Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

BRICS-Konkurrenz für IWF und Weltbank

Die fünf großen Schwellenländer wollen sich stärker vom Westen emanzipieren

Von Hermannus Pfeiffer *

Die BRICS-Staaten setzen auf ihren gewachsenen wirtschaftlichen Einfluss weltweit und wollen nun auch Gegeninstitutionen zu IWF sowie der Weltbank gründen.

Nach dem Ende der für den Gastgeber Brasilien verunglückten Fußball-Weltmeisterschaft geht es in Fortale-za nun richtig zur Sache. In der Millionenmetropole empfing Präsidentin Dilma Rousseff am Dienstag prominente Gäste: Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Indiens neuen Premierminister Narendra Modi, Chinas Oberhaupt Xi Jiping und Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Anlass war das sechste Gipfeltreffen der BRICS-Staaten, das heute in Brasilia zu Ende geht. Im Mittelpunkt stehen die Gründungen einer Entwicklungsbank und eines Reservefonds. Die russische Nachrichtenagentur Ria-Novosti spricht von einer »Ersatzbank der Weltwirtschaft«.

Tatsächlich sind die fünf Schwellenländer zu einem wichtigen Faktor geworden: Sie zählen drei Milliarden Menschen, und ihr Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei mehr als 16 Billionen Dollar. Zuletzt ließen allerdings die Wachstumszahlen zu wünschen übrig: China liegt weit unter den früheren zweistelligen Wachstumsraten, Indien leidet unter hoher Inflation, Russlands Wirtschaft spürt zunehmend die Ukraine-Krise, Südafrikas Volkswirtschaft wächst langsamer als die Bevölkerung und Brasilien hat den möglichen WM-Schub verspielt. In diesem Jahr dürfte in dem sozial tief gespaltenen südamerikanischen Land das BIP nur noch um ein Prozent zulegen.

An den Plänen für eine Entwicklungsbank und einen Währungsreservefonds wurde seit zwei Jahren gearbeitet. Noch auf dem letzten BRICS-Gipfel in Durban 2013 scheiterte der Versuch. Nun soll es im zweiten Anlauf klappen. Die Entwicklungsbank könnte mit einem Kapital von 50 Milliarden Dollar ausgestattet werden – das wäre mehr, als die Deutsche Bank besitzt. Damit sollen wirtschaftliche Projekte aller Art gefördert werden. Welche, bleibt zunächst unklar. »Es gibt noch ziemlich viele unbeantwortete Fragen«, räumt auch Russlands Finanzminister Anton Siluanow ein. Beobachter gehen nicht davon aus, dass mit den Geldern allein Staudämme, Straßen und Schulen in den fünf Ländern finanziert werden sollen. Vielmehr sei die Entwicklungsbank eher ein Instrument, um den Einfluss der BRICS-Staaten in Afrika und Lateinamerika auszubauen. So ist es auch kein Zufall, dass Putin vor dem Gipfel nach Argentinien gereist war.

Chinas Präsident Xi Jiping wird der nächste sein. Der Exportweltmeister sucht Anlagefelder für seine gewaltigen Devisenreserven und will sich noch mehr Rohstoffreserven weltweit sichern: So soll eine Pipeline ab 2020 russisches Erdöl ins Reich der Mitte transportieren und das von der neuen Mittelschicht immer stärker konsumierte Fleisch wird mit Soja aus Brasilien »produziert«. Peking setzt aber auch außerhalb der BRICS-Runde Marksteine: Kürzlich wurden Freihandelsabkommen mit Island und der Schweiz abgeschlossen; mit Südkorea steht ein solches kurz bevor.

Dagegen existieren der Mercosur und das halbe Dutzend anderer Freihandelsabkommen in Südamerika fast nur auf dem Papier. Und auch die BRICS sind alles andere als eine geschlossene Gruppe: Sie setzen sich aus drei Demokratien und zwei autokratischen Systemen zusammen; zwei Länder haben Nuklearwaffen und sind zugleich ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Und während Brasiliens Präsidentin Rousseff auf ein gutes Verhältnis zu den USA Wert legt, würde Putin wohl gerne eine Allianz gegen Washington bilden. Aber es gibt auch mehr als 30 Kooperationsprojekte der BRICS-Staaten vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung.

Neben der Entwicklungsbank soll nun auch ein Währungsfonds die Zusammenarbeit vertiefen. Während zur Bankgründung jeder der Staaten ein Fünftel beisteuert, wird der Reservefonds mit 100 Milliarden Dollar ausgestattet werden, von denen 41 von China, 18 jeweils von Brasilien, Russland und Indien sowie 5 Milliarden von Südafrika kommen sollen. Mit dem Geld könnten notfalls die Währungen der großen Kleinen gestützt werden. Oliver Stuenkel, Wissenschaftler an der Universität Getúlio Vargas in São Paulo, sieht darin eine »Ohrfeige« für Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF). So kritisieren die BRICS-Regierungen seit langem, dass die USA immer den Präsidenten der Weltbank und Europa immer den IWF-Chef stellen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 16. Juli 2014


Zurück zur Globalisierungs-Seite

Zur Globalisierungs-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Seite "Neue Weltordnung"

Zur Seite "Neue Weltordnung" (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage