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Höchste Gefahr nicht nur für Südseeinseln

WeltRisikoBericht 2014 warnt vor Klimawandel und unreguliertem Wachstum der Städte

Von Martin Ling *

Der WeltRisikoBericht 2014 setzt seinen Schwerpunkt auf die Untersuchung der fortschreitenden Verstädterung der Welt. Meist geht dies mit steigenden Risiken her. Das ist aber kein Naturgesetz.

Mike Davis hat den Begriff geprägt: »Planet der Slums«. Der renommierte US-amerikanische Stadtforscher kam in seinem gleichnamigen Bestseller zum Schluss, dass die menschliche Siedlungsgeschichte kurz nach der Jahrtausendwende gewissermaßen eine »Kopernikanische Wende« durchlaufen habe. Die von Davis beschriebene Entwicklung ist ungebrochen. Auch deshalb widmet sich der WeltRisikoBericht 2014 erstmals dem Schwerpunktthema »Risikoraum Stadt«. Herausgegeben wird der Bericht vom Bündnis Entwicklung Hilft und dem Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn.

Lebten 1950 noch zwei Drittel der Menschheit auf dem Land, wird sich 100 Jahre später das Verhältnis umgekehrt haben: 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung Städter sein. Der Wendepunkt dieser Entwicklung lag im Jahr 2007. Die Begleitumstände sind düster: Megaslums des »Südens«, in denen die sozialen Fronten der Globalisierung in radikaler Weise aufeinander treffen.

Projektleiter Peter Mucke, Geschäftsführer des Bündnisses Entwicklung Hilft, bilanziert: »Das Wachstum der Weltbevölkerung erfolgt in Städten. In nur sieben Ländern konzentriert sich mehr als die Hälfte der rasanten Verstädterung. Indien und Pakistan, aktuell wieder von einer schweren Katastrophe betroffen, gehören dazu.«

In schnell wachsenden Städten ist die Gefahr groß, dass der enorme Zustrom an Menschen zu informellen Siedlungen und der Bildung von Slums fuhrt – oftmals in Gebieten, die für Naturgewalten besonders anfällig sind wie Flussufer oder Hanglagen. Beispiele hierfür sind Shanghai, Jakarta und Rio de Janeiro.

Während in den Industrieländern eher die ländliche Region unter der Anziehungskraft der Städte leide, stelle ein massives urbanes Bevölkerungswachstum die Metropolen vieler Entwicklungsländer vor Probleme. Mucke betont: »Der WeltRisikoBericht 2014 zeigt, dass Menschen in Städten oftmals sicherer leben als auf dem Land. Die Zunahme extremer Wetter-Ereignisse und der Meeresspiegelanstieg erhöhen den Handlungsdruck für Städte massiv, insbesondere für Küstenstädte.«

Das Fortschreiten des Klimawandels macht extreme Wetter-Ereignisse wie Dürren und Fluten wahrscheinlicher, das lässt sich statistisch signifikant bereits für die vergangenen Jahre nachweisen. So hat sich zum Beispiel die Anzahl schwerer Wirbelstürme in der Karibik im letzten Jahrzehnt deutlich erhöht.

»Extreme Naturereignisse müssen nicht unbedingt zu Katastrophen werden. Der WeltRisikoBericht 2014 basiert darauf, dass sich Katastrophenrisiken immer aus zwei Komponenten zusammensetzen: der Exposition beziehungsweise Gefährdung gegenüber Naturgefahren und der gesellschaftlichen Vulnerabilität, also sozialen Strukturen und Prozessen in einem Land«, sagt PD Dr. Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen, der die wissenschaftliche Studie leitet. »Zudem zeigt der aktuelle Bericht, dass zwei globale Trends – Urbanisierung und Klimawandel – Risiken in zahlreichen Ländern erheblich verändern. Das rapide Wachstum von Städten ist dabei in einigen Ländern ein deutlicher Motor, der Risiken erhöht, in anderen Ländern kann das Städtewachstum allerdings auch zu einer Reduzierung von Risiken gegenüber Naturgefahren beitragen«, sagt Birkmann.

Urbanisierung wird meist als bedrohlich interpretiert. Dabei könnte es durch die Erreichbarkeit vieler Menschen auf relativ geringer Fläche besser gelingen, die Versorgung der Menschen zu sichern und ihre Verwundbarkeiten zu verringern. »Länder, die Naturgefahren kommen sehen, die sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten und die die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen, sind für die Zukunft besser gerüstet«, sagt Peter Mucke. »Der WeltRisikoBericht soll einen Beitrag dazu leisten, diese Zusammenhänge auf globaler Ebene zu betrachten und zukunftsorientierte Schlussfolgerungen für Hilfsmaßnahmen, Politik und Berichterstattung zu ziehen.« Damit leistet der Bericht einen Beitrag rund zu einer der großen politischen Fragen des 21. Jahrhunderts: Wie weiter auf dem Planet der Slums?

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 17. September 2014


Der Weltrisikobericht 2014: So verwundbar sind einzelne Länder und städtische Räume

Erstmals untersucht der WeltRisikoBericht auch das Katastrophenrisiko in städtischen Räumen.

Berlin, 16. September 2014 – Welchen Einfluss hat die Urbanisierung auf die gesellschaftliche Verwundbarkeit gegenüber Naturgefahren? So lautet nur eine wichtige Frage, die der neue WeltRisikoBericht stellt – und auch beantwortet. Am 16. September wird die komplett neu erstellte vierte Ausgabe veröffentlicht, herausgegeben vom Bündnis Entwicklung Hilft und der Universität der Vereinten Nationen, Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit.

Der WeltRisikoIndex 2014

Der Index schätzt das Katastrophenrisiko einzelner Länder ein und betrachtet dabei Naturgefahren und gesellschaftliche Zustände. Dabei liegt das Land mit dem höchsten Risiko auf Platz 1 von den ingesamt 171 Ländern, die der Index untersucht.

Die aktuell verwundbarsten Länder sind Vanuatu, die Philippinen und Tonga. Deutschland liegt auf Platz 147. Im Zentrum des WeltRisikoindexes stehen folgende Fragen:
  • Wie wahrscheinlich ist ein extremes Naturereignis und trifft es auf Menschen?
  • Wie verwundbar sind die Menschen durch die Naturgefahren?
  • Inwieweit können Gesellschaften die Katastrophen bewältigen?
  • Gibt es Vorsorgemaßnahmen gegenüber zu erwartenden Naturgefahren?
„Extreme Naturereignisse müssen nicht unbedingt zu Katastrophen werden. Der WeltRisikoBericht 2014 zeigt, dass sich Katastrophenrisiken immer aus zwei Komponenten zusammensetzen: der Exposition bzw. Gefährdung gegenüber Naturgefahren und der gesellschaftlichen Vulnerabilität, also sozialen Strukturen und Prozessen in einem Land “ erklärt PD Dr. Jörn Birkmann , der wissenschaftliche Leiter der Studie.

Wie sehr ein hoher Entwicklungsstand der Gesellschaft das Katastrophenrisiko minimieren kann, zeigt das Beispiel Griechenland. Im Expositionsindex liegt Griechenland in der höchsten der fünf Klassen (Rang 24). Aufgrund der sehr geringen Vulnerabilität ergibt sich für Griechenland in der Summe jedoch ein mittleres Risiko - mit einem Wert von 7,10 Prozent (Rang 71). Das Land mit dem geringsten Katastrophenrisiko weltweit ist Katar mit 0,08 Prozent.

„Zudem zeigt der aktuelle Bericht, dass zwei globale Trends – Urbanisierung und Klimawandel – Risiken in zahlreichen Ländern erheblich verändern. Das rapide Wachstum von Städten ist dabei in einigen Ländern ein deutlicher Motor, der Risiken erhöht, in anderen Ländern kann das Städtewachstum allerdings auch zu einer Reduzierung von Risiken gegenüber Naturgefahren beitragen“, so Birkmann.

Risikoraum Stadt

Mit dem Schwerpunktthema „Risikoraum Stadt“ betrachtet der WeltRisikoBericht in diesem Jahr erstmals die Vulnerabilität und Exposition von urbanen Räumen gegenüber Naturgefahren. Sechs der 15 Länder mit dem höchsten urbanen Risiko befinden sich ebenfalls unter den 15 Ländern mit dem weltweit höchsten nationalen Risiko: Costa Rica (urbaner Risikorang 1), die Philippinen (2), Guatemala (9), Bangladesch (11), El Salvador (13) und Papua-Neuguinea (14).

Urbanisierung wird meist als bedrohlich interpretiert. Dabei könnte es durch die Erreichbarkeit vieler Menschen auf relativ geringer Fläche besser gelingen, die Versorgung der Menschen zu sichern und ihre Verwundbarkeiten zu verringern. „Länder, die Naturgefahren kommen sehen, die sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten und die die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen, sind für die Zukunft besser gerüstet“, sagt Peter Mucke, Autor des Berichtes und Geschäftsführer des Bündnis Entwicklung Hilft. „Der WeltRisikoBericht soll einen Beitrag dazu leisten, diese Zusammenhänge auf globaler Ebene zu betrachten und zukunftsorientierte Schlussfolgerungen für Hilfsmaßnahmen, Politik und Berichterstattung zu ziehen.“

Schnell wachsende Städte sind besonders verwundbar. Der enorme Zustrom an Menschen führt zur Bildung informeller Siedlungen und von Slums – oftmals in Gebieten, die Naturgefahren gegenüber besonders exponiert sind: an Flussufern oder in Hanglagen. Beispiele hierfür sind Shanghai, Jakarta und Rio de Janeiro.

Das Fatale: Hohe und sehr hohe Wachstumsraten urbaner Räume gibt es ausschließlich in Entwicklungs- und Schwellenländern. 22 der 34 Städte mit einem Bevölkerungswachstum von über vier Prozent befinden sich auf dem afrikanischen Kontinent; hier ist Luanda, die Hauptstadt Angolas, mit 5,3 Millionen Einwohnern die größte Stadt. Die Stadt mit dem höchsten Bevölkerungswachstum weltweit ist Ouagadougou in Burkina Faso mit mit 6,13 Prozent.

„Wachstum bietet nicht nur Risiken, sonder auch Chancen für städtische Räume. Mittels angepasster Stadtplanung und nachhaltiger Entwicklung können Risikofaktoren reduziert werden“, sagt Dr. Torsten Welle von der Universität der Vereinten Nationen, Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit. Dies kann man gut am Beispiel von Ägypten und den USA verdeutlichen. Bei vergleichbarer urbaner Exposition gegenüber Naturgefahren, aber dem größeren urbanen Wachstum in Ägypten (prognostiziertes Wachstum: 1,8%) im Vergleich zu den USA (prognostizierter Wachstum: 0,81% bis zum Jahr 2050), sollte zukünftig in Ägypten während der Wachstumsphase eine hohe Priorität auf Risikominderungsstrategien gelegt werden, da die urbane Verwundbarkeit in Ägypten mit einem Indexwert von 49,5 bereits sehr hoch ist, während sie in den USA mit einem Indexwert von 29,5 deutlich niedriger ist.

Hinweise an Redaktionen:
  1. Den vollständigen Bericht finden Sie ab dem 16.9.14, 12 h, zum Download unter www.weltrisikobericht.de und http://ehs.unu.edu/article/read/worldriskreport2014.
  2. Druckfähige Bilder, Infografiken und Kartenmaterial werden auf Anforderung gerne zur Verfuegung gestellt: https://flic.kr/s/aHsk2PG15F
  3. Wir schicken Ihnen gern eine gedruckte Fassung des Weltrisikoberichts 2014 und älterer Ausgaben zu. Bitte schicken Sie uns eine E-Mail an: presse@entwicklung-hilft.de. Quelle: United Nations University - Institute for Environment and Human Security; http://ehs.unu.edu/article/read/worldriskreport2014




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