Das Recht auf Wasser ist ein Menschenrecht
In Mexiko-Stadt findet das 4. Weltwasserforum statt - Positive Ansätze und viel Kritik
Vom 16. bis 22. März 2006 findet in Mexiko-Stadt das 4. Weltwasserforum statt. Themenschwerpunkt
unter anderem: "Wasserversorgung und sanitäre Entsorgung für alle". Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Sekretariats des Weltwasserrats vom August 2005, in der die Ziele des Weltwasserforums dargelegt wurden, sowie zwei aktuelle Artikel zum Beginn der Konferenz.
Lokale Lösungen für Wasserprobleme: Das vierte Weltwasserforum
STOCKHOLM, Schweden, August 26, 2005
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In der Vorbereitungsphase werden lokale Projekte identifiziert
- Das 4. Weltwasserforum erwartet eine beachtliche Teilnahme der führenden Gruppen und Organisationen des Forums
- Das europäische Regionalkomitee wurde eingerichtet
- Die Inter-American Development Bank bietet Unterstützung für Medienaktivitäten an
Die mexikanische Regierung hat durch das Sekretariat des 4. Weltwasserforums und den Weltwasserrat während des Seminars "Lokale Aktionen für eine globale Herausforderung", das im Rahmen der Weltwasserwoche in Stockholm abgehalten wurde, eine zweite Erklärung abgegeben.
Cristobal Jaime Jaquez, Co-Chair des International Organizing Committee des Forums und Vorsitzender der mexikanischen Wasserkommission berichtete, in der Erklärung werde dazu angeregt, sich auf lokale Ansätze zu konzentrieren. An solchen lokalen Lösungen sollten nicht nur Regierungen teilnehmen können, sondern auch einzelne Personen, die zivile Gesellschaft, die Massenmedien, die Geschäftswelt und Mitglieder der verschiedenen Gruppierungen jedes Landes.
"Dies ist eine Möglichkeit für alle Länder, von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen, deren erfolgreiche Methoden zu übernehmen und den reellen Bedingungen jeder Region anzupassen", erklärte er.
Franca Schwarz vom deutschen Umweltministerium stimmte dem zu und wies darauf hin, dass sich das 4. Weltwasserforum von anderen globalen Konferenzen tatsächlich durch die Identifizierung lokaler Lösungen abhöbe. Durch regionale Treffen in der Vorbereitungsphase des Forums werden verschiedene Ansichten und Erfahrungen zusammengetragen.
Währenddessen unterstrich Hilary Coulby von der Multi-Stakeholder Steering Group, alle Gruppen und sozialen Organisationen seien bereit und stünden bereits miteinander in Kontakt, um am Forum teilzunehmen. "Es wurden bereits Vorbereitungstreffen in Brasilien, Südafrika, Uganda und den Philippinen der Agenda hinzugefügt, an denen einige repräsentative Gruppen wie Thames Water, PSI und Water Aid teilnehmen", berichtete sie.
Ausserdem haben internationale Frauenorganisationen und -verbände, die in Wasser- und Umweltschutzorganisationen mitarbeiten, ihre Kräfte vereint und einen Frauenrat gebildet. Dieser Rat hat das Ziel, Sitzungen zu organisieren, die die Berücksichtigung der weiblichen Perspektive im Forum garantieren sollen.
Das International Organizing Committee des 4. Weltwasserforums gab bekannt, dass die zweite Erklärung auch die Art und Weise der Teilname von Organisationen, Verbänden oder Einzelpersonen in den fünf Regionen (Afrika, Amerika, Asien-Pazifik, Europa und Mittlerer Osten) behandelt. Die Teilnehmer können so die verschiedenen Ansätze zur Lösung von Wasserproblemen und bereits erfolgreich eingesetzte Lösungen kennen lernen.
Während der Weltwasserwoche in Stockholm wurde ein Regionalkomitee für Europa eingerichtet. "Wir freuen uns, während der Vorbereitungsphase und während des 4. Weltwasserforums selbst mit Europa zusammenzuarbeiten, damit lokale europäische Massnahmen stark in das Forum einfliessen", sagte der Koordinator des Komitees, Jeroen J. van der Sommen vom Netherlands Water Partnership während seines Referats.
Der äthiopische Wasserminister, Shiferaw Jarso, wies darauf hin, dass es ausser schlechtem Wassermanagement auch keine Pläne für die Reaktion auf ökologische Probleme und Faktoren wie Armut und Auswirkungen von Naturkatastrophen (Trockenheit, Überschwemmung und Desertifikation) gibt und dass bedeutende Investitionen in Infrastrukturen notwendig sind. "Es muss gehandelt und nicht nur diskutiert werden", sagte er.
Bert Diphoorn, Vorstandsmitglied der African Development Bank (ADB) und Koordinator des Organizing Committee für die Region Afrika erklärte: "Afrika ist sehr an der Teilnahme an der Vorbereitungsphase und am Forum selbst interessiert und hat dabei die Unterstützung der African Development Bank. Dank des Forums werden wir mehr als 20 von Experten organisierte Sitzungen sowie ein Regionaltreffen veranstalten, das nächsten Monat in Tunesien stattfindet."
Besonders wichtig ist, dass die zweite Erklärung eine Beschreibung der Herausforderungen in jeder Region enthält, ausgehend von den Rahmenthemen bis zu Themen wie die Finanzierung lokaler Initiativen, die Entwicklung von Kapazitäten, die Nutzung von Technologien und die Bewertung aktueller Wasserpolitik.
Das Dokument beschreibt auch die Agenda der verschiedenen Komponenten des Forums, wie der Ministerkonferenz, der Weltwasserausstellung, der Preisverleihung und der Water Fair mit ihren kulturellen Veranstaltungen. Informationen über die Agenda erhalten Sie unter:
http://www.worldwaterforum4.org.mx.
Im Zusammenhang mit anderen Punkten wurde berichtet, dass das Organizing Committee des Forums eine grössere Teilnahme der Kommunikationsmedien anstrebt. Hierfür wird die Inter-American Development Bank Schulungs-Seminare finanzieren, damit das Thema Wasser in den Medien einen grösseren Stellenwert erhält und so das Bewusstsein in der Öffentlichkeit gestärkt wird.
Nach Aussage der Seminarreferenten soll nicht der Eindruck erweckt werden, es werde ein Projekt entwickelt, dass den Wassermangel in einer bestimmten Region der Welt ausgleichen oder ansprechen soll. Wichtig ist, direkt von lokalen Akteuren zu erfahren, welche finanziellen, wirtschaftlichen, politischen oder technologischen Faktoren es möglich gemacht haben, ein wichtiges Projekt für das Überleben der Gemeinschaft zu realisieren. Das ist der Grund für den Slogan des Weltwasserforums "Lokale Aktionen für eine globale Herausforderung".
Das Weltwasserforum ist die wichtigste internationale Veranstaltung zum Thema Wasser. Sie wird vom Weltwasserrat und dem jeweiligen Veranstaltungsland organisiert. Die vierte Ausgabe findet vom 16. bis zum 22. März 2006 in Mexiko statt. Ziel des Weltwasserforums, das alle drei Jahre abgehalten wird, ist es, eine reale Politik für das Management weltweiter Wasserresourcen zu fördern. Ausserdem hat das Forum zum Ziel, Politiker und andere Entscheidungsträger auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu beeinflussen.
Jeder kann am Weltwasserforum teilnehmen und zur Verbesserung des Wassermanagements beitragen. Während des Forums werden unter anderem eine Ministerkonferenz, thematische Sitzungen, Seminare, eine Ausstellung und Water Fair und ein Filmfestival veranstaltet.
Quelle: PRNewswire, www.prnewswire.co.uk
Kampf um ein Prozent
Basisgruppen kritisieren die offizielle Wasserpolitik
Von Gerhard Dilger, Mexiko-Stadt*
Patrick McCully stellt fest: »Tag für Tag sterben 6000 Kinder – wegen schmutzigem Wasser und
mangelhaften sanitären Einrichtungen. Das sind 2,2 Millionen im Jahr.« Anlässlich des
Weltwasserforums will der Wasser- und Staudammexperte der US-amerikanischen
Nichtregierungsorganisation International Rivers Network für Lösungen gegen diesen »Skandal«
werben. Der Kalifornier will sich aber auch mit Gleichgesinnten austauschen und mit ihnen
Strategien entwickeln, um den »Wasserreichtum zu verteilen«. Heute, zum Auftakt des Forums,
beteiligt er sich an einer bunten Demonstration im Zentrum der Megametropole.
»97 Prozent allen Wassers auf der Welt ist Salzwasser«, sagt Heidi Storsberg. »Gletscher und Eis
machen zwei Prozent aus, bleibt ein Prozent an nutzbarem Süßwasser.« Seit zwei Jahren kümmert
sich die ehemalige Abgeordnete und Parteifreundin des konservativen mexikanischen Präsidenten
Vicente Fox um die Öffentlichkeitsarbeit des Weltwasserforums. »Wir müssen lernen, mit diesem
einen Prozent besser umzugehen«, sagt sie.
Harmonie allenthalben also? Zumal es in Storsbergs Hochglanzbroschüren über die Organisatoren
des Forums heißt: »Der Weltwasserrat ist eine nicht auf Profit ausgerichtete
Nichtregierungsorganisation, die nur an der besseren Nutzung der Wasserresourcen interessiert
ist.« Der kanadische Wasseraktivist Tony Clarke sieht das anders. »Dieser Rat ist ein Deckmantel
der Wasserlobby«, sagte Clarke. »Sein Hauptziel ist es, möglichst viele Leute aus aller Welt davon
zu überzeugen, dass der Privatsektor das Wasser am besten managen kann.«
Das Forum wende sich an die »Zivilgesellschaft« und Politiker gleichermaßen. »Oft werden
Kommunalpolitiker unter Umgehung der Zentralregierung direkt bearbeitet«, hat Clarke auf den
Vorgängerveranstaltungen in Den Haag (2000) und Kyoto (2003) beobachtet. »Der Ablauf, die
Auswahl der Sprecher, all das ist wohlüberlegt.« 122 Minister aus aller Welt haben sich angesagt,
zudem findet erstmals ein Parlamentarierforum statt.
Auch die Kritiker werden sich auf dem Forum zu Wort melden – vor allem jedoch außerhalb. Seit
Den Haag steht ihre Forderung im Raum, die UNO solle Wasser verbindlich als Menschenrecht
deklarieren. Dabei sind sie beträchtlich vorangekommen. »Sogar manche Konzerne haben das in
ihren Diskurs aufgenommen«, sagte Clarke. »Doch der entscheidende Punkt für uns ist: Wasser ist
ein Allgemeingut, und der öffentliche Sektor muss die Kontrolle behalten – oder wiedererlangen.«
In Argentinien, Uruguay und Bolivien ist man auf dem besten Weg dazu. Im November 2004 hatten
die Uruguayer per Volksabstimmung beschlossen, die Definition von Wasser als öffentliches Gut
und Menschenrecht in ihre Verfassung aufzunehmen. Der Abzug spanischer und französischer
Wasserfirmen ist inzwischen beschlossene Sache. »Auf dem Forum werden unsere Delegierten aus
Regierung und Parlament diese Option erläutern«, weiß Carlos Santos von der Umwelt-NRO Redes
aus Montevideo. »Dabei haben sie die Delegationen aus Argentinien, Uruguay, Brasilien, Bolivien
und Venezuela auf ihrer Seite.« In seinem Entwurf für die Abschlusserklärung der Minister fordert
Bolivien, das Wasser aus sämtlichen Freihandelsverträgen und den Verhandlungen im Rahmen der
Welthandelsorganisation herauszunehmen. Außerdem sollen Geldgeber aus den Industriestaaten
künftig Privatisierungen in der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung nicht mehr zur
Voraussetzung für Kreditvergabe an Entwicklungsländer machen.
Der frisch gebackene bolivianische Wasserminister Abel Mamani kennt das Problem aus erster
Hand: Noch vor Jahresfrist führte er in der Großstadt El Alto die Massenproteste gegen den
französischen Multi Suez an, der die Entwicklungsagenturen des Nordens auf seiner Seite wusste.
Nun verhandelt er mit den Franzosen über Modalitäten ihres Rückzugs.
Gegen die Privatisierung setzt Satoko Kishomoto vom Transnational Institute aus Amsterdam auf so
genannte »public public partnerships« – Partnerschaften zwischen öffentlichen Wasserwerken in
Nord und Süd. »Die Europäer können dabei von partizipatorischen Modellen aus Südamerika
lernen«, findet die Aktivistin. Die wirkliche Debatte in Mexiko findet wohl weniger auf den Foren
selbst statt als vielmehr in den Medien, die umfangreich über die Gegenveranstaltungen der
Basisgruppen berichten. Wie die Kräfteverhältnisse bislang aussähen? Pressesprecherin Storsberg
lächelt gequält.
Widerstand gegen La Parota
Mexikanische Campesinos wehren sich gegen Wasserkraftwerksbau
Von Gerold Schmidt. Mexiko-Stadt*
Das im mexikanischen Bundesstaat Guerrero geplante Wasserkraftwerk La Parota ist einer der
Streitpunkte, die auf den Alternativveranstaltungen zum Weltwasserforum behandelt werden.
Für den Ejido- und Gemeinderat der Gegner des Wasserkraftwerkes La Parota (CECOP) ist die
Sache klar: »Unser Land hat keinen Preis«, sagt Felipe Flores. Beim Mega-Projekt am Papagayo-
Fluss im mexikanischen Bundesstaat Guerrero handelt es sich um eine der größten geplanten
Infrastrukturmaßnahmen im Lande. Längst ist La Parota zu einem exemplarischen Fall mit
überregionaler Bedeutung geworden. Bald drei Jahre dauert der Widerstand. Käme es zum Bau der
192 Meter hohen Staumauer, würden mehr als 17 000 Hektar Land geflutet. Dörfer und Felder von
etwa 25 000 Menschen aus 36 Landgemeinden würden unter dem Wasser verschwinden. Unterhalb
des Stauwerks könnte mehr als 70 000 Bauern Wassermangel drohen.
»Oberhalb der Mauer wollen sie uns ertränken und unterhalb der Mauer wollen sie uns verdursten
lassen«, beklagt Flores. Dorfversammlungen, in denen dem Parota-Projekt zugestimmt wurde, seien
bewusst manipuliert worden. Bis auf einen Fall fanden sie entgegen den Bestimmungen des
Agrargesetzes außerhalb der betroffenen Gemeinden statt, zum Teil von einem großen
Polizeiaufgebot abgeschirmt. In der Gemeinde San Marcos wiesen die Behörden 2785 Ja-Stimmen
für das Projekt aus. Das dem CECOP zugespielte Vesammlungsprotokoll verzeichnet dagegen nur
837 Unterschriften. Laut Felipe Flores »gab es Leute, die aus Acapulco angekarrt wurden. Wir
haben mit eigenen Augen gesehen, wie die Stromkommission ihnen zwischen umgerechnet 40 und
200 Euro für ihre Stimme zahlte.« Drei Todesopfer hat der Konflikt bereits gefordert. Während
Guerreros Regierung jeweils von persönlichen Fehden sprach, handelt es sich nach Überzeugung
des CECOP um politische Motive.
Im Januar dieses Jahres gelang den Gegnern des Wasserkraftwerks ein juristischer Erfolg. Ein
Agrargericht annullierte die Versammlung von San Marcos. Doch Flores meint, letztendlich werde
der massive Protest gegen La Parota entscheidend sein. »Wenn Regierung und Gerichte die
Enteignung unserer Böden durchsetzen wollen, dann wird es die Kraft unserer Bewegung sein, die
das verhindert.«
* Aus: Neues Deutschland, 16. März 2006
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