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Ohne Karte kein Zutritt für Bewohner

In Heiligendamm bereiten Info-Teams der Polizei die Bürger auf den G 8-Ernstfall vor

Von Fabian Lambeck, Rostock *

Ortstermin in Heiligendamm, dem Austragungsort des G8-Gipfels 2007. Die Weiße Stadt am Meer sieht ihrer endgültigen Umzäunung entgegen. Damit nicht auch die Einwohner im Juni vor verschlossenen Toren stehen, will die Polizei alle Berechtigten mit einem Ausweis versehen.

Die Anwohner sind verunsichert. Niemand weiß, was überhaupt noch gestattet sein wird. Um Befürchtungen zu zerstreuen, hat man ein kleines Info-Team zusammengestellt. Polizeikommissarin Dörte Albrecht und Sachbearbeiter Christian Morales sind unterwegs, um die Bewohner von Heiligendamm zu beruhigen. »Wir informieren die Bürger über zu erwartende Einschränkungen und erfassen Daten, die zur Ausstellung der Zugangsberechtigung notwenig sind«, erläutert Kommissarin Albrecht. Ihr Info-Team muss heute die Bewohner eines Neubaublocks besuchen – ohne Vorankündigung. Und so klingelt die junge Frau mehrmals vergeblich, bevor ihr geöffnet wird.

Schließlich betätigt jemand den elektrischen Öffner und wir stehen vor der Wohnungstür von Klaus Gradler. Der Mecklenburger hat dann auch ein paar Fragen an die Beamten: »Stimmt es, dass wir während des Gipfels nicht an den Strand dürfen?« Wie sich herausstellt, stimmt das Gerücht. Vom 14. Mai bis zum 9. Juni ist das Betreten eines breiten Strandabschnittes verboten. Obwohl sich die Regierungschefs nur zwischen dem 6. und 8. Juni in Heiligendamm aufhalten werden. Frau Gradler möchte wissen, ob sich wieder Scharfschützen auf dem Nachbarblock einnisten. »Man fühlt sich doch unsicher, wenn die einen von da oben beobachten«, findet die Klinikangestellte.

Entsprechende Erfahrungen musste Frau Gradler schon im letzten Jahr machen. Da war US-Präsident Bush zu Gast im Kempinski-Hotel von Heiligendamm. Ob die Scharfschützen wiederkommen, wissen auch die Beamten vom Info-Team nicht. Doch zu vermuten bleibt, dass die Prominenz der Regierungschefs jedwede Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigt. Sprach Innenminister Wolfgang Schäuble nicht davon, dass die Bundesrepublik »Teil eines weltweiten Gefahrenraums« sei?

Doch das Info-Team soll nicht nur informieren, sondern es soll auch Unterschriften und Daten sammeln. Die Bürger müssen schriftlich bekunden, dass sie keine datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Staatshüter hegen. Außerdem wird ihnen die Gelegenheit eingeräumt, Gäste bei der Polizei anzumelden. Denn am 30. Mai wird der Zaun dichtgemacht, und wer dann unangemeldet kommt, wird sich auf eine längere Wartezeit einstellen müssen.

Eine weitere Sorge hat das Ehepaar Gradler: »Kommen denn der Bäcker und der Fleischer auch durch die Sperren?« Vor allem ältere Menschen sind auf die mobilen Lebensmittelhändler angewiesen, denn in Heiligendamm gibt es keine dementsprechenden Einkaufsmöglichkeiten. Selbstverständlich werde man dem Bäcker die Durchfahrt nicht verwehren, erläutert das Info-Team. Doch müsse sich dieser auf eine längere Kontrolle einstellen.

Wie das Sicherheitsmanagement gehandhabt wird, liegt wohl letztendlich im Entscheidungsbereich des Bundeskriminalamtes. Ein BKA-Mitarbeiter wird auf alle Fälle am 30. März erwartet. Dann müssen sich sämtliche Bewohner Heiligendamms von dem eigens anreisenden BKA-Fotografen ablichten lassen. Den Berechtigungsausweis muss nämlich ein Foto aus dem BKA-Studio zieren. Aufnahmen des Doberaner Fotostudios werden nicht akzeptiert. Unsere Nachfrage, ob denn die Berechtigungskarte auch biometrische Daten enthalte, wird vom Info-Team verneint.

* Aus. Neues Deutschland, 20. März 2007


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