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"Der US-Krieg gegen den Irak war nicht das Ende, sondern erst der Beginn eines langen Konflikts"

Gewerkschaftliche Positionen zur Friedenspolitik und zu Europa

Von Wolfgang Rose*

Wenn wir in diesen Tagen über Krieg und Frieden reden, dann kommen wir an der aktuellen Situation im Irak und im Nahen Osten nicht vorbei. Zwar ist der Krieg im Irak offiziell vorbei, Frieden herrscht aber noch lange nicht in der Krisenregion Nahost.

Im Gegenteil: Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten auf den Irak und auch das Agieren von Präsident Bush im Israel-Palästina-Konflikt haben die Lage nicht stabiler gemacht. Die immer häufiger auch in den Medien hergestellten Vergleiche mit dem Vietnamkrieg zeigen - bei allen historischen Vorbehalten eines solchen Vergleiches - überdeutlich, dass der US-geführte Militärschlag gegen den Irak nicht das Ende, sondern erst der Beginn eines langen Konflikts war.

Der Krieg gegen den Irak war und ist völkerrechtswidrig und damit ein Verbrechen. Indem die Bush-Regierung das Recht auf Präventivkriege für sich beansprucht, hat sie das Angriffsverbot der UNO-Charta aus den Angeln gehoben und an seine Stelle den eigenen Anspruch auf eine imperiale Vormachtstellung gesetzt. Und selbst den Einsatz von Atomwaffen - auch gegen Nicht-Atom-Mächte - will sie nicht ausschließen.

Zugleich hat sich mit Israel eine Atommacht etabliert, fernab von der Weltöffentlichkeit. Auch hier fand alles die Unterstützung der USA. Allein aus diesen Sachverhalten können wir ableiten: Der Weg der Gewalt wird nicht zum Frieden führen, sondern Hass und wieder neuen Hass schüren. Seitdem die Vereinbarung zwischen Israel und den Palästinensern von Oslo verlassen wurde, sinkt die Möglichkeit eines dauerhaften Nebeneinanders verschiedener Kulturen und Gewaltanwendung beherrscht das Denken der politisch Verantwortlichen. Damit wird Hass in die Herzen der betroffenen Menschen gepflanzt und weitet sich aus auf den Mittleren Osten. Solange Israel nicht frei von Furcht und Terror in international anerkannten Grenzen und in Sicherheit leben kann, solange nicht ebenfalls die Palästinenser in einem eigenen demokratischen Staat in Würde leben können und die Besetzung ihrer Gebiete beendet wird, solange wird es im Nahen Osten keinen wirklichen Frieden geben. Von den USA werden hier keine ausgleichenden Einflüsse wahrgenommen, sondern z. Zt. nur einseitige Unterstützungen verkündet. Gegen diese Politik, Kolleginnen und Kollegen, deren Grundorientierung die Unterwerfung des ganzen Mittleren Ostens unter den Einfluss und die Vorherrschaft der USA ist, darf der weltweite Protest nicht aufhören. Wir müssen weiter dafür streiten, dass an die Stelle des Rechts des Stärkeren die Stärke des Völkerrechts gesetzt wird!

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird das Leben sehr vieler Menschen in unserer Einen Welt durch Krieg, Terror, Gewalt und Vertreibung bestimmt. An die Stelle zwischenstaatlicher Kriege sind eine Vielzahl von Bürgerkriegen und globale terroristische Bedrohungen getreten. Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben seit 1945 fast 200 Kriege weltweit stattgefunden, 90 Prozent davon in den Entwicklungs- und Transformationsländern.

Weltweit verzeichnen wir heute:
  • Nahezu 40 gewalttätige Konflikte - 13 davon in Afrika südlich der Sahara
  • 500.000 bis 1 Million Kriegs- und kriegsbedingte Tote pro Jahr
  • Über 20 Millionen Menschen auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen
  • 300.000 Kinder unter 18 Jahren, die direkt an gewalttätigen Konflikten beteiligt sind
  • 780 Milliarden US-Dollar Rüstungsausgaben pro Jahr weltweit (zum Vergleich: Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit weltweit ca. 53 Milliarden US-Dollar). ver.di und auch die anderen Gewerkschaften im DGB haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Aktionen der Friedensbewegung aktiv mitgetragen. Aber die Welt entwickelt sich weiter, und damit auch ihre Konfliktstrukturen. Und daher besteht auch heute und zukünftig Bedarf zur Weiterentwicklung von Positionen und Strategien zur friedlichen Lösung von bewaffneten Konflikten und zur Suche nach Wegen für eine sozial gerechte Weltordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung mit gleichen Entwicklungschancen in allen Regionen der Welt.

    Angesichts der Bedeutung, die dem Prozess der europäischen Einigung auch in Bezug auf die Frage von Krieg und Frieden zukommt, sollten wir den Initiatoren dieser "Hamburger Friedenskonferenz" ausdrücklich danken, dass sie damit den Akteuren der Hamburger Friedensbewegung und der Gewerkschaften eine Plattform bieten, ihre Positionen zu diskutieren und Anforderungen an eine Politik nicht nur für ein friedliches Europa, sondern für eine friedliche Welt zu formulieren.

    Wenn ich hier zu den gewerkschaftlichen Positionen bezüglich der Entwicklung in Europa spreche, dann wissen wir alle, dass die Gewerkschaften sicher ein einigermaßen geschlossenes Konzept zur Tarif- und Sozialpolitik haben, aber in der Friedens- und Sicherheitspolitik in Wirklichkeit ein ähnlich heterogenes Meinungsspektrum vorhanden sein dürfte, wie in der Gesamtgesellschaft. Trotzdem haben wir natürlich Beschlusslagen, die unsere Friedenaktivisten mit Recht als Basis für ihre aktive Arbeit in der Friedenbewegung nutzen. Gewerkschaftliche Friedensarbeit, das sollten wir realistischerweise berücksichtigen, bevor wir Positionen verkünden, ist zu einem großen Teil auch friedenspolitische Bewusstseinsarbeit innerhalb der Gewerkschaften.

    Und sie gewinnt immer dann an Breite und Priorität, wenn das Thema "Krieg und Frieden" durch gesellschaftspolitischen Kontroversen oder Konflikte zugespitzt wird. Auf diesem Hintergrund will ich versuchen, einige gewerkschaftliche Positionen zu entwickeln und darzustellen, und zwar entlang der Fragestellungen im Einladungsaufruf zu dieser Konferenz. Dort geht es um die Fragen
    • Welche Rolle wird ein vereintes Europa bei der Lösung der globalen Probleme spielen?
    • Wird Europa multilaterale Konfliktlösungsstrategien weiterentwickeln oder dem unilateralen Politikstil der USA folgen?
    • Wird Europa sich für gerechte Handelsbeziehungen einsetzen oder sich den Zugang zu Rohstoffen notfalls gewaltsam verschaffen?
    Diese Fragestellungen sollen hier vor allem unter dem Gesichtspunkt der Europäischen Sicherheitsstrategie und der Europäischen Verfassung dargestellt und diskutiert werden.

    Ich will versuchen, in Thesenform auf diese Fragen einzugehen.

    1.These:

    Deutschland muss sein wirtschaftliches und politisches Gewicht und seinen Einfluss einsetzen, um nicht-militärische Konfliktlösungen zum vorrangigen Prinzip einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik werden zu lassen. Vorbeugende Politik muss auf den Einsatz von zivilen Mitteln bei der Konfliktbewältigung setzen.

    Die Europäische Union muss zu einer europäischen Zivilmacht werden mit einer klaren Priorität für zivile Konfliktprävention. Grundlage für ein politisches Handeln entsprechend dieser These kann nur die Erkenntnis sein, das eine wirksame Konfliktverhütung und damit Friedenssicherung keine militärische, sondern eine politische Aufgabe ist. Daraus folgt, dass es endlich mehr politische Anstrengungen und auch Ressourcen geben muss, um die systematische Entwicklung eines wirksamen zivilen Instrumentariums für Krisen- und Konfliktprävention zu stärken.

    Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben mit ihren traditionellen Verbindungen zu einer Vielzahl von Entwicklungsländern eine gute Voraussetzung für eine Politik, die sich nicht an der Logik der USA ausrichtet.

    Wenn es richtig ist, dass vier Fünftel der weltweit auftretenden Konflikte aus der unterschiedlichen Verteilung des Reichtums auf der Erde entstehen, dann müssen wir fordern, dass ein erstarkendes Europa seine Entwicklungs- und Handelspolitik - Stichworte: Entwicklungshilfe, fairer Handel, Entschuldung usw. - eindeutig in den Dienst einer auf Friedenssicherung und zivile Konfliktprävention ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik stellt.

    Diese Ausrichtung Europas auf eine zivile Friedensmacht ist jedoch in der sog. "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" und insbesondere in der gemeinsamen Verteidigungspolitik der EU nicht erkennbar. Im Gegenteil, die politische Option für den Ausbau der EU zu einer weltweiten militärischen Interventionsmacht durch die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur schrittweisen Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten verstärkt die Gefahr, dass die erklärte Priorität ziviler Prävention in der Verfassung in der Realität durch die Militarisierung Europas konterkariert wird.

    2. These:

    Deutschland und Europa müssen als Antwort auf den 11. September und die vielfachen Krisenherde in der Welt die Weichen für eine kooperative Weltinnenpolitik stellen. Diese Weltinnenpolitik muss multilateral ausgerichtet sein und zu einer Weiterentwicklung und Stärkung sowohl des Völkerrechts, als auch der Vereinten Nationen, ihrer Institutionen und Instrumente führen. Kein Staat darf für sich das Recht auf Intervention beanspruchen. Der erste und grundlegendste Imperativ für diese These ergibt sich aus unserem Grundgesetz.

    Der - viel zu früh gestorbene - Friedensforscher Dieter Lutz hat in einem Vortrag im Mai 2002 auf diesen Zusammenhang hingewiesen:
    "In unserer Verfassung vom 23. Mai 1949 findet sich eine ganze Anzahl bemerkenswerter Normen.
    Sie formen in ihrer Gesamtheit ein verfassungsrechtliches Friedensgebot, das weltweit wohl als einmalig anzusehen ist.
    Seine Regelungen sollten der Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen des Parlamentarischen Rates in bewusster Abkehr von der kriegerischen Vergangenheit des Deutschen Reiches einen 'exceptionellen Charakter' verleihen und einen wertgebundenen demokratischen und friedlichen Staat konstituieren. ...
    Der Friedenswille des deutschen Volkes sollte in eindeutiger Abkehr von einem System, das selbst vor Angriffskriegen, Massenmorden und Versklavungen nicht zurückgeschreckt war, zum unabänderlichen Leitgedanken und Wesensmerkmal des Grundgesetzes erhoben werden. Nie wieder Auschwitz! Nie wieder Krieg!"

    Dieses verfassungsrechtliche Friedensgebot muss die bestimmende Grundlage sein für das politische Handeln aller politisch Verantwortlichen, unabhängig von ihrer jeweiligen parteipolitischen Ausrichtung.

    Wenn wir heute die anstehenden Entscheidungen unter diesem Paradigma bewerten, dann verteidigen wir damit unsere Verfassung: Das Friedensgebot ist unantastbar. Frieden ist Norm auf Dauer. Aber auch über den nationalen Rahmen hinaus brauchen wir die Entwicklung eines Weltinnenrechts als Grundlage einer Weltinnenpolitik.

    Die Anschläge des 11. September, der transnationale Terrorismus, die kriegerischen Konflikte und das Phänomen der entgrenzten, privatisierten Gewalt verweisen auf die Grenzen des nationalen Rechts und des klassischen Völkerrechts als Vertragssystem zwischen Staaten.

    Die Geschichte der Nationalstaaten zeigt, dass Recht ein zentrales Instrument zur Zivilisierung von Macht und damit eine wesentliche Grundlage von Demokratie ist. Ich bin davon überzeugt, dass eine weltpolitische Perspektive für mehr Frieden mittel- und langfristig nur durch mehr globale Gerechtigkeit erreicht werden kann, und dazu gehören neben vielen anderen Rahmenbedingungen auch legitimierte Institutionen des Rechts.

    Auch wenn es in der Vergangenheit erhebliche Rückschläge gegeben hat, müssen wir daran festhalten, dass das wichtigste globale Instrument einer multilateralen Politik zweifelsfrei die Vereinten Nationen und ihre Organisationen sein müssen. Natürlich wird die Reichweite der Entscheidungen der Vereinten Nationen und insbesondere des Sicherheitsrat entscheidend begrenzt durch die Akzeptanz oder Ignoranz ihrer Mitglieder für gemeinschaftliches Handeln. Dennoch gibt es zu den Vereinten Nationen keine Alternative, wenn es gilt, globale Lösungen über die Grenzen von Staaten und Kontinenten, von Kulturen und Religionen hinaus zu entwickeln.

    Und wenn USA nicht bereit sind, diese Rolle der Vereinten Nationen anzuerkennen, dann müssen sie immer wieder und nachhaltig in der Weltöffentlichkeit isoliert werden. Es geht dabei auch um die Institutionalisierung des internationalen Rechts. Wenn es richtig ist, dass eine weltpolitische Perspektive für mehr Frieden mittel- und langfristig nur durch mehr globale Gerechtigkeit erreicht werden kann, dann gehören dazu neben vielen anderen Rahmenbedingungen auch legitimierte Institutionen des Rechts.

    Ein zentraler Baustein eines zukünftigen Weltinnenrechts wird der ständige Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) sein, dessen Statut 1998 in Rom beschlossen wurde. Der ICC soll für vier besonders schwere Kernverbrechen, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen des Angriffskrieges zuständig sein. Es ist bemerkenswert, dass die Bush-Regierung ihre Ablehnung gegen den ICC nach dem 11. September noch verschärft hat.

    Wir fordern von der Bundesregierung und der EU, dass sie weiterhin weltweit für die Ratifizierung des Vertrages von Rom zur Einrichtung des ICC werben, damit eine breite Legitimation für den Weltstrafgerichtshof entsteht.

    Ausgehend von unserem Grundgesetz und angesichts der weltpolitischen Risiken und Gefährdungen sind wir auf ein starkes Europa angewiesen. Ein Europa, das seine Stärke nicht einem Aufrüstungswettlauf verausgabt, sondern einen weltweiten Gegenpol bildet zu einer us- amerikanischen Politik, die internationale Institutionen und internationales Recht nur dort akzeptiert, wo es ihr nützlich erscheint und ihre Vormachtstellung stärkt, zum Beispiel bei der Welthandelsorganisation (WTO) und der Weltbank, aber dort sabotiert, wo es ihre Interessen behindert: Das Kyoto-Protokoll, der Weltstrafgerichtshof, der ABM-Vertrag und die UN-Charta. Diese starke Europa ist zuerst einmal ein Europa der Menschen. Die Menschen in Europa waren sich zum Beispiel in der Ablehnung des Irak-Krieges so einig, wie noch nie in einer zentralen weltpolitischen Frage, und zwar im deutlichen Gegensatz zu vielen europäischen Regierungen. Diese Einigkeit und diese friedensliebende Haltung der Menschen müssen wir gegen die Politik der Regierungen durchsetzen.

    Und darum müssen wir, die Friedensbewegung und die Gewerkschaften, grenzübergreifend für eine Europäische Verfassung streiten, in der zivile Prävention und multilaterale Konfliktlösungsstrategien Priorität, aber Aufrüstungsgebote keine Platz haben und in der die Ablehnung von militärischer Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele festgeschrieben wird.

    3. These:

    Ein zentraler Schwerpunkt der deutschen und europäischen Politik im Sinne präventiver Friedenssicherung muss die gerechte Gestaltung der Globalisierung sein. Wenn diese These keine Banalität sein soll, dann muss sie konkretisiert werden. Wir brauchen eine stärkere Öffnung der Märkte der Industrieländer für die Exporte der Entwicklungsländer und wir brauchen eine wirksame Agrarreform sowie den Abbau von Agrarsubventionen.

    Zugleich muss die Entschuldung konsequent vorangetrieben sowie durch die Einführung eines Staateninsolvenzrechts verhindert werden kann, dass Staaten überhaupt erst in die Überschuldung geraten.

    Zur gerechten Gestaltung der Globalisierung gehören darüber hinaus die Einführung der Tobinsteuer und die Heranziehung der Verursacher von Belastungen im Bereich der Umwelt und der natürlichen Ressourcen, ebenso wie die Durchsetzung der Umwelt- und Klimaziele.

    Die wichtigen großen Herausforderungen der heutigen Welt haben eines gemein: Sie lassen sich nicht mit militärischen Mitteln lösen. Zu diesen Herausforderungen gehören u.a.
    • die Chancen und Gefahren des globalisierten Wirtschaftens,
    • die Bevölkerungsentwicklung,
    • die weltweiten Migrationsbewegungen,
    • die Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Rivalität um Rohstoffe - dazu gehört das Öl, aber auf Dauer noch mehr das Wasser,
    • die weltweit organisierte Kriminalität wie zum Beispiel der Drogenhandel,
    • der internationale Terrorismus, vor allem in Verbindung mit religiösem Fanatismus,
    • die großen weltweiten Epidemien
    • und die Angst vieler Menschen überall auf der Welt, ihre religiösen und kulturellen Wurzeln zu verlieren, weil andere kulturelle Einflüsse sich als übermächtig erweisen und weil sie das Eigene überlagern und verdrängen.
    Wenn diese Herausforderungen nicht mit zivilen Mittel gelöst werden, dann bleiben sie latente Risikofaktoren für militärische Konflikte oder terroristische Akte. Armut und soziale Instabilität sind eben oft der Nährboden, auf dem Fundamentalismus, Hass und Terror, aber auch Konflikte, Krisen und Kriege gedeihen.

    Darum brauchen wir ein Europa, dass sich engagiert, mit Ideen und entschlossenem Handeln, mit Ressourcen und Menschen,
    • für den Kampf gegen Armut und Hunger,
    • gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen,
    • für Bildung und Gesundheit,
    • für den Schutz der Kinder und die Einhaltung der Menschenrechte.
    Dieses Engagement ist kein Luxus, es ist für Millionen von Menschen entscheidend für ihr Überleben in dieser Einen Welt.

    Die EU ist die größte Handelsmacht der Welt. Sie hat das politische und wirtschaftliche Potential, sich einzumischen für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung, für eine Weltfriedenspolitik, die auf einer Kultur der Prävention aufbaut, wie sie Kofi Annan gefordert hat. Die aktuelle Entwicklung in Europa, z.B. die Aufstellung der "Schnellen Eingreiftruppe" mit der Möglichkeit des weltweiten Einsatzes, nährt aber eher die Befürchtung, dass die Militarisierung zum prägenden Zukunftsbild unseres Kontinents wird und sich die EU auf den Irrweg forcierter Aufrüstung und militärischer Intervention macht.

    Während die Aufrüstung Verfassungsrang erhält, spielen Abrüstung und zivile Konfliktstrategien eine eher nachrangige Rolle. Diese Tendenz wird europaweit begleitet durch eine Politik des Neoliberalismus, der die Globalisierung nicht sozial gerecht gestaltet, sondern als Begründung für immer neue Runden des Sozialabbaus, der Privatisierung und Deregulierung sowie der Umverteilung von unten nach oben nutzt.

    Ich habe versucht, mit diesen drei Thesen und den ergänzenden Erläuterungen einige Aspekte gewerkschaftlicher Positionen zu formulieren. Positionen, Referate und Papiere aber sind das eine, aktives Handeln ist das andere. Ohne die Vernetzung und das aktive Handeln der Friedensbewegung und der Gewerkschaften, der Globalisierungskritiker und aller anderen Bündnispartner auf lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ist dem expandierenden friedens- und zivilisationsfeindlichen Kurs des Neoliberalismus nicht Einhalt zu gebieten.

    Die Gewerkschaft ver.di hat auf ihrem Bundeskongress im November 2003 beschlossen, sich an der Entwicklung von geeigneten Strategien zu zentralen sicherheits- und friedenspolitischen Frage zu beteiligen.

    Unsere handlungsleitenden Prinzipien dabei sind, so heißt es in dem Beschluss,
    • eine Stärkung des Völkerrechts,
    • eine wirksame Gewaltprävention durch zivile Krisenbewältigung,
    • die Ablehnung von Präventiv- und Präemptivkriegen,
    • die Stärkung einer multilateralen Weltordnung durch den Ausbau von Mechanismen einer friedlichen Konfliktlösung
    • und die Stärkung der Vereinten Nationen als der Instanz, die allein Friedenssicherungs- und Friedenserzwingungseinsätze legitimieren kann.
    * Wolfgang Rose ist Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Hamburg. Beim vorliegenden Text handelt es sich um ein Referat auf der "Friedenspolitischen Konferenz" am 23./24. April 2004 im Hamburger Gewerkschaftshaus


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