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Zu wenig Wasser in den urbanen Zentren

Internationales Forum in Stockholm diskutiert mangelnde Versorgung in Mega-Cities

Von Haidy Damm *

Seit 2010 sprechen die Vereinten Nationen beim Zugang zu sauberem Trinkwasser von einem Grundrecht. Dieser fehlt vor allem in großen Städten, heißt es zum Auftakt der Internationalen Wasserwoche in Stockholm. Oft fehlt die Infrastruktur, eine Schlüsselrolle spielt auch die Landwirtschaft.

Laut einer Studie des World Wide Fund for Nature (WWF) droht den urbanen Großregionen und Metropolen weltweit eine Zuspitzung der »Wasserkrise«. In vielen Fällen sei die Situation schon jetzt »untragbar«: Wasserknappheit, abnehmende Qualität, Verschmutzung und Übernutzung führten in den sogenannten Mega-Cities zur Versalzung des Trinkwassers, heißt es in der WWF-Studie »Big Cities. Big Water. Big Challenges«.

Beispiel Buenos Aires: Der Riachuelo, einer der weltweit am stärksten kontaminierten Flüsse, weise Konzentrationen von Blei, Zink und Chrom auf, die die Grenzwerte in Argentinien um das 50-Fache übersteigen – verschmutzt durch die Industrie. Ähnliche Probleme weist die Wasserversorgung in Kalkutta, Mexiko-City, Schanghai oder Nairobi auf.

»Übertragen auf deutsche Verhältnisse würde das bedeuten, dass jeder dritte Einwohner Berlins keinen Wasseranschluss hat. Unternehmen im Großraum Potsdam-Berlin liefen Gefahr, in Trockenzeiten immer wieder ihre Produktion einstellen zu müssen. Außerdem wären Spree, Havel und die Seen im Umkreis der Stadt allesamt verschmutzt, mit Müll verstopft oder würden leer gepumpt. An Baden wäre da nicht mehr zu denken«, erklärt Martin Geiger, Leiter Bereich Süßwasser beim WWF Deutschland. Und die Städte wachsen. Im Jahr 2050 werden nach UN-Prognosen 70 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten leben. Gleichzeitig hinken sie beim Ausbau der Infrastruktur etwa der Leitungen hinterher.

Der WWF fordert, »Ökosysteme, die Grund- und Oberflächenwasser liefern, müssen geschützt und wiederhergestellt werden«. Um den Wasserverbrauch zu reduzieren, sei eine Verbesserung der Leitungsnetze sowie ein effektives und nachhaltiges Abwassermanagement ausschlaggebend«, so Geiger.

Doch nicht allein mangelnde Infrastruktur oder Trockenheit führen zu schlechter Versorgung. Neben der Privatisierung führt auch die Korruption zu erhöhten Preisen. Denn bei der Wasserver- und -entsorgung geht es um gewaltige Summen. Wenn die Korruption auch die Aufbereitung betrifft, führt das zu minderer Qualität etwa durch schlechte Filter oder fehlendes Chlor. Um dennoch an sauberes Trinkwasser zu kommen, müssen die Menschen Wasser von informellen Versorgern beziehen und einen horrenden Preis dafür bezahlen, sagt der Wasserexperte der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Andreas Kanzler. »Der Preis kann bis zu tausendfach höher sein, als wenn ich das Wasser aus der Leitung bekomme.«

Das Problem mit der Korruption thematisierte bei der Auftaktveranstaltung auch Sheela Patel, Vorsitzende der Slum Dweller International (SDI), einem Netzwerk von Slumbewohnern. Sie mahnte die Teilnehmer zudem, bei der Suche nach Lösungen die Bewohnerinnen und Bewohner frühzeitig mit einzubeziehen.

Nach Aussage eines UN-Berichts kommt der Landwirtschaft eine besondere Rolle zu. Verbesserte Agrartechniken und eine sensiblere Nutzung des Ökosystems könnten das Problem verkleinern, heißt es in dem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) und des Internationalen Instituts für Wassermanagement (IWMI). In einigen Regionen mit intensiv betriebener Landwirtschaft seien die Grenzen der Wasserversorgung bereits »erreicht oder überschritten«. Dazu zählten die Ebenen im Norden Chinas, im Indischen Punjab sowie im Westen der USA. Vorgeschlagen wird, Bauern mit Hilfe von Anreizen und besserer Ausbildung dazu zu bringen, umweltschonender zu wirtschaften.

* Aus: Neues Deutschland, 23. August 2011


Wer zahlt?

Von Haidy Damm **

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 rund 70 Prozent der Menschen in den globalen Megastädten leben. Um sie mit möglichst sauberem Trinkwasser zu versorgen, braucht es technische Lösungen. Kürzlich hat der Siemens-Konzern in der Entwicklung der Megastädte seine Chance entdeckt. Auf rund 300 Milliarden Euro bezifferte Unternehmenschef Peter Löscher im März dieses Jahres das Marktvolumen zum Beispiel für Stromnetze oder Abfallbeseitigung – und die Wasserversorgung. Da sitzt der Konzern als Sponsor der Internationalen Wasserwoche an der richtigen Stelle. Nun sind technische Lösungen nicht falsch. Dennoch – mit ihrer Aufforderung, gemeinsam mit den Menschen Lösungen zu entwickeln, hat die Vorsitzende des Netzwerkes der Slumbewohner in ihrer Rede einen wunden Punkt getroffen. Hier sitzen internationale Organisationen wie die Weltbank mit Wirtschaftsunternehmen zusammen und entwickeln Lösungen – gerade ohne die betroffenen Menschen mit einzubeziehen.

Zudem ist Wasserversorgung auch eine Verteilungsfrage. Privatisierung aber ist auf der Konferenz kaum Thema. In den Städten Südafrikas beispielsweise gibt es genügend Wasserleitungen – nur der Zugang ist versperrt. Das Menschenrecht Wasser gibt es eben nur gegen Bezahlung.

** Aus: Neues Deutschland, 23. August 2011 (Kommentar)


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