Muslime brauchen Friedrich nicht
Verbände fordern, die Islamkonferenz aus dem Innenministerium auszugliedern
Von Aert van Riel *
Das letzte Treffen der Islamkonferenz in dieser Wahlperiode wurde von heftiger Kritik begleitet. Muslimverbände wollen, dass die Runde nach der Wahl beim Kanzleramt oder einem neuen Integrationsministerium angesiedelt wird.
Die Islamkonferenz sorgt wieder einmal für Streit. Bei der gestrigen Konferenz, die zum letzten Mal vor der Bundestagswahl im Herbst zusammenkam, ging es um die »Prävention von Extremismus und gesellschaftlicher Polarisierung«. Im Fokus stehen auch Jugendliche, deren Abdriften in islamistische Kreise verhindert werden soll. Muslimverbände sind mit dieser sicherheitspolitischen Schwerpunktsetzung des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) unzufrieden. Sie befürchten, dass damit Vorurteilen Vorschub geleistet wird und Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. »Wir wollen nicht als Sicherheitsfaktor wahrgenommen werden«, monierte Bekir Alboga von der Organisation Ditib. Er sehne sich nach einer »echten Partnerschaft«.
Diese halten die Verbände mit Friedrich nicht mehr für möglich. Alboga sprach sich dafür aus, die Konferenz nach der Bundestagswahl aus dem Innenressort auszugliedern. Unterstützung erhielt er vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, und vom Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde, Ali Dogan. Alboga will, dass die Runde in Zukunft beim Kanzleramt angesiedelt wird. Kolat favorisiert ein neu zu schaffendes Integrationsministerium.
Auch Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen kritisierten Friedrich. »Er missbraucht die Islamkonferenz, um Muslime pauschal in die Nähe von Terrorismus und Extremismus zu rücken. Die Kritik der Verbände ist mehr als berechtigt«, sagte die LINKE-Abgeordnete Christine Buchholz.
Die Junge Islamkonferenz, ein Gesprächsforum für junge Leute, empfahl dem Innenminister, künftig nicht mehr Fragen zur Sicherheit und Extremismus zu behandeln, sondern diese in der Enquete-Kommission zu beraten. Die Konferenz solle sich auf religionsrechtliche Fragen konzentrieren.
Friedrich will jedoch nicht von seinem Kurs abrücken. Die Anregung, Sicherheitsthemen künftig aus dem Gesprächsforum auszuklammern, bezeichnete er als »völlig unsinnig«. Die Themen Terror und Sicherheit hätten dort nie eine Rolle gespielt. Zudem machte der Innenminister deutlich, dass er nicht gewillt ist, die Verantwortung für die Islamkonferenz abzugeben. Künftig solle die Arbeit der Runde stärker in die Länder und Kommunen getragen und neue Themen wie Lebenshilfe in den Blick genommen werden, stellte Friedrich in Aussicht.
Ziel der 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufenen Konferenz ist es, eine bessere Integration der Muslime und ein gutes Miteinander zu erreichen. Darüber diskutieren Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen mit den Muslimen. Viele Verbände - darunter der Zentralrat der Muslime - monierten aber eine mangelnde Dialogbereitschaft und stiegen aus der Konferenz aus.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 8. Mai 2013
Islamkonferenz am Ende?
Muslimische Verbände fordern Auslagerung aus Innenministerium **
Muslimische Verbände fordern eine komplette Neuausrichtung der Islamkonferenz nach der Bundestagswahl. Das bisherige Format habe keinen Sinn mehr, beklagten mehrere beteiligte Organisationen am Dienstag in Berlin bei der letzten Sitzung der Islamkonferenz in dieser Legislaturperiode. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schlug vor, die Arbeit regionaler auszurichten und neue Themen aufzunehmen. Zentrale Forderungen wie die Ausgliederung des Gremiums aus dem Innenressort wies er aber zurück.
In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime. Die Islamkonferenz sollte offiziell den Austausch zwischen Staat und Muslimen verbessern und deren Integration voranbringen. Mit am Tisch sitzen Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie muslimische Verbände und Einzelpersonen.
»In dieser Form macht es keinen großen Sinn mehr«, sagte Bekir Alboga von der Organisation Ditib. Der Dialog sei unentbehrlich, müsse aber anders ablaufen. Friedrich habe sicherheitspolitische Themen zu sehr in den Vordergrund gerückt. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, kritisierte, bislang gebe es keine gleichberechtigte Teilhabe der muslimischen Vertreter. Friedrich habe versucht, die Runde zu einer Sicherheitskonferenz zu machen.
Politiker von SPD, Linken und Grünen werteten die Kritik als berechtigt. Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, erklärte am Dienstag, die Konferenz sei nur noch eine »Farce«. »Muslime fast ausschließlich als Sicherheitsproblem zu thematisieren, hat rassistische Vorurteile nicht bekämpft, sondern eher befördert«, sagte die Politikerin in Berlin. Die Konferenz sei »überflüssig«, nicht zuletzt, weil »Religion ständig mit Integration gleichgesetzt« werde. Integration aber werde »sichergestellt durch Arbeit, Bildung, Ausbildung und die Stärkung des Miteinanders«.
Friedrich wehrte sich gegen die Vorwürfe. Die Themen Sicherheit und Terror hätten bei der Konferenz nie eine Rolle gespielt. Ihre bisherige Bilanz sei »außerordentlich positiv«. Der Minister warb dafür, die Arbeit der Runde künftig stärker in die Länder und Kommunen zu tragen. Themen der Konferenz waren am Dienstag der Kampf gegen Islamfeindlichkeit, der Antisemitismus unter Muslimen und Islamismus.
** Aus: junge Welt, Mittwoch, 8. Mai 2013
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