G8 hinken ihren Zusagen für Afrika hinterher
DATA-Bericht 2010 zieht 5 Jahre nach Gleneagles gemischte Bilanz
Von Martin Ling *
Die Beschlüsse vom G8-Gipfel im schottischen
Gleneagles
2005 galten als Meilenstein: Bis zum Jahr 2010 sollte die
Entwicklungshilfe für Afrika von jährlich 25 auf 50 Milliarden Dollar
verdoppelt werden. Der am Dienstag in Berlin vorgestellte DATA-Bericht
2010 überprüfte die Fakten: Planerfüllung 61 Prozent.
Ist das Glas halb voll oder halb leer? So richtig schlüssig darüber ist
sich Tobias Kahler von der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation ONE
nicht. Da ist einerseits der Fakt, dass die G8-Staaten mit 61 Prozent
ihre 2005 gegebenen Zusagen zur Erhöhung der Afrika-Hilfe nur
unzureichend erfüllt haben. Damals hatten die Länder versprochen, ihren
jährlichen Beitrag zur Armutsbekämpfung in Afrika bis 2010 um insgesamt
22,6 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Erreicht werden laut des von ONE
vorgelegten DATA-Berichtes 2010 13,7 Milliarden US-Dollar. Andererseits,
so der Deutschlandchef von ONE, »hat sich die Unterstützung für Afrika
in den fünf Jahren nach dem Gipfel von Gleneagles fast dreimal so stark
erhöht wie im selben Zeitraum davor.« Eine Signalwirkung attestiert
Kahler Gleneagles deshalb durchaus - ein Verdienst vor allem der
britischen Regierungen von Blair und Brown.
So ist es unter den G8-Staaten auch Großbritannien, dem Kahler das beste
Zeugnis ausstellt: Das Land hätte 2005 ehrgeizige Ziele ausgegeben und
sie zu 91 Prozent umgesetzt. Das sei höher zu bewerten als die
Übererfüllung geringerer Zusagen seitens der USA, Japans und Kanadas.
Bei Weitem nicht so gut steht Deutschland da: Gerade mal 25 Prozent der
2005 gemachten Zusagen für Afrika werden bis Ende 2010 geflossen sein.
Kahler kritisierte auch die deutsche Praxis, Gelder für
Klimaanpassungsprogramme aus dem Entwicklungshilfeetat abzuzwacken statt
zusätzliche Mittel bereitzustellen. Richtig sein Fett weg bekam Rom:
Italien sticht als das einzige G8-Land heraus, das seine Unterstützung
für Afrika trotz des Versprechens sogar gekürzt hat - um sechs Prozent.
Kahler forderte, »angesichts dieses kompletten politischen Versagens
Italien aus dem Kreis der G8 auszuschließen«. Ein solcher Ausschluss ist
freilich unwahrscheinlich. Weit wahrscheinlicher ist, dass die Mittel
für die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt im Zuge der
Haushaltskonsolidierungsanstrengungen der Geberländer in den kommenden
Jahren sinken werden, erklärte Helmut Reisen, der als Forschungsdirektor
am Entwicklungszentrum der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestens mit der Datenlage der
Geberländer vertraut ist. Und im Zuge der selbst die Euro-Zone
umfassenden Schuldenkrise ist Spendabilität künftig noch weniger zu
erwarten als bisher.
Dabei sei, so Reisen, nicht zu bestreiten, dass sich Entwicklungshilfe
positiv auswirken würde. Das bestätigte der tansanische
Oppositionsabgeordnete Zitto Kabwe mit Blick auf sein eigenes Land, das
bei Grundschulbildung das Millenniumsentwicklungsziel bereits erreicht
hätte und bei Mütter- und Kindersterblichkeit auf gutem Wege sei.
* Aus: Neues Deutschland, 26. Mai 2010
Quantität und Qualität
Von Martin Ling **
Entwicklungshilfe hilft. Diese Aussage des DATA-Berichtes 2010, der sich als TÜV für die G8-Versprechen versteht, gewinnt in der herrschenden Konjunktur an Bedeutung. Die Stimmen, die Entwicklungszusammenarbeit generell bis hin zur Abschaffung infrage zu stellen, werden lauter und die kommenden Sparhaushalte der Geberländer werden ein Zusätzliches tun, um solchen Stimmen Gehör zu verschaffen. Da ist es für Verteidiger der Entwicklungshilfe sicher hilfreich, Daten an der Hand zu haben, mit denen relative Erfolge herauszustreichen sind: Beispielsweise die 40 Millionen Kinder, die in Afrika in den letzten Jahren zusätzlich in den Genuss von Grundschulbildung gekommen sind, oder die Halbierung der Todesfälle durch Malaria in den Ländern, in denen diese Krankheit gezielt bekämpft wurde.
Jenseits dieser grundsätzlichen positiven Auswirkungen von Entwicklungshilfe bleiben zwei strukturelle Grundprobleme unangetastet: Es fehlt an Quantität und an Qualität. Dass die G 8-Staaten seit Jahr und Tag Versprechen abgeben, deren Einhaltung sie dann unterlassen, ist ein Ausdruck von »schlechter Regierungsführung«. Glaubwürdigkeit gewinnt man so weder in Nord noch Süd, wo nicht wenigen Regierungen oft aus guten Gründen schlechte Regierungsführung vorgeworfen wird.
Doch selbst wenn die Quantitäten die notwendigen Ausmaße annähmen, käme man um die qualitative Neujustierung der Entwicklungszusammenarbeit nicht herum: Eine faire Weltwirtschaftsordnung, die Norden und Süden Perspektiven verschafft. Nur dann kann Entwicklungshilfe sich selber abschaffen. Darüber wird nicht einmal diskutiert.
** Aus: Neues Deutschland, 26. Mai 2010 (Kommentar)
Auszüge aus dem DATA-Report 2010 - Wichtige Ergebnisse / Key
findings
THE GLENEAGLES COMMITMENTS HAVE NOT BEEN DELIVERED IN FULL, BUT THE PAST
FIVE YEARS HAVE RESULTED IN HISTORIC INCREASES IN DEVELOPMENT ASSISTANCE
AND DEBT CANCELLATION FOR AFRICA
There are clear shortcomings on the part of individual donors and
sectoral commitments that have not been delivered. However, donors
collectively delivered an historic increase in development assistance
for sub-Saharan Africa between 2005 and 2010. In fact, development
assistance increased by $5.5 billion between 2000 and 2004, but the
increase expected over the 2005--10 period is two and half times that
amount and represents the largest increase to sub- Saharan Africa on
record over any six year period. With 100% debt cancellation for
qualified countries and an estimated $13.7 billion increase in
development assistance, donors have supported African countries to make
important strides in their own development agendas, such as scaling up
access to life-saving antriretroviral drugs (ARVs) and sending 42
million more children to school.
THE G7 ARE ON TRACK TO DELIVER A $13.7 BILLION INCREASE, OR 61% OF
THE DEVELOPMENT ASSISTANCE INCREASES PROMISED. THE PERFORMANCE OF OTHER
COUNTRY GROUPINGS LAGS BEHIND
The G7 are on track to deliver 61% of their combined commitments to
sub-Saharan Africa by 2010, with an expected delivery of $13.7 billion
of the $22.6 billion increase promised. These figures are based on a
projected increase of $3.8 billion from the G7 in 2010, an estimate that
ONE derives from the most current budget documents as well as from
discussions with G7 governments. By the end of 2009, the G7 had
delivered a total of 44% of the total committed increases, with a total
$9.9 billion increase over 2004 levels.
The G7 were not the only countries to make development assistance
commitments around the time of Gleneagles. 2010 is a time to reflect on
the performance of other country groupings as well.
-
In total, donor countries (the 22 countries reporting development
assistance data for 2009 to the OECD) pledged a total increase in
development assistance to sub-Saharan Africa of $28.5 billion. ONE
estimates that they will deliver $17.1 billion of that total by 2010 --
representing 60% of the total commitment.
- If the G7 are excluded, non-G7 countries in total committed to
increase development assistance to sub-Saharan Africa by $5.9 billion,
and are on track to deliver $3.4 billion in additional assistance by
2010 -- representing 57% of their total committed increases.
- Finally, the EU (including four G7 members) committed to increase
development assistance for sub-Saharan Africa by $22.9 billion. ONE
estimates that the EU will deliver an $8.6 billion increase by 2010 --
representing only 38% of its total committed increases. However, it is
critical to note that several members of the EU are consistent
performers in terms of global ODA. Four in particular -- Denmark,
Luxembourg, the Netherlands and Sweden -- have met their target ODA/GNI
ratios of 0.7%, in addition to Norway.
THE FINAL G7 ASSESSMENT SHOULD BE DETERMINED BY AMBITION, DELIVERY AND
VISION BEYOND 2010
In the past, ONE has largely evaluated performance based on whether a
country was 'on track' or 'off track' to deliver its 2010 total
development assistance commitment. When reflecting upon the experience
of the past five years, ONE believes that a robust assessment of donors'
Gleneagles commitments should evaluate performance along three balanced
indices:
-
THE COMMITMENT, which judges the ambition of the donor's original
promise in terms of volume and relative to the size of its economy;
- THE DELIVERY, based not just on what portion of the Gleneagles
commitment will be delivered but on what the actual assistance delivered
was between 2004 and 2010, both in volume terms and in terms of growth
as a share of GNI;
- PLANS GOING FORWARD, which evaluates each donors' action plans for
its future partnership with Africa and whether targets are in place for
the post-Gleneagles era.
The most important of these variables is overall delivery. The
Development Assistance Report Card reflects an amalgamation of these
factors in assessing individual performance.
Behind the 61% headline, the story is mixed. The US, Canada and Japan
have delivered and surpassed their modest targets and the UK is on track
to meet its much more ambitious target (although the data are
inconclusive on how close it will come to full delivery in 2010). France
and Germany both set ambitious targets but are only on course to deliver
a quarter of them, while Italy exists in a category of its own as the
only G8 country to have retreated on its commitments, actually cutting
development assistance compared with 2004 levels and bringing the rest
of the G7 average down with it.
Quelle/Source: THE DATA REPORT 2010. Monitoring the G8 Promise to
Africa; www.one.org
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