Kein Fortschritt bei WTO-Gesprächen
Höhe der erlaubten Agrarsubventionen noch immer strittig / Entwicklungsländer unzufrieden
Von Aileen Kwa, Genf *
Bei der Welthandelsorganisation (WTO) gibt es offenbar keine signifikanten Fortschritte bei den
Agrarverhandlungen, auch wenn WTO-Chef Pascal Lamy immer wieder davon spricht, dass sich
ein Ende der Gespräche abzeichnet.
Ende 2001 wurde in der Wellthandelsorganistaion (WTO) hochtraben die sogenannte
Entwicklungsrunde gestartet. Die Industrieländer kündigten an, den Entwicklungsländern
entgegenzukommen. Seit 2006 steht die Runde offiziell still, während hinter den Kulissen versucht
wird, die Blockade aufzulösen. Die Diskussionen über strittige Themen wie die Agrarsubventionen
der USA sind noch lange nicht vorbei, heißt es aus den Reihen der Entwicklungsländer. »Es hat in
den letzten Monaten Fortschritte bei den Landwirtschaftsverhandlungen gegeben, geschafft aber
haben wir es keineswegs«, sagte ein afrikanischer Delegierter gegenüber IPS. »Wir haben noch viel
Arbeit vor uns«, bekräftigte ein weiterer WTO-Experte aus dem Süden.
Ganz offenkundig zeichne die WTO-Spitze um Chef Pascal Lamy ein falsches Bild. Als Beispiel
nannte der Delegierte die jüngsten Verhandlungen über den sogenannten speziellen
Sicherheitsmechanismus SSM in den Landwirtschaftsgesprächen, der Entwicklungsländern helfen
soll, ihre Märkte zu schützen. Die Unterredungen seien gerade ohne Ergebnis ausgelaufen. Das
habe auch der Leiter der Agrarverhandlungen, Crawford Falconer, einräumen müssen.
Ein Problem sind die in der Gesprächsvorlage von Falconer vorgeschlagenen erlaubten USamerikanischen
Agrarsubventionen in einer Größenordnung von 13 Milliarden bis 16 Milliarden USDollar.
Der noch näher zu bestimmende Satz ist den Entwicklungsländern entschieden zu hoch
angesetzt, den USA aber nicht hoch genug, obwohl er Washington eine Verdoppelung der
derzeitigen landwirtschaftlichen Hilfen erlauben würde. Gegenwärtig unterstützt die US-Regierung
ihre Bauern mit 7,5 Milliarden Dollar pro Jahr.
Nach dem Ende der jüngsten Gespräche sagte der indische Handelsminister Kamal Nath: »Würden
die USA nur um einen Dollar heruntergehen, wäre der Deal perfekt.« Aber Washington bewege sich
keinen Millimeter.
Nicht voran kommen auch die Verhandlungen über tropische Produkte und Handelspräferenzen
etwa im Rahmen der EU-Gespräche über die Liberalisierung des Handels mit den Staaten im
afrikanisch-karibisch-pazifischen Raum (AKP). Zucker und Bananen machen immer wieder
Schlagzeilen, zu Risikoprodukten aber gehören auch eine ganze Reihe von frischen und
getrockneten Früchten, Ölen und Waren wie Vanille, die in wesentlich kleinerem Maßstab gehandelt
werden.
Ebenso stagnieren die Verhandlungen über den Marktzugang für nicht-landwirtschaftliche Produkte
(NAMA). Hier haben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an die Zollsenkungen im Norden und
im Süden als Hindernis erwiesen. Nach einem Bericht des »South Centre« wird von den Staaten in
der NAMA-11-Koalition, zu der Länder wie Ägypten, Argentinien, Brasilien, Indien, Namibia,
Südafrika, Tunesien gehören, eine Senkung von 45 bis 60 Prozent erwartet, von den reichen
Staaten aber nur ein Abbau um 30 Prozent. Gewerkschaften aus den NAMA-11-Staaten warnten
ihre Handelsminister unlängst in einem Schreiben davor, dass der NAMA-Text in seiner jetzigen
Form die Arbeitslosigkeit fördern und die industrielle Entwicklung behindern würde.
Umstritten sind auch die im NAMA-Entwurf vorgesehen sogenannten Flexibilitäten für einige
Tariflinien. Sie räumen zwar geringere Einschnitte ein, beschränken den Vorteil aber wiederum
durch Restriktionen des Handelsvolumens. Wie ein Experte erläuterte, können die Flexibilitäten
theoretisch durchaus für zwölf bis 14 Prozent der Tariflinien gelten, sind dann aber nur auf sieben
Prozent anzuwenden, weil damit die Obergrenze für das zu begünstigende Handelsvolumen
erreicht ist. In dieser Situation verlangt der gemeinsame Markt des Südens MERCOSUR --
bestehend aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay -- Flexibilität für 16 Prozent der
Tariflinien der Zollunion ohne jegliche Beschränkungen durch Bestimmungen zum Handelsvolumen.
»Für uns ist die Umsetzung dieser Forderung eine Alles-oder-Nichts-Frage. Bekommen wir kein
grünes Licht, setzen wir uns gar nicht erst an den Verhandlungstisch«, sagte ein MERCOSURUnterhändler
bei der WTO in Genf. Nicht weniger als solche Klippen verärgert die NAMA-11-
Staaten eine Klausel, die zunächst den Schutz ganzer Produktkategorien verhindern sollte und jetzt
auch auf Unterkategorien angewendet werden soll. »Warum sollten wir uns darauf einlassen. Auch
die EU schützt ganze Bereiche etwa in der Landwirtschaft.«
IPS
* Aus: Neues Deutschland, 1. Juli 2008
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