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AKW sind nicht sicher

EU-weiter "Streßtest" mit verheerenden Ergebnissen. Nachrüstung würde vermutlich bis zu 25 Milliarden Euro kosten

Von Reimar Paul *

Ausgerechnet Die Welt, ausgerechnet Günther Oettinger: Das Springer-Blatt, das sich in der Vergangenheit oft gegen den Atomausstieg positionierte, berichtete am Montag vorab über den Abschlußbericht zu den EU-weiten »Streßtests« zur Sicherheit von Atomkraftwerken (AKW), den Energiekommissar Oettinger – eigentlich ein Mann der Kernkraft – am Mittwoch vorstellen will.

Die Überprüfung der 134 Atomreaktoren in 14 EU-Staaten war nach dem Beginn des Atomunfalls in Fukushima im März 2011 angeordnet worden. Die Ergebnisse sind der Welt zufolge verheerend. Es seien »Hunderte technische Verbesserungsmaßnahmen« als notwendig benannt worden. »Praktisch alle Anlagen« müßten sicherheitstechnisch nachgerüstet werden – die Kosten dafür beliefen sich auf bis zu 25 Milliarden Euro.

Der Vergleich der EU-weiten Mängelliste fällt demnach vor allem für die französischen Anlagen schlecht aus. Bei deutschen Atomkraftwerken kritisiert die EU die installierten Erdbeben-Warnsysteme als unzureichend. Die EU-Kommission wollte die Meldung gestern weder bestätigen noch dementieren. Die Ergebnisse der Sicherheitschecks würden am kommenden Mittwoch vom Kommissarskollegium besprochen, hieß es lediglich.

Das Bundesumweltministerium sieht keine schweren Sicherheitslücken bei deutschen Atomkraftwerken. Ein Sprecher von Minister Peter Altmaier (CDU) sagte, bei den bisher bekannten Streßtests habe es für die deutschen AKW keine Beanstandungen etwa bei Kühlwasser, Stromversorgung und Notfallmaßnahmen gegeben. Zum Thema Erdbebensicherheit sagte der Sprecher: »Die Erdbebensicherheit ist bisher nicht beanstandet worden bei Kernkraftwerken in Deutschland.«

Ganz anders bewerteten Umweltverbände sowie Politiker von Grünen und Linken den Bericht aus Brüssel. »Der Streßtest hat schon nach einer oberflächlichen und wenig kritischen Analyse deutliche Sicherheitsdefizite in Europas Atomkraftwerken sichtbar gemacht«, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger. Die Summe von bis zu 25 Milliarden Euro, die zu deren Beseitigung notwendig wäre, zeige, daß es auch ökonomisch unsinnig sei, Atomkraftwerke am Netz zu lassen. Statt dessen müsse der schnelle Atomausstieg wieder das Hauptziel der Energiewende werden.

Aus Sicht der energiepolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag, Dorothée Menzner, kommen die Berichte über Sicherheitsmängel an europäischen Atomanlagen keineswegs überraschend. Eher überrasche, daß diese Mängel von der EU-Kommission eingeräumt würden. Bemerkenswert sei auch, daß die Kommission etwa Sicherheitsmängel an Reaktoren moniere, die beim deutschen Streßtest im vergangenen Jahr nicht bekannt geworden seien.

Die deutschen Atomaufsichtsbehörden sollten deshalb den Maßstab überdenken, den sie bei der Überprüfung der Atomkraftwerke angelegt hätten, und ihren Test wiederholen, fordert Menzner. Dabei sei es hilfreich, wenn die Behörden die AKW-Gelände auch tatsächlich betreten und die technischen Spezifikationen überprüfen würden, statt lediglich die Betreiber der Anlagen Fragebögen ausfüllen zu lassen. Als politische Konsequenz aus dem Streßtest-Gutachten fordert Menzner die Abschaltung aller AKW in Europa und die schnellstmögliche Auflösung der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM.

Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms verwies darauf, daß die im Rahmen der Streßtests vorgenommenen Prüfungen nicht umfassend gewesen seien. Viele sicherheitsrelevante Bereiche seien ausgeklammert worden – etwa Risiken durch alternde Technik, überholtes Design, menschliches Versagen oder Terrorismus. Zudem seien nur wenige AKW von EU-Experten tatsächlich besucht worden. »Tausende von Rissen im Stahl belgischer Reaktoren wurden nicht im Rahmen der Streßtests entdeckt«, sagte Harms.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 02. Oktober 2012


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