FEINDBILD ISLAM - Zehn Thesen gegen den Hass
Ulrich Gellermann über das neue Buch von Jürgen Todenhöfer *
Wer ist Jürgen Todenhöfer? Einer, der siebzehn Jahre für die CDU im Bundestag war. Der zeitweilig als rechte Hand des ziemlich unsäglichen Generalsekretärs der CDU, Bruno Heck, fungierte. Jemand, der im ausgeprägt konservativen Burda-Konzern als stellvertretender Vorsitzender arbeitete. Ein Autor, den der Herrenschreiber von der ZEIT, Josef Joffe, als "Vulgärpazifisten" bezeichnet. Was kann Todenhöfer? Lesen und rechnen. Anders als andere hat er Koran und Bibel gelesen. Und wenn er die Toten im "Anti-Terror-Kampf" zählt, fällt ihm auf, dass die Verluste bei den Muslimen um vieles höher sind als bei denen, die diesen propagieren. Was macht Jürgen Todenhöfer? Nach Lesen und Rechnen schreibt er auf. Heraus kommt das Buch "Feindbild Islam - Zehn Thesen gegen den Hass"
Der Westen ist gewalttätig
In seiner ersten These erinnert der Autor an die Millionen arabischer Zivilisten, die der Westen in den letzten 200 Jahren auf dem Gewissen hat. An die Algerier, die von der französischen Kolonialarmee hingeschlachtet wurden. An die Iraker, die Winston Churchill 1920 wegen eines Aufstandes gegen die Kolonialmacht mit Giftgas bekämpfte. An die mehr als hunderttausend Libyer, die von italienischen Truppen zum Sterben in die Wüste getrieben worden sind. Und er zählt konsequent bis in die Jetztzeit: In Folge der Sanktionen gegen Saddam Hussein kamen über eine Millionen Iraker bereits vor dem letzten Irak-Krieg um, unter ihnen 500.000 Kinder. Der Westen, verkörpert von Madeleine Albright, kommentierte: "We think the price is worth it".
Anti-Terror fördert Terror
"Ein junger Muslim", schreibt Todenhöfer auf, "der regelmäßig Fernsehnachrichten verfolgt, sieht Tag für Tag, Jahr für Jahr, wie im Irak, in Afghanistan, in Pakistan, in Palästina und anderswo muslimische Frauen, Kinder und Männer durch westliche Waffen, westliche Verbündete und westliche Soldaten sterben." Und so rechtfertigt der Autor den Terror einer winzigen muslimischen Minderheit zwar nicht, versucht aber, anders als jene, denen der Terror für ihre politischen Ziele gerade recht kommt, zu verstehen.
Terror ist kein muslimisches Phänomen
Weil das so ist, denkt das schmale Buch an den christlich maskierten Terror der ugandischen "Lord´s Resistance Army" und deren angestrebten Gottesstaat. Auch daran, dass 2010 in der Europäischen Union zwar 249 Terror-Anschläge gezählt wurden. Davon aber nur drei auf "islamistische" Attentäter zurückgingen. Dieses, der Regierungs-Propaganda entgegengesetzte Zahlenwerk, berücksichtigte nicht einmal die rechten deutschen Morde.
Terror gehört vor Gericht
Wer ist bisher für den völkerrechtswidrigen Terror-Angriff auf den Irak vor ein internationales Strafgericht gekommen, fragt Todenhöfer, und zitiert Peter Ustinov, der die westlichen Angriffskriege als "Terrorismus der Reichen" bezeichnet hat. Die Frage nach den Verantwortlichen für den Angriff auf Afghanistan schlösse sich logisch an.
Muslime und Toleranz
Es waren Christen, die den "heiligen Krieg" der Kreuzzüge erfanden. Sie waren es auch, die im Zuge der Kolonialisierung 50 Millionen Menschen in Afrika und Asien umgebrachten. Auch die 70 Millionen Toten im Ergebnis des Ersten und des Zweiten Weltkrieges gehen auf das Konto "christlicher" Länder und deren religiöser und nationalistischer Intoleranz.
Der Koran kennt Nächstenliebe
"Seid gut zu dem Nachbarn, sei er einheimisch oder aus der Fremde" (Sure 4,36). Ja, es gibt das christliche Gebot der Nächstenliebe. Aber eben auch die Frage Moses im Alten Testament im Ergebnis eines Feldzugs der Israeliten: "Warum habt ihr alle Frauen am Leben gelassen? Bringt endlich auch die männlichen Kinder um und alle Frauen, die schon mit einem Mann geschlafen haben" (AT, 31,7.15.17). Da konnte es nicht ausbleiben, dass Martin Luther noch nachlegte: "Mit Ketzern braucht man kein langes Federlesen zu machen". Um dann Scheiterhaufen zur Ausrottung der Ketzer zu empfehlen.
Fakten und Fakes
Würde neben den täglichen Tiraden gegen den Iran auch stehen, dass es dort 100 Synagogen gibt, jüdische Schulen, ein jüdisches Krankenhaus und ein den Juden garantierter Parlamentssitz, sprächen die Fakten, die Todenhöfer dokumentiert, gegen die Fakes. Und wenn man über die ungleichen politischen Rechte der Juden im Iran schreibt und zugleich Frage nach den Rechten der arabischen Minderheit in Israel stellen würde oder, noch einfacher, nach den Rechten der muslimischen Minderheit in Deutschland, wäre das schiefe Bild ein wenig gerader.
Vom Wert des Menschen
"Wir können nicht immer wieder in der muslimischen Welt intervenieren. Was wir tun können, ist, sie in Grund und Boden zu bomben", predigt Bill O´Reilly, TV-Idol der amerikanischen Rechten, von keinem Staatsanwalt gestört. Geert Wilders darf den Propheten Mohammed ungestraft einen "Kinderschänder" nennen. Sarrazin behauptet eine angeborene Behinderung unter türkischen und kurdischen Migranten, und kein öffentlicher Ankläger bringt ihn wegen Volksverhetzung vor Gericht. Da bittet Todenhöfer, sich einmal vorzustellen, das dies alles über Christen oder Juden gesagt worden wäre. Jeder weiß, dass in diesem Fall eine wache Justiz eingegriffen hätte.
Muslime gegen Terror
In seiner neunten These fordert der Autor die Muslime auf, den islamistischen Terroristen die religiöse Maske vom Gesicht zu reißen. Und Todenhöfer zitiert Mohammed: "Wer einem Juden oder Christen unrecht tut, dem werde ich am Tag des jüngsten Gerichts entgegentreten."
Politik statt Krieg
Was sollte die dumme Weigerung westlicher Politiker, fragt Todenhöfer, "mit missliebigen Politkern wie Arafat, Assad, Saddam Hussein oder Ahmadinedschad persönlich zu sprechen?" Statt die Position des kleinen Säbelrasslers Sarkozy einzunehmen, nach dem es nur die "iranische Bombe oder die Bombardierung des Irans" gäbe, müsse diese Kriegsrhetorik durch vernünftige Gespräche ersetzt werden. Und was selten gedruckt oder gesendet wird: "Auch der Atomwaffensperrvertrag fordert unmissverständlich die Abschaffung aller Atomwaffen. Die aktuellen Kernwaffenstaaten", fährt der Autor fort, "befinden sich alle im Zustand permanenter Vertragsverletzung."
Ein Buch von nur 64 Seiten. Ich ersetze all jenen Mainstream-Redakteuren, allen führenden Anti-Terror-Poltikern und den Spitzen des Verfassungsschutzes, die nachweisen können, dass sie Todenhöfers Buch gelesen und verstanden haben, den Kaufpreis.
Jürgen Todenhöfer: Feindbild Islam - Zehn Thesen gegen den Hass
C. Bertelsmann Verlag: München 2011, 64 Seiten, 4.99 EUR, ISBN: 978-3-570-10135-3 (auch als e-book zu haben)
* Diese Buchrezension haben wir mit freundlicher Genehmigung durch den Autor der Website der "Rationalgalerie" entnommen; www.rationalgalerie.de
Dokumentiert: Die 10 Thesen gegen den Hass - kurz gefasst:
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Der Westen ist viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Millionen arabische Zivilisten wurden seit Beginn der Kolonialisierung getötet.
- Nichts fördert den Terrorismus mehr als die „Antiterrorkriege“ des Westens. Sie sind ein Terrorzuchtprogramm.
- Terrorismus ist kein typisch muslimisches, sondern ein weltweites Problem.
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- Islamisch getarnte Terroristen sind Mörder. Christlich getarnte Anführer völkerrechtswidriger Angriffskriege auch.
- Muslime waren und sind mindestens so tolerant wie Juden und Christen. Sie haben die westliche Kultur entscheidend mitgeprägt.
- Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und Nächstenliebe die zentralen Gebote.
- Die westliche Politik gegenüber der muslimischen Welt leidet unter einer erschreckenden Ignoranz einfachster Fakten.
- Der Westen muss die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind genauso viel wert wie Juden und Christen.
- Die Muslime müssen sich wie ihr Prophet Mohammed für einen Islam des Fortschritts und der Toleranz einsetzen. Sie müssen dem „muslimischen Terrorismus“ die religiöse Maske vom Gesicht reißen.
- Das Gebot der Stunde heißt Staatskunst, nicht Kriegskunst – In Afghanistan, in Pakistan, im Irak, im Iran und in Palästina.
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