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Alternativgipfel und Proteste in aller Abgeschiedenheit

Im Umland von Camp David finden Mahnwachen und das »Occupy G8-Treffen des Volkes« statt

Von Max Böhnel, Chicago *

Das Treffen der G8 findet auf dem Land statt, wo kein Demonstrant die Kaminfeueratmosphäre stören kann. Doch einige Kilometer entfernt veranstalten Nichtregierungsorganisationen einen alternativen Gipfel.

Barack Obama wird die Staatschefs und Präsidenten der acht mächtigsten Länder in Camp David empfangen, dem halbprivaten Rückzugsort der US-Präsidenten. Das idyllische Domizil wird an Land und in der Luft kilometerweit durch ein Hochsicherheitssystem von der Bevölkerung abgeschirmt. So kurz und geheim das Treffen ist, so vage und nichtssagend wird das Dokument sein, das Obama, Merkel und Co. verabschieden werden. Von Camp David wird die Herrscherkarawane am Samstag nach Chicago zum NATO-Gipfel weiterziehen.

Weniger Medieninteresse, dafür aber mehr Gehalt verspricht vor den Toren von Camp David ein alternativer Gipfel, den Nichtregierungsorganisationen und örtliche Linke organisiert haben. Er nennt sich »Occupy G8 People's Summit« (Occupy G8-Treffen des Volkes), zu dem trotz aller Abgeschiedenheit in den Wäldern von Maryland mehrere Hundert Menschen erwartet werden.

In der öffentlichen Bibliothek des Städtchens Frederick, 20 Kilometer südlich von Camp David, werden mehrere Redner Auskunft über die globale Einkommensverteilung, nachhaltige Energiegewinnung und deren Hintergründe geben. Laut Einladung der Alternativgipfler soll außerdem diskutiert werden, wie die ungleiche Einkommensverteilung bekämpft werden kann. Die Forderungen gehen von der Robin-Hood-Steuer auf Finanzgeschäfte über die Erhöhung des garantierten Mindesteinkommens bis hin zu Arbeiterkooperativen.

Während die Parkpolizei von Maryland die Wälder um Camp David im Umkreis von mehreren Kilometern seit Tagen systematisch durchsucht und weiträumige Sperrungen von Straßen angekündigt hat, plant »Occupy Baltimore« mehrere Mahnwachen und Protestzüge in Thurmont, dem nächstgelegenen Ort vor Camp David. In einem Aufruf heißt es, man werde sich »bemerkbar machen in Sachen Atompolitik, Ressourcenkriege, Agrobusiness, der 1-Prozent-Diktatur und anderer internationaler Probleme«.

Öffentliche politische Proteste sind in der konservativen, ländlichen Gegend um Camp David relativ unbekannt. Umso tief greifender ist die Wirkung, die die Warnung örtlicher Medien und Polizeichefs vor »außenstehenden Unruhestiftern« erzielt. Der Sheriff des Bezirks Frederick, Chuck Jenkins, wandte sich vor ein paar Tagen mit der Mahnung an die Bevölkerung, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu wahren. Andererseits sei es sicherer, sich »auf keinen Fall von Aktivisten und Demonstranten in Diskussionen verwickeln zu lassen, die zu Meinungsverschiedenheiten führen könnten«.

Am Samstag werden auf jeden Fall mehrere Dutzend Busse voller Camp-David-Gegner das gut zwölf Stunden entfernte Chicago ansteuern. Dort findet am Sonntag eine Demonstration gegen den NATO-Gipfel statt. »Kommt zum Marsch der Massen, zum Widerstand gegen die Kriegstreiber«, lautet der Aufruf des Protestbündnisses »Koalition gegen die NATO/G8 Kriegs- und Armutsagenda«. Die Organisatoren hoffen auf Zehntausende Teilnehmer.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 18. Mai 2012


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