Kindersoldaten

Weltweit müssen 250.000 Jungen und Mädchen in Kriegen und Konflikten kämpfen

Von Olaf Standke *

Unter dem Titel »Red Hand Day« wird jedes Jahr am 12. Februar mit Aktionen und Demonstrationen der Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten begangen. Ihre Zahl wird weltweit auf 250.000 geschätzt.

Die Gefechte im Norden Malis gingen auch am Wochenende weiter. Regierungstruppen mit Unterstützung durch französische Militärs und islamistische Rebellen lieferten sich in der Region um Gao heftige Kämpfe. Und auch dort werden Jungen und Mädchen an die Waffen gezwungen. Meistens würden sie mit Gewalt rekrutiert, sagt Antje Weber von der Kindernothilfe, und nicht selten mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht. Die Islamisten sollen nach Erkenntnissen lokaler Hilfsorganisationen aber auch umgerechnet bis zu 400 Euro pro Kind zahlen, um sie als Träger und Vorhut einzusetzen oder gar töten zu lassen.

»Unter den Folgen der körperlichen und seelischen Grausamkeiten leiden die betroffenen Mädchen und Jungen meist ein Leben lang«, betont die Kinderrechtsexpertin. Gemeinsam mit dem Deutschen Bündnis Kindersoldaten und vielen Menschen weltweit weist die Kindernothilfe nicht nur am alljährlichen Welttag auf diesen dramatischen Zustand hin.

Von mindestens 1000 Kindersoldaten allein in Mali gehen Experten nach Augenzeugenberichten aus. Auch Athanasios Melissis vom Hilfswerk terre des hommes berichtet, wie sie als Wachen, Spione oder im Gefecht missbraucht werden. Sie seien einfach billiger und leichter zu ersetzen. Weltweit wird ihre Zahl noch immer auf 250.000 in rund 20 Ländern geschätzt, ob in Rebellengruppen, Milizen, bewaffneten Banden oder Regierungstruppen. Und das, obwohl am 12. Februar 2002 das Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention über Kinder in bewaffneten Konflikten in Kraft trat.

Laut terre des hommes gibt es allein in Birma etwa 70.000 Kindersoldaten, in Kolumbien haben Oppositionsgruppen und Paramilitärs rund 14.000 unter Waffen. Wie in Zentralafrika gehören Kindersoldaten zum grausamen Alltag in vielen der 34 Kriege und bewaffneten Konflikte, die die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg 2012 erfasst hat. Wobei Afrika mit 13 Kriegen auch im Vorjahr die am stärksten betroffene Weltregion war.

Anlässlich des »Red Hand Day« rufen Menschenrechtsorganisationen weltweit zu Aktionen mit dem Symbol der Roten Hand auf. In Deutschland haben schon über 170.000 Menschen mit einem Handabdruck ihren Protest zum Ausdruck gebracht. Doch sehen Nichtregierungsorganisationen gerade bei den zuständigen Behörden dringenden Handlungsbedarf. Gegenwärtig kommen nach Schätzungen der Fachleute jährlich etwa 100 bis 200 ehemalige Kindersoldaten als Flüchtlinge schwer traumatisiert nach Deutschland. »Vielfach wird den Kindern nicht geglaubt, dass sie aus Angst vor einer Rekrutierung geflohen sind. Der Missbrauch als Kindersoldat muss als Fluchtgrund anerkannt werden«, fordert Antje Weber. Auch bei der Betreuung und Unterbringung gebe es gravierende Mängel. Insgesamt müsse das Asylverfahren kindgerechter werden.

Deutschland erfülle aber auch manche der von den Vereinten Nationen vorgegebenen Schutzverpflichtungen gegenüber Minderjährigen nicht, wie der Report 2013 des Deutschen Bündnisses Kindersoldaten verdeutlicht. So rekrutiert die Bundeswehr Jahr für Jahr rund 1000 minderjährige Freiwillige und nutzt damit eine Lücke im internationalen Menschenrechtssystem, die staatlichen Armeen diese Praxis ermöglicht.

Die große Mehrheit der 193 Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention allerdings hat sich freiwillig gegen die Rekrutierung Minderjähriger entschieden. »Kriegswaffen gehören nicht in die Hände von Kindern und heranwachsenden Jugendlichen«, bringt Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag die Position seiner Partei auf den Punkt. Auch für Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte von terre des hommes, kann es nur eine Schlussfolgerung geben: »Die Bundeswehr soll künftig ausschließlich bei Erwachsenen werben und ihre Werbung unter Minderjährigen in Schulen sofort einstellen.« Und seine Organisation fordert ein Verbot von Waffenexporten in Konfliktregionen und an Staaten, die Kindersoldaten rekrutieren. »Das wäre ein wahrhaft wirkungsvoller Schutz von Kindern vor dem Einsatz in bewaffneten Konflikten und damit einer der schlimmsten Formen des Missbrauchs.«

* Aus: neues deutschland, Montag 11. Februar 2013

Was wurde erreicht

Mehr als 370.000 rote Handabdrücke aus 50 Ländern – das ist die beeindruckende Bilanz der Aktion Rote Hand aus den letzten Jahren. Ein feierlicher Höhepunkt der weltweiten Rote-Hand-Aktion war die Übergabe eines Albums mit roten Handabdrücken aus aller Welt durch Jugendliche aus vier Kontinenten an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York am Red Hand Day 2009. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um die Situation der Kindersoldaten weltweit zu verbessern«, versprach er vor mehr als 100 Gästen, darunter UN-Botschafter aus mehr als 40 Ländern.

Auch Radhika Coomaraswamy, die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten, Claude Heller, der Vorsitzende des UN-Sicherheitsrates und Ann Veneman, die Unicef-Vorsitzende, bedankten sich mit einer Rede und gaben zusammen mit Ban Ki Moon ihre roten Handabdrücke ab. Am selben Tag gab es auch in Deutschland eine feierliche Übergabe: Bundespräsident Horst Köhler nahm im Berliner Schloss Bellevue mehr als 50 Kisten mit roten Händen in Empfang. Damit hatte die Rote Hand-Aktion einen ersten großen Erfolg erzielt: Bei Möglichst einflussreichen Politikern gegen den Missbrauch von über 250.000 Kindersoldaten weltweit zu protestieren.

Die Aktion Rote Hand startete zunächst in Deutschland. Innerhalb eines Jahres wurde die Aktion zu einer Bewegung rund um den Globus: Auch in Ländern, in denen Kinder als Soldaten missbraucht werden, wie Indien, Kolumbien, Philippinen, Uganda und Kongo, kamen Zehntausende von Abdrücken zusammen. Oft wurden die Sammelaktionen von Rote-Hand-Demonstrationen begleitet, zu denen Politiker, Wissenschaftler oder Betroffene eingeladen wurden und diskutierten. Aktionen gab es bei Musik- und Filmfestivals, bei Stadt- oder Schulfesten, bei Zeltlagern und Konferenzen, bei Kunstauktionen und Sportevents. Auch wurden viele Spenden für Kindersoldaten-Hilfsprojekte gesammelt. In Deutschland wurde die Aktion von terre des hommes gemeinsam mit »Aktion Weißes Friedensband« und »Kindernothilfe« organisiert, international gemeinsam mit Human Rights Watch. Weltweit unterstützen zahlreiche große und kleine Organisationen die Aktion, z. B. Amnesty International, Plan Deutschland, die Deutsche Kriegsgräberfürsorge und das Deutsche Jugendrotkreuz. Eine wichtige Rolle spielen nationale Bündnisse gegen den Missbrauch von Kindersoldaten, beispielsweise in Kolumbien, den Philippinen, Belgien, den USA und Deutschland (»Deutsches Bündnis Kindersoldaten«).

Quelle: Website der Aktion "Red Hand Day - Eine weltweite Initiative gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten"; http://www.redhandday.org




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