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"Der Internationale Strafgerichtshof - fünf Jahre nach Rom"

Tagung in Berlin - Presseerklärung von amnesty international - Auszug aus dem Jahresbericht

Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung von amnesty international (ai) Deutschland zum 5. Jahrestag des Römischen Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) sowie einen Auszug aus dem neuesten Jahresbericht von ai, der sich mit dem ICC befasst.


PRESSEMITTEILUNGEN

Zypries und Kaul sprechen auf der Fachkonferenz "Der Internationale Strafgerichtshof - fünf Jahre nach Rom" am 27./28. Juni 2003 in Berlin

Berlin, 4. Juni 2003 - Zum 5. Jahrestag des Römischen Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof veranstalten das Deutsche Institut für Menschenrechte, amnesty international und die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen am 27./28. Juni 2003 in Berlin eine zweitägige Fachkonferenz.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wird im Eröffnungsvortrag der Frage nachgehen, welchen Beitrag die bundesdeutsche Justiz zur Aufklärung und Strafverfolgung von Völkerrechtsverbrechen leisten kann.

Hans-Peter Kaul, deutscher Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, wird über den Aufbau und die Perspektiven des Internationalen Strafgerichtshofes sprechen.

Darüber hinaus wird sich die Tagung mit der Frage beschäftigen, welche Konsequenzen sich aus der Weiterentwicklung des internationalen Strafrechts für die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen ergeben.

Die Fachkonferenz "Der internationale Strafgerichtshof ? fünf Jahre nach Rom" findet am 27./28. Juni 2003 im Berliner Rathaus (Rotes Rathaus), Rathausstraße 15, 10173 Berlin, statt.

139 Staaten unterzeichneten 1998 das Römische Statut zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes. 90 Staaten haben bisher die Verfassung für das Weltgericht ratifiziert, darunter Deutschland und die anderen EU-Staaten ? jedoch nicht die USA. Diese lehnen den Internationalen Gerichtshof nach wie vor entschieden ab, weil sie unter anderem fürchten, dass US-Soldaten im Auslandseinsatz angeklagt werden könnten. Das Weltgericht, das im Juli 2002 in Den Haag seine Arbeit aufgenommen hat, soll Einzelpersonen für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zur Rechenschaft ziehen.

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Auszug aus der Einleitung zum Jahresbericht 2003 von ai

Internationaler Strafgerichtshof

Das Inkrafttreten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs am 1. Juli 2002 markierte einen Meilenstein im Kampf um die Beendigung der Straffreiheit für die schwersten Verbrechen, die die Welt kennt – Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Dass dieser Schritt sehr viel früher als erwartet vollzogen wurde, unterstreicht den Willen der überwiegenden Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft, die Straflosigkeit für solche Verbrechen nicht länger hinnehmen zu wollen. Straffreiheit ist ein ausschlaggebender Faktor dafür, dass in weiten Teilen der Welt der Kreislauf von Gewalt und bewaffneten Konflikten nicht durchbrochen werden kann.

Damit der Internationale Strafgerichtshof seinen Aufgaben von Beginn an effektiv nachkommen kann, sind noch eine Reihe von Fragen zu klären. So müssen alle Länder, die das Römische Statut ratifiziert haben, gesetzgeberisch initiativ werden, um ihre innerstaatlichen Gerichte in die Lage zu versetzen, gegen schwerster Verbrechen gegen die Menschheit beschuldigte Personen ermitteln, strafrechtlich vorgehen und umfassend mit dem Internationalen Strafgerichtshof kooperieren zu können. Bis Ende des Berichtszeitraums hatten nur eine Hand voll von Staaten die dafür erforderlichen Gesetze erlassen. Gleichermaßen sind die Regierungen aufgerufen, den Vertrag über Vorrechte und Immunitäten des Strafgerichtshofs zu unterzeichnen, zu ratifizieren und umzusetzen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass das Gericht auf ihrem Hoheitsgebiet seiner Arbeit ungehindert nachgehen kann. Dieses Abkommen hatten bis Ende des Jahres zwar 24 Staaten unterzeichnet, ratifiziert hatte es jedoch nur ein Staat.

Bedauerlich und unverständlich waren Bestrebungen der USA, die Funktion des Strafgerichtshofs auszuhöhlen. Die Regierung in Washington machte im Mai ihre Unterschrift unter das Statut mit der Begründung rückgängig, der Strafgerichtshof könne benutzt werden, um aus politischen Gründen Ermittlungen und Strafverfahren gegen US-amerikanische Staatsbürger zu erwirken.

Befürchtungen dieser Art entbehren jeder Grundlage, da das Römische Statut in umfassender Weise Schutzmechanismen und grundlegende Garantien für einen fairen Prozess enthält, die verhindern, dass eine solche Situation eintreten kann. Dessen ungeachtet verlangten die USA vom UN-Sicherheitsrat, er solle in seinen Beschluss zur Verlängerung des Mandats der Friedensmission in Bosnien und Herzegowina eine Klausel aufnehmen, die Einsatzkräfte aus Staaten, die sich nicht an das Römische Statut gebunden haben, der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs entzieht. Als sich die übrigen 14 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats diesem Ansinnen anfänglich widersetzten, legten die USA ihr Veto gegen eine Verlängerung der Friedensmission ein. Am 12. Juli schließlich verabschiedete der Sicherheitsrat ungeachtet der Forderungen von mehr als 100 Ländern der Welt, sich nicht dem Druck der USA zu beugen, die Resolution 1422. Diese sieht mit Stichtag vom 1. Juli 2002 für zwölf Monate die automatische Aussetzung jedweder Ermittlungen und Strafverfahren des Internationalen Strafgerichtshofs in Fällen vor, in denen amtierenden oder ehemaligen Funktionsträgern und anderen Bürgern von Staaten, die das Römische Statut nicht ratifiziert haben, im Zusammenhang mit UN-Missionen oder von dem Weltgremium autorisierten Einsätzen Handlungen oder Unterlassungen vorgeworfen werden. Nur der UN-Sicherheitsrat kann im Einzelfall entscheiden, ob von dieser generellen Regelung abgewichen werden darf.

Im August unterzeichnete Präsident Bush ein Gesetz zum Schutz der Angehörigen der US-Streitkräfte. Darin ist festgeschrieben, dass die USA mit dem Internationalen Strafgerichtshof bei Ermittlungen und Strafverfahren gegen US-amerikanische Staatsbürger nicht kooperieren werden, dass von einigen Ausnahmen abgesehen Vertragsstaaten des Römischen Statuts keine Militärhilfe aus den USA erhalten und dass »alle notwendigen Maßnahmen« zulässig sind, um im Gewahrsam des Strafgerichtshofs befindliche Personen in die USA zurückzuholen.

Die Administration in Washington hat zudem bei Regierungen rund um die Welt lobbyiert, um sie zu bilateralen Abkommen zu bewegen, in denen sie sich verpflichten, keine US-amerikanischen Staatsbürger an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern oder zu überstellen. Dabei wurde vonseiten der USA erheblicher Druck auf Regierungen ausgeübt – vielfach durch die Androhung, Militärhilfe einzustellen –, damit sie dem Ansinnen entsprechen. Bis Ende des Berichtszeitraums hatten zwar 17 Staaten solche bilaterale Abkommen unterzeichnet, aber noch keiner von ihnen die für die Rechtskräftigkeit erforderliche Ratifizierung vorgenommen.

amnesty international hat die US-Regierung im Berichtsjahr wiederholt aufgerufen, ihre Angriffe gegen den Internationalen Strafgerichtshof einzustellen und sich den Bemühungen der Staatengemeinschaft um eine Beendigung der Straffreiheit anzuschließen.

Quelle: Homepage von ai: www.amnesty.de


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