Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Anhaltendes Sperrfeuer

Politiker aus Union und FPD stellen weiter den raschen Ausbau der erneuerbaren Energieträger in Frage

Von Wolfgang Pomrehn *

Gerade haben sich Bundestag und Bundesrat nach monatelangem Tauziehen endlich auf die zukünftige Gestalt der Solarförderung geeinigt. Nun schnüren Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, das Paket erneut auf. Die Kürzung der Solarförderung können nur ein erster Schritt sein, meinte Rösler in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse. Seine Partei wolle eine grundlegende Änderung des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG). Dieses sieht bisher neben einer festen Vergütung für Wind-, Solar- und Biogasstrom vor allem vor, daß dieser jederzeit von den Netzbetreibern abgenommen werden muß. Nur im Falle von Netzüberlastung kann die Annahme verweigert werden. Dann muß allerdings eine Entschädigung gezahlt werden. Vor allem für die Besitzer sehr kleiner Anlagen ist diese Bevorzugung enorm wichtig, um in der Konkurrenz mit den quasi-monopolistischen Betreibern der Großkraftwerke bestehen zu können. Die FDP hatte gemeinsam mit besonders wirtschaftsnahen Teilen der Unionsparteien in den vergangenen Monaten wiederholt darauf gedrängt, diese Klausel zu demontieren. Röslers Äußerungen sind also die Ankündigung, daß die FDP ihre Angriffe auf das EEG an dieser zentralen Stelle fortsetzen will.

Schützenhilfe kommt erneut aus der Unionsfraktion. Deren stellvertretender Vorsitzender Michael Fuchs wartete Ende vergangener Woche mit einzigartigen Rechenkünsten auf. Eine vierköpfige Familie würde schon bald 400 Euro im Jahr für die Energiewende zahlen müssen. Deshalb bedürfe es einer »grundlegenden Reform« des EEG . Wie kommt Fuchs auf einen derart abenteuerlichen Betrag? Derzeit bezahlt ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt im Jahr rund 175 Euro für die sogenannte EEG-Umlage. Diese beträgt zur Zeit rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Mit ihr wird den Netzbetreibern die Differenz bezahlt, die zwischen der Vergütung für Strom aus Windkraft- und ähnlichen Anlagen und dem jeweils aktuellen Preis an der Leipziger Strombörse liegt. Die Umlage ist auch deshalb so hoch, weil diese sogenannten Differenzkosten fast ausschließlich von den privaten Haushalten und dem Gewerbe getragen werden. Die Industrie, auf deren Konto über 40 Prozent des Stromverbrauchs gehen, ist fast vollständig befreit. Genausowenig muß sie sich übrigens an den Kosten für Netzbetrieb und -ausbau beteiligen. Kürzlich bekam sie eine Verlängerung der Befreiung von der Ökosteuer versprochen.

Fuchs’ Vorstoß kam übrigens fast zeitgleich mit dem Kabinettsbeschluß zur Ökosteuerbefreiung und dürfte damit auch als Nebelkerze gedacht gewesen sein. Nun behauptet er, der Ausbau der Solaranlagen würde die Umlage auf acht Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Eine saftige Erhöhung hatte zum Wochenende auch das der Energiewirtschaft verbundene Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) prognostiziert, allerdings war dort noch von fünf Cent die Rede. Fuchs schlägt noch einmal rund eineinhalb Cent mehr drauf und rechnet dann auch noch die Mehrwertsteuer ein, was an Demagogie kaum zu übertreffen ist. Zwar stimmt es, daß die privaten Haushalte auf die Umlage auch noch die Mehrwertsteuer zahlen müssen. Aber dies kann kaum als Argument gegen den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energieträger gelten.

Der Grund für die erneuten Vorstöße gegen das EEG aus dem Regierungslager ist offensichtlich der überraschend anhaltende Erfolg von Sonne, Wind & Co. Im ersten Halbjahr 2012 wurde bereits ein Viertel des Stromverbrauchs von ihnen abgedeckt. Neue Solaranlagen hatten eine Erzeugungskapazität von 4,3 Gigawatt, womit sich rechnerisch ein halbes der größten AKW gut ersetzen läßt. Noch nie zuvor hatte es in der ersten Jahreshälfte einen derartigen Zubau gegeben. Auch die Leistung der Windkraftanlagen nimmt rasch zu, allerdings nur an Land. Die von der Bundesregierung besonders geförderte Offshore-Windenergie bleibt hingegen weiter hinter den Erwartungen zurück. Da sie aber das wesentliche Betätigungsfeld der großen Konzerne und Aktienfonds im Bereich der erneuerbaren Energien ist, können die anhaltenden Versuche, den Ausbau der Photovoltaik zu behindern, auch als Manöver gedeutet werden, Zeit zu schinden, damit der Marktanteil des Offshore-Windes noch möglichst groß werden kann.

Unterdessen zeigt ein vom Portal toptarif.de durchgeführter Vergleich von Stromtarifen, daß die günstigsten Anbieter von Ökostrom nur um zwei Prozent teurer sind als die günstigsten Vertreiber konventionellen Stroms. Im Vergleich zum Grundversorgungstarif, den private Haushalte nutzen, wenn sie sich nicht aktiv um einen anderen Vertrag bemühen, müssen für die günstigsten Angebote sauberen Stroms sogar 17 Prozent weniger entrichtet werden. Bei einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden kostet der sogenannte Grundversorger im Schnitt 947 Euro. Die günstigsten Ökoanbieter verlangen hingegen nur 785 Euro. Allerdings sollten die Verbraucher darauf achten, daß die Stromanbieter die saubere Herkunft ihres Produkts mit einem anerkannten Zertifikat nachweisen können.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 8. August 2012


Zurück zur Kernkraft- und Energie-Seite

Zurück zur Homepage