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Kein Geld für den Alternativgipfel

120 Workshops mit prominenten Rednern vom 5. bis 7. Juni in Rostock geplant

Von Fabian Lambeck, Rostock *

Im Juni treffen sich die Oberhäupter der G 8-Staaten in Heiligendamm – einem Badeort unweit von Rostock. Dem fragwürdigen Spektakel ist schon jetzt die Aufmerksamkeit sicher. Bislang weitgehend unbeachtet von der medialen Öffentlichkeit, blieben dagegen die Bemühungen zahlreicher Nicht- Regierungsorgansationen, in Rostock vom 5. bis 7. Juni einen Alternativgipfel auszurichten.

»Wir rechnen mit etwa 120 verschiedenen Workshops zu Themen wie Klimagerechtigkeit, Armut und Krieg«, berichtet Sybille Gundert-Hock vom Eine-Welt-Netzwerk Mecklenburg-Vorpommern. Die gebürtige Schwäbin koordiniert die Vorbereitungen für den Alternativgipfel in Rostock. Sie steht auch den lokalen Behörden und Vereinen als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

So ist es den Initiatoren des Gipfels gelungen, erstaunlich viele Rostocker Kulturträger als Partner zu gewinnen. Deshalb wird es keinen zentralen Veranstaltungsort geben, sondern über das Stadtgebiet verteilte Tagungsräume, betont Gundert-Hock. Von der örtlichen Volkshochschule, über das Rathaus, Kirchen – bis hin zu einem Kulturschiff im Stadthafen. Was natürlich gewisse Probleme hinsichtlich der Organisation aufwirft. »Grundsätzlich steht der Besuch von Veranstaltungen jedem offen«, betont Sybille Gundert-Hock. »Um aber die Übersicht zu behalten, werden wir farbige Buttons verkaufen, mit denen sich die Teilnehmer kenntlich machen können.« Die Organisatoren des Gegengipfels rechnen mit etwa 20 000 Besuchern aus aller Welt. Allein die enorme Anzahl der Gäste stellt die Gipfelmacher vor schier unlösbare Probleme.

Problem Nr.1: Hotels und Pensionen in Rostock sind für die Zeit des Gipfels längst ausgebucht. Denn Medienvertreter aus aller Welt und die Entourage der G 8-Politiker beanspruchen sämtliche Kapazitäten. So bleiben den Gästen nur die Zeltplätze in und um Rostock, die sich die Gipfelgegner verschiedenster politischer Couleur teilen müssen.

Problem Nr.2: Das unbekannte Sicherheitskonzept der Polizei. Bislang hüllt sich die zuständige Polizeibehörde »Kavala« in Schweigen. Niemand weiß, ob es den Besuchern überhaupt möglich sein wird, sich in Rostock ungehindert bewegen zu können. Fest steht nur, über 16 000 Polizisten werden in und um Rostock im Einsatz sein.

Problem Nr.3: »Wir bekommen kein Geld von staatlicher Seite, nicht einen Cent.«, betont Frau Gundert-Hock. Obwohl sich der Finanzbedarf der Alternativgipfelmacher relativ bescheiden ausnimmt. Die Initiatoren rechnen mit 120 000 Euro. Zum Vergleich: Der G 8-Gipfel in Heiligendamm wird Bund und Länder etwa 92 Millionen Euro kosten. Die ostentative Zurückhaltung der Politik scheint unverständlich, an der fachlichen Kompetenz der geladenen Redner besteht kein Zweifel. So erwartet man beispielsweise die alternative Nobelpreisträgerin Vandana Shiva. Die indische Umweltaktivistin ist prominentes Mitglied des Club of Rome.

Auch Ignacio Ramonet, Chefredakteur der Zeitung »Le monde diplomatique«, hat sein Kommen zugesagt. Der französische Journalist wird die Auftaktveranstaltung moderieren. Jean Ziegler, der engagierte UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, wird ebenfalls in Rostock weilen. Der Schweizer Soziologie-Professor sorgte für einiges Aufsehen, als er in einem Interview meinte, dass »die Weltwirtschaft problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren kann. Das heißt, ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet«.

Wahrscheinlich sind es Äußerungen wie diese, die man beim offiziellen Gipfel nicht hören will. Zwar hat Kanzlerin Merkel auch das Thema Armutsbekämpfung in ihre G 8-Agenda aufgenommen, aber den Staatschefs geht es beim Gipfel vor allem um medienwirksame PR. Erfahrungsgemäß bleibt es dann auch bei bloßen Lippenbekenntnissen. Zu oft folgten den vollmundigen Ankündigungen der G 8-Teilnehmer keine konkreten Taten.

www.g8-alternative-summit.org

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2007


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