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G20 uneins, aber guten Willens

Mehr Krisenvorsorge bei Banken und Absage an Währungskriege

Es gab Streit, aber auch vorzeigbare Ergebnisse. Der G20-Gipfel hat eine historische Reform des Internationalen Währungsfonds und strengere Regeln für Banken rund um den Globus durchgewinkt. Und wo man sich nicht einig ist, gibt es immerhin guten Willen.

Seoul (dpa/ND). Die mächtigsten Wirtschaftsnationen der Erde (G20) machen – wie versprochen – die internationalen Finanzmärkte ein wenig sicherer. Die Staats- und Regierungschefs der G20 billigten das sogenannte Basel-III-Abkommen, das künftig riskante Geschäfte für Banken teurer macht.

Trotz Streits in der Sache erteilte die Gipfelrunde Währungs- oder Handelskriegen zum Schutz nationaler Industrien eine Absage. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte am Freitag den Geist der Zusammenarbeit. »Deutschland hat natürlich ein großes Interesse, dass die kooperative gemeinsame Atmosphäre hier gesiegt hat«, sagte sie. Dies sei gut für Arbeitsplätze und Unternehmen in Deutschland – vor allem in Exportbranchen.

Hilfsorganisationen haben die Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit in die Agenda der 20 stärksten Volkswirtschaften begrüßt, zugleich jedoch vor leeren Versprechungen gewarnt. »Der Plan ist gut – aber wo ist die Aktion?«, fragte Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland zum Abschluss des zweitägigen Treffens am Freitag im südkoreanischen Seoul.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer zog ein positives Fazit aus gewerkschaftlicher Sicht: »Die internationale Gewerkschaftsbewegung hat in Seoul beständig Druck gemacht und auf dem letzten Wegstück erreicht, dass auch soziale Aspekte in das Schlussdokument aufgenommen wurden. Zudem konnte erreicht werden, dass die Gewerkschaften jetzt offizielle Verhandlungspartner im G20-Prozess sind. Insgesamt blieb er jedoch skeptisch: »Die übrigen Gipfelbeschlüsse von Seoul sind enttäuschend angesichts der hochfliegenden Pläne zur Reform der Weltwirtschaft, die die G20-Chefs auf den Gipfeln in London und Pittsburgh vorgelegt hatten. Die Finanztransaktionssteuer – der Versuch, die Verursacher an den Kosten der Krise zu beteiligen – ist vom Tisch. Die Banker jubeln, die Steuerzahler sind die Dummen.«

* Aus: Neues Deutschland, 13. November 2010


Von Basel bis Cancún

Die wichtigsten Gipfel-Ergebnisse

IWF-REFORM: Schwellenländer wie China bekommen größeres Stimmengewicht im 24-köpfigen IWF-Verwaltungsrat, die Europäer geben dafür zwei Sitze ab. Die Finanzinstitution soll dadurch an »Legitimität, Glaubwürdigkeit und Effektivität« gewinnen. China, Brasilien, Russland und Indien gehören künftig zu den zehn größten Anteilseignern, müssen aber auch größere Pflichten übernehmen.

BANKENREGULIERUNG: Basel III ist nun beschlossene Sache: Diese Vorschriften fordern von den Banken größere Eigenkapitalpuffer zum Schutz vor Notsituationen. Die schärferen Regeln wurden vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, einem Zusammenschluss von Notenbankern und Finanzaufsehern, aufgestellt und sollen bis 2019 umgesetzt werden. Zudem ist bis Mitte 2011 eine Liste mit systemrelevanten Banken geplant, deren Pleite ganze Volkswirtschaften ins Wanken bringen kann. Für sie sind striktere Regeln zur Überwachung und zur Verminderung von Risiken geplant.

KOORDINIERUNG: Die G20-Staaten verpflichten sich zur besseren Abstimmung ihrer nationalen Wirtschaftspolitik. Unkoordinierte Aktionen seitens einzelner Länder würden die Situation »für alle nur verschlechtern«. Bisherige gemeinsame Schritte im Kampf gegen die Weltwirtschaftskrise hätten gute Ergebnisse gebracht. Nun aber könnten »ungleiches Wachstum« und »wachsende Ungleichgewichte« einzelne Länder zu Alleingängen verführen. Dem Protektionismus wird der Kampf angesagt.
Vor dem Hintergrund der Ungleichgewichte einigten sich die G20-Staaten darauf, »Richtlinien« auszuarbeiten, um exzessive Handelsdefizite und -überschüsse zu reduzieren. Ein Vorschlag der USA, solche Überschüsse auf vier Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen, scheiterte am Widerstand der Exportnationen China, Deutschland und Japan.

WÄHRUNGSPOLITIK: Die G20 ruft zu flexiblen Wechselkursen auf, die vom Markt bestimmt werden und die Stärke einer Volkswirtschaft wiedergeben. Von der gezielten Abwertung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit soll Abstand genommen werden.

KLIMA: Die G20-Staaten wollen »keine Mühen« scheuen, um einen »ausgewogenen und erfolgreichen Ausgang« der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Cancún zu erreichen. AFP/ND




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