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"Die Ursachen von Konflikten und Kriegen gilt es mit zivilen Mitteln zu beseitigen"

DOKUMENTIERT: Die Beschlüsse des DGB-Bundeskongresses 2014 zur Friedenspolitik


Im Folgenden dokumentieren wir die drei Beschlüsse, die der DGB-Bundeskongress im Mai 2014 zu friedenspolitischen Themen verabschiedet hat. Es handelt sich um folgende Anträge:

Friedenspolitik

Der DGB-Bundeskongress möge beschließen:

Der DGB tritt für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein. Er ist damit Teil der Friedensbewegung und macht sich - anknüpfend an eine lange Tradition im Kampf gegen Faschismus und Militarismus - für eine aktive und nachhaltige Friedenspolitik stark.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für ein Leben in Frieden, Demokratie, Freiheit, Menschenwürde und sozialer Sicherheit ein und unterstützen diese Ziele weltweit. Kriege und Bürgerkriege schaffen unendliches Leid und vernichten Menschenwürde und den sozialen Zusammenhalt. Nicht nur Soldaten sind Kriegsopfer. Die überwältigende Mehrheit sind Zivilisten, ein Großteil davon Kinder. Ihnen werden Perspektiven und Zukunft genommen.

Für den DGB steht fest: Krieg kann und darf niemals ein Mittel der Politik sein – Nie wieder Krieg!

Die Ursachen von Konflikten und Kriegen gilt es mit zivilen Mitteln zu beseitigen. Gewalt kann nicht mit Gewalt eingedämmt werden. Vielmehr müssen die Möglichkeiten zu Friedensbildung, ziviler Krisenprävention und gewaltfreier Konfliktbearbeitung aus- und der gesellschaftliche Einfluss des Militärs und der Rüstungsindustrie, vor allem in Bildungseinrichtungen, abgebaut werden.

Der DGB fordert daher, die weltweiten Ausgaben für Militäreinsätze und Rüstung drastisch zu reduzieren und das eingesparte Geld für Bildung und nachhaltige Entwicklung zu verwenden. Viele Staaten geben mehr Geld für Rüstung als für Bildung aus. So wird das Recht auf Bildung doppelt torpediert: Die Rüstungsausgaben reduzieren die Spielräume für Bildungsfinanzierung, bewaffnete Konflikte berauben die Menschen ihrer Lebens- und Bildungschancen.

Der DGB fordert: Bildung statt Rüstung! Er wird sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für dementsprechende nationale und internationale Aktivitäten einsetzen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften wollen das Menschenrecht auf Bildung verwirklichen. Dies kann nur durch eine Erziehung in Frieden zum Frieden geschehen. Das Recht auf Bildung umfasst das Recht auf Menschenrechts- und Friedensbildung.

Der DGB betont deshalb die Grundsätze der Erklärung der Bildungsinternationalen, in der die Verpflichtung zu einer werthaften, an den Menschenrechten orientierten Bildung und Erziehung festgelegt ist.

Er stellt sich hinter die gemeinsame Erklärung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit der Kultusministerkonferenz, die die Zukunftsaufgaben von Bildung und Erziehung durch die Sicherung von Frieden und Gewaltfreiheit geprägt sieht.

Er verweist außerdem auf den Beutelsbacher Konsens, der für die politische Bildung maßgeblich ist und ein Überwältigungsverbot, ein Kontroversitätsgebot sowie die Berücksichtigung des Interesses der Schülerinnen und Schüler vorsieht.

Der DGB fordert: Friedensbildung statt Verharmlosung oder Idealisierung von Krieg und Waffentechnologie!

Der DGB verurteilt die teils aggressive, teils verdeckte Werbung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit und in Bildungseinrichtungen für den Einsatz von Kriegswaffen und für den Soldat/innenberuf. Die Aufgaben und Belastungen des Soldatenberufes sowie seine gesellschaftlichen Auswirkungen werden gezielt verharmlost. Die Werbung für Actioncamps und Abenteuerurlaube täuscht bewusst über die Realität des Tötens und Sterbens im Kriegseinsatz hinweg.

Junge Menschen werden durch den alleinigen Einsatz von Jugendoffizieren an Schulen in der Ausübung ihres Rechts auf eine freie Meinungs- und Willensbildung einseitig beeinflusst. In vielen Bundesländern ist die Bundeswehr - obwohl sie keinen Bildungsauftrag hat - durch Kooperationsvereinbarungen in der Lage, sowohl direkt auf Schüler/innen und Lehrkräfte einzuwirken als auch indirekt die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts politisch zu beeinflussen (z.B. durch die Bereitstellung kostenlosen Unterrichtsmaterials). Das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und das Interesse der Schülerinnen und Schüler werden systematisch verletzt.

Der DGB fordert die Länder auf, bestehende Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr zu kündigen. Sie sieht in den Lehrkräften die Fachkräfte, die unter Beachtung des Beutelsbacher Konsenses am besten dazu geeignet sind, Friedensbildung frei von Interessen Dritter zu vermitteln.

Auch die zunehmende Militarisierung von Forschung und Lehre betrachtet der DGB kritisch. Drittmittelaufträge für wehr-und sicherheitstechnische Forschung an öffentlichen Hochschulen unterliegen der „Geheimschutzordnung“, Militär und Rüstungsindustrie gewinnen im Zuge der fortschreitenden Abhängigkeit wissenschaftlicher Einrichtungen von privaten Geldgebern Einfluss: Rüstungskonzerne vergeben Forschungsarbeiten und finanzieren Stiftungsprofessuren, Jugendoffiziere bieten Veranstaltungen an, die sich Studierende für ihr Studium anrechnen lassen können. Dabei sind längst nicht nur Natur- und Ingenieurwissenschaften betroffen, auch in Pharmazie, Medizin und Sozialwissenschaften wird für Kriege und deren Legitimation und Akzeptanz geforscht. Forschung und Lehre sollten dazu beitragen, Ursachen von Krieg, Möglichkeiten ziviler Konfliktbearbeitung und die Voraussetzungen für Frieden zu ergründen und nicht militärischen Zwecken dienen. Hochschulen müssen Orte offener Wissensproduktion sein und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.

Der DGB fordert daher Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf, sich über Zivilklauseln auf die Forschung zu zivilen und friedlichen Zwecken zu verpflichten. Der Abhängigkeit der Wissenschaft von privatwirtschaftlichen Geldgebern muss durch eine ausreichende öffentliche Finanzierung entgegengewirkt und Zwecke der Forschung müssen der Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Der DGB zeigt sich außerordentlich besorgt über die nationale wie internationale Rolle der Bundeswehr.

Die Bundeswehr hat sich seit 1990 immer weiter von einer nationalen Verteidigungsarmee zu einer internationalen Interventionstruppe gewandelt. Zur Aufgabe der Bundeswehr gehört es nunmehr ausdrücklich auch, freie Handelswege, eine gesicherte Rohstoffversorgung sowie die Erschließung und den Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten zu sichern. Mit Friedenssicherung hat dies nichts zu tun.

Der DGB lehnt die Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Einsätzen ab. Er fordert die Bundesregierung und den Bundestag auf, jegliche direkte oder indirekte Unterstützung von militärischen Interventionen, die nicht von einem UN-Mandat gedeckt sind, zu unterlassen oder zu beenden.

Der Schutz der Schifffahrtswege vor Piraterie oder die Rettung von Menschen aus unmittelbarer Lebensgefahr auf See bleibt davon unberührt. Der DGB lehnt jede Aufweichung des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr entschieden ab.

Der DGB stellt weiterhin fest, dass - unabhängig von der politischen Kritik an Einsatzkonzepten und dem Auftreten der Bundeswehr in der Öffentlichhkeit - die gewerkschaftliche Vertretung aller Bundeswehrangehörigen Aufgabe der DGB Gewerkschaften als Einheitsgewerkschaft ist.

Die freie gewerkschaftliche Organisierung von zivilen Beschäftigten der Bundeswehr und von Soldatinnen und Soldaten ist ein wichtiger Grundpfeiler der inneren Führung. Gerade in Zeiten der Belastungen durch die aktuellen Umstrukturierungen der Bundeswehr ist dies auch dringend erforderlich.

Der DGB wird diese Forderungen zusammen mit seinen Mitgliedsgewerkschaften gegenüber der Regierung, dem Parlament und der Öffentlichkeit offensiv vertreten und in Aktionen unterstreichen. Der Antikriegstag muss wieder stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein gerückt werden.

U 007 Lfd.-Nr. 1204; Antragstellerin: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; Beschluss des DGB-Bundeskongresses


Vorerst keine engere Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und DGB

Der DGB-Bundeskongress möge beschließen:

Der DGB-Bundesvorstand wird aufgefordert, die Frage, ob und in welchen Bereichen eine engere Zusammenarbeit zwischen dem DGB und der Bundeswehr sinnvoll ist, in einer beteiligungsorientierten Form zu überprüfen.

U 004 Lfd.-Nr. 1157; Antragsteller: DGB-Bezirksvorstand Hessen-Thüringen; Beschluss des DGB-Bundeskongresses


Resolution zu den aktuellen Ereignissen in der Ukraine

Der DGB-Bundeskongress möge beschließen:

Die Ukraine steht an der Schwelle zu einem Bürgerkrieg und droht zu zerfallen. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Zum einen herrscht in der Gesellschaft eine große soziale Ungleichheit und für europäische Verhältnisse eine extreme Armut großer Teile der Bevölkerung. Auf der anderen Seite haben sich Oligarchen über Jahrzehnte schamlos bereichert und die Politik so beeinflusst, dass sie ihre Vermögen vermehren konnten.

Die politischen Eliten, egal welcher Couleur, waren nicht in der Lage ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit zu schaffen, waren immer wieder in Korruption verstrickt und zeichneten sich durch einen autokratischen Regierungsstil aus. Dagegen lehnte sich der größte Teil der Menschen auf, die auf dem Maidan protestierten. Ihr Ziel war ein Land mit mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit. Ihre Kritik sollte die herrschende korrupte Oligarchie treffen.

Die Ukraine ist finanzpolitisch nicht mehr handlungsfähig und ist auf Finanzhilfen von außen dringend angewiesen. Die Wirtschaftsleistung war schon vor den Unruhen schwach und ist aktuell dabei, noch weiter zurück zu gehen. Die Preise steigen stark an, was der Bevölkerung schwer zu schaffen macht. Gleichzeitig müsste die Industrie modernisiert und der Staatsapparat verkleinert werden, was einer weiteren Arbeitslosigkeit Vorschub leisten würde.

Wichtige Staatsfunktionen werden kaum noch wahrgenommen. In weiten Teilen des Landes ist die öffentliche Sicherheit nicht mehr gegeben. Die Einheit des Landes ist durch separatistische Unruhen in den östlichen Landesteilen gefährdet. Die ethnischen Auseinandersetzungen haben ein Maß an Gewalt erreicht, die schon bürgerkriegsähnliche Ausmaße annimmt. Die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften ist in diesen Landesteilen stark eingeschränkt.

Die politischen Lager in der Ukraine waren in der Vergangenheit untereinander nicht zu einem Dialog fähig, sondern standen sich unerbittlich gegenüber. Die medial bekannt gewordenen Massenprügeleien im Parlament sind prominente Beispiele dieser Situation. Damit war eine Konsensbildung über grundsätzliche Zukunftsfragen nicht möglich.

Die Opfer von Politikversagen, sozialer Ungleichheit, wirtschaftlichem Niedergang und brutaler Gewalt sind vor allem die einfache Bevölkerung und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Was die Ukraine jetzt braucht!

Vor allem braucht die Ukraine Frieden, ohne den alles nichts ist. Mit Gewalt und Waffen lassen sich die Probleme des Landes nicht lösen. Daher ist die nachhaltige Bemühung des deutschen Außenministers, alle am Konflikt beteiligten Parteien im Rahmen der OSZE an einen Tisch zu bringen, ausdrücklich zu unterstützen.

Jede militärische Intervention von außen hat daher zu unterbleiben. Die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine sind uneingeschränkt zu achten. Aber auch der militärische Einsatz im Inneren hat zu unterbleiben. Damit werden Gräben vertieft, die es zuzuschütten gilt.

Der innere Frieden muss wieder hergestellt werden und damit die öffentliche Sicherheit. Alle nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen und paramilitärischen Einheiten müssen entwaffnet werden.

Der Schutz der Minderheitenrechte in der Ukraine muss vom Staat garantiert werden. Die Einheit des Landes wird nur über eine Dezentralisierung der staatlichen Kompetenzen auf die Regionen möglich sein.

Die politischen Lager in der Ukraine müssen sich aufeinander zubewegen unter Einbeziehung der Gewerkschaften und der demokratischen Kräfte der Zivilgesellschaft. Es ist nun die historische Herausforderung, die Einheit des Landes zu erhalten und den Menschen eine Perspektive für eine friedliche und soziale Zukunft zu ermöglichen.

Die Regierungen der Ukraine, Russlands, der USA sowie die EU haben alles zu unternehmen, dass der Konflikt in der Ukraine nicht weiter eskaliert. Ein weiteres Handeln in Rahmen von geopolitischen Strategieüberlegungen von der NATO oder von Russland sollte strikt unterbleiben. Die Gewalt im Land hat schon zu viele Menschenleben gekostet.

Die Bereitstellung von Finanzmitteln durch den IWF und andere internationale Institutionen sollte nicht an Bedingungen geknüpft werden, die die Lage der breiten Bevölkerung noch weiter verschlechtern.

Die Entscheidungen über die zukünftige Entwicklung der Ukraine und ihrer Regionen bedarf einer breiten demokratischen Legitimation. Schlussendlich haben die Menschen in demokratischen und freien Wahlen zu entscheiden, welcher politischen Kraft sie zutrauen die Herausforderungen des Landes zu meistern. Freie Wahlen bedeuten eine Stimmabgabe ohne Repression und Bedrohung, sowie unter internationaler Beobachtung.

I 002 Lfd.-Nr. 1208; Antragsteller: DGB-Bundesvorstand; Beschluss des DGB-Bundeskongresses

Quelle: Website des DGB (Kongress-Dokumente)


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